Alexander RadwanCDU/CSU - Europäischer Stabilitätsmechanismus
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der Tagesordnung heute steht die Reform des ESM. Da lohnt es sich, erst mal einen Blick darauf zu richten, wo wir herkommen. In der Staatsschuldenkrise, in der Euro-Krise, sind wir der Thematik begegnet, indem wir eine Troika eingesetzt haben. Wir haben die Europäische Zentralbank, die Kommission und den IWF in die Verantwortung genommen, die Strukturierung in den Mitgliedstaaten durchzuführen. Wir haben den IWF damals als Externen geholt, als jemanden, der die Erfahrung hat. Er hat damals schon gesagt: Europa muss zukünftig ein Stück weit eigene Verantwortung dafür übernehmen. – Die Antwort Europas darauf waren der ESM und die Entwicklung des ESM.
Darum begrüße ich ausdrücklich, dass der ESM weiterentwickelt wird. Ich betone „weiterentwickelt“, weil wir nicht am Endpunkt sind. Das ist aus meiner Sicht ein Zwischenschritt. Wir können jetzt besser auf die Krisen reagieren; das wurde vom Finanzminister schon ausgeführt. Die Letztsicherung des SRB hat jetzt einen Backstop in diesem Bereich, wobei ich schon betonen möchte – ich denke, der Kollege Petry, der jetzt gerade mit dem Kollegen Binding intensiv darüber diskutiert, hat damit EDIS gemeint –:
(Peter Boehringer [AfD]: Das glaube ich auch!)
EDIS kann nicht der nächste Schritt in diesem Bereich sein. Ich hoffe, Herr Finanzminister, dass Sie jeglicher Versuchung, auch unter portugiesischer Präsidentschaft, widerstehen, in dem Bereich nachzugeben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und des Abg. Peter Boehringer [AfD])
EDIS kann der Schlusspunkt sein. Wir müssen erst die NPL-Thematik nach der Coronakrise genau analysieren, bevor wir den nächsten Schritt in diesem Bereich gehen.
Es geht um die Restrukturierung der Staaten, um auf kleinere Krisen reagieren zu können. Vorhin wurden ja die Analysethematik des ESM und die Unabhängigkeit in diesem Bereich kritisiert. Ich kann nur sagen: Ich bin sehr froh, dass wir mit dem ESM ein Stück weit eine unabhängige Organisation auf europäischer Ebene haben, die parallel zur Kommission Analysen und Vorgaben macht und diese dann auch implementieren möchte, um eben aus dem politischen Wirrwarr – in Anführungszeichen – auf europäischer Ebene herauszukommen und entsprechend Unabhängigkeit zu haben. Darum ist das ein Riesenfortschritt.
(Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Meine Damen und Herren, der Kollege Petry hat ja in die Zukunft geschaut. Darum sagte ich: Es ist notwendig, zu analysieren, was bisher passiert ist. Wir haben die Pandemie. Wir haben eine neue Form der Eigenmittelfinanzierung auf europäischer Ebene. Wir haben den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der ausgesetzt ist. Das heißt: Die Mitgliedstaaten können sich entsprechend verschulden und machen dies auch. Darum müssen wir natürlich schauen, wie wir die nächsten Jahre gestalten. Wir müssen die Europäische Zentralbank in ihrer Verantwortung für den Währungsraum entlasten. Die Zinspolitik ist ja etwas, was wir regelmäßig thematisieren und von unserer Seite auch kritisieren. Aber wir können nicht davon ausgehen, dass das immer so bleibt.
Darum ist es dringend notwendig, dass wir die Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene wieder in die Verantwortung nehmen. Darüber müssen wir bereits jetzt nachdenken. Das heißt: Die Strukturreformen in den Mitgliedstaaten müssen umgesetzt werden. Wir müssen darauf achten, dass die europäischen wie auch die nationalen Gelder, die dort hineinfließen, nicht die wenig effizienten Strukturen manifestieren,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)
sondern dafür genutzt werden, zukunftsfähig zu werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Darum müssen wir auf der einen Seite die Diskussion über die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts führen, das heißt, dann, wenn er wieder eingesetzt wird. Gleichzeitig müssen wir darüber nachdenken, dass er, wenn er wieder eingesetzt wird, auch handlungsfähig sein muss. Er muss entsprechend vereinfacht werden. Es müssen darin weniger Ausnahmen verankert sein. Wir müssen bei der Reform aufpassen, dass entsprechende Ausnahmen nicht vorgesehen werden. In Zusammenhang mit dem Green Deal gibt es ja schon Diskussionen in Brüssel: Sämtliche fiskalische Investitionen in den Umweltbereich gegen den Klimawandel sollen nicht mehr haushälterisch wirksam sein. – Meine Damen und Herren, dann werden wir erleben, wie Europa über Nacht ergrünt und alle negativen fiskalischen Ausgaben auf einmal umweltrelevant sind. Dem müssen wir widerstehen. Wir müssen jetzt aufpassen bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Bei dieser Diskussion erwarte ich mir schon auch einen Lead von Deutschland, Herr Finanzminister.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir müssen dafür sorgen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt durchsetzbar wird. Ich hoffe auf den ESM und nehme einen Gedanken des früheren Finanzministers Wolfgang Schäuble auf, wenn Sie mir gestatten. Er hat gesagt: Wir müssen schauen, dass die Durchsetzbarkeit auf europäischer Ebene ein Stück weit unabhängig von der Kommission wird. – Ich würde mir wünschen, dass bei der Währungsthematik zukünftig auf europäischer Ebene eine Institution ist wie beim Kartellrecht. Nicht jede Entscheidung beim Kartellrecht der Europäischen Union gefällt uns, aber hier setzt sich Europa gegen die Mitgliedstaaten durch. Darum müssen wir dafür sorgen, dass der Prozess der Durchsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts entpolitisiert wird, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten müssen wir hier einfordern. Das bedingt, meine Damen und Herren, dass wir in Deutschland eine entsprechende Vorreiterrolle haben. Das heißt, wir müssen auch in Deutschland alles daransetzen, nach der Bundestagswahl fiskalische Disziplin walten zu lassen, nicht weiter in die Verschuldung zu gehen. Nur so können wir auf europäischer Ebene glaubwürdig sein. Nur so können wir es schaffen, Eigenverantwortung gegenüber der Transferunion zu setzen. Wir lehnen die Transferunion ab. Wir stehen bei diesen Themen für die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten.
Besten Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Damit schließe ich die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522516 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Europäischer Stabilitätsmechanismus |