Klaus-Peter SchulzeCDU/CSU - Natur- und Klimaschutz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich zu Beginn meines kleinen Redebeitrages ein dickes Lob für den fachlich fundierten Antrag der Grünen hier aussprechen. Er ist fachlich wirklich gut.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Andreas Bleck [AfD])
Allerdings ist er sehr weit von der Praxis entfernt. Ich habe ja mal hier in der Debatte zum Wolf gesagt: Die Balkonbiologen sehen das alles anders. – Hier kann man sagen: Die Schreibtischbiologen der Berliner Blase sind offensichtlich nicht in der Lage, die Praxis, wie sie vor Ort ist, richtig einzuschätzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir hatten ja gestern, meine sehr verehrten Damen und Herren – es waren ja einige der Kollegen mit dabei –, eine Diskussion beim NABU zu dem gesamten Thema Renaturierung und dazu, was wir dabei besser machen können. Da war auch ein super Papier vorgestellt worden. Aber ich habe meine Arbeit hier im Deutschen Bundestag und auch in den davorliegenden Jahren immer so verstanden, dass man zwar politische Visionen entwickeln sollte, sie dann aber auch in der Praxis umsetzen muss. Ansonsten passiert nämlich genau das, was wir alle nicht wollen: Politikverdrossenheit. Deshalb erlauben Sie mir, dass ich mal auf einige Punkte Ihres Antrages hier konkret eingehe.
Den Vorschlag, 10 Prozent der Gelder des Energie- und Klimafonds für die Wiederherstellung einer gesunden Natur auszugeben, würde ich sehr gerne mit unterstützen. Aber überlegen wir uns mal, welche Transformationsprozesse allein durch die Wasserstofftechnologie in unserer Wirtschaft erforderlich sind. Da kann ich mir nicht vorstellen, dass wir in der Lage sind, jedes Jahr 10 Prozent aus diesem Topf rauszunehmen, um Maßnahmen umzusetzen.
Ich bin dafür – das habe ich gestern in der Diskussion auch gesagt –, dass wir wirklich in der nächsten Legislaturperiode mal darüber nachdenken sollten, die Kompensationsverordnung dahingehend zu ändern, dass Maßnahmen, die im Zuge von Ausgleich und Ersatz erfolgen, in Geldform zu erbringen sind, sodass wir mit diesem Geld für den Naturschutz mehr machen können als bisher. Es nützt nichts, hier ein Bäumchen zu pflanzen, da ein Bäumchen zu pflanzen und vielleicht noch eine Strauchreihe dazwischen. Wir sollten eigentlich die Qualität in Schutzgebieten erhöhen. Ich würde sagen: In der nächsten Legislaturperiode muss das eine Rolle spielen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der nächste Punkt, den ich auch sehr kritisch sehe, auch aus eigener Erfahrung heraus, sind die Zeiträume, die notwendig sind, um solche Projekte auf den Weg zu bringen. Ich selbst durfte zwischen 1990 und 2001 das Gewässerrandstreifenprojekt Spreewald, das sich letztendlich jetzt als Erfolg dargestellt hat, begleiten. Elf Jahre hat es gedauert, bevor der damalige Umweltminister Jürgen Trittin uns im Jahr 2001 den Fördermittelbescheid übergeben hat. Und Sie wissen, Frau Lemke – wir haben uns das im vorvergangenen Jahr angeschaut –: An der unteren Havel läuft das in großer Akzeptanz mit der Bevölkerung. – Aber hier sind auch mehr als zehn Jahre Vorbereitungszeit nötig gewesen, um solche Prozesse auf den Weg zu bringen.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb sollten wir endlich anfangen!)
So etwas ist nicht in fünf Jahren erledigt.
Außerdem fehlt in Ihrem Antrag – auch das habe ich an dieser Stelle schon mehrmals gesagt –: Wir sollten wirklich mal darüber nachdenken, ob wir das, was 2002/2003 in Sachen Bioenergie auf den Weg gebracht wurde, noch zeitgemäß ist. 900 000 Hektar Maisanbau für Biogasanlagen, muss das sein?
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Sehr traurig! – Zuruf von der AfD: Traurig!)
Wir wissen ja mittlerweile, dass 100 Hektar Biomais einer Energiemenge entsprechen, die etwa auf 2 Hektar Solarfläche erzielt werden kann. Und hier muss auch in der nächsten Legislaturperiode überlegt werden, wie wir diese Entwicklung ändern können. Ich sehe hier und da auch Nicken aus anderen Fraktionen. Hier besteht eine große Aufgabe, und das sollten wir auf jeden Fall mit berücksichtigen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Ein Punkt, der ebenfalls mit dem Thema Fläche zu tun hat – und das ist jetzt in den letzten Monaten sehr deutlich geworden –, ist das Thema Flächenentzug durch Solaranlagen. Bei mir im Wahlkreis laufen Investoren durch die Gegend, die gerne Solaranlagen aufbauen möchten. Sie bieten pro Hektar 2 500 Euro pro Jahr bei einem 20-Jahres-Vertrag. Das sind 50 000 Euro. Sie schreiben jetzt unter Punkt e), dass wir Flächen aufkaufen sollen. Wer wird denn eine Fläche für eine Renaturierung zur Verfügung stellen, wenn er, wenn es gut läuft, vielleicht zwischen 5 000 und 10 000 Euro für den Hektar bekommt, wenn er in der gleichen Zeit das Fünffache von einem Solarinvestor bekommt? Hier muss auch überlegt werden, ob die kommunale Bauleitplanung überhaupt in der Lage ist, diesen Prozess in den Griff zu bekommen. Wäre es nicht besser, wenn hier die Regionalplanung analog zu den Windkraftanlagen zukünftig Planungen auf den Weg bringen und sagen würde: „Hier ist es möglich, dort nicht“? Ansonsten haben wir hier den gleichen Wildwuchs, wie wir ihn bei den Biogasanlagen in den letzten 20 Jahren beobachten konnten.
Ja, und dann höre ich immer: Wir kriegen den Ausbau der Windkraftanlagen nicht hin. Daran ist der Naturschutz schuld. – Das ist ja hier und da zu lesen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie!)
– Ich habe den Artikel über Sie gelesen, als Sie den Spaziergang durch das Naturschutzgebiet Karower Teiche gemacht haben. Übrigens finde ich den Ansatz, Populationen zu beachten und nicht nur Einzeltiere, nicht schlecht; den müssen wir dann natürlich auf alle Infrastrukturmaßnahmen ausweiten.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU] und Katja Suding [FDP])
Ich mache das mal an einem Beispiel fest. Wir hatten 1990 185 Brutpaare des Seeadlers. Inzwischen sind es knapp 1 000, jedes Jahr ein Zuwachs von 20 Prozent. Und da zwischen einer Windkraftanlage und einem Seeadlerhorst ein Mindestabstand von 3 000 Metern sein soll, kann man sich schnell ausrechnen, wie groß der Verlust von potenziellen Flächen für die Errichtung von Windkraftanlagen ist.
(Karsten Hilse [AfD]: Das ist gut so!)
Das müssen wir so berücksichtigen und können nicht einfach sagen: Der Naturschutz ist schuld. Wir wollten das eigentlich.
Und dann will ich aber noch zu ein paar positiven Dingen kommen. In den Haushalt wurde in den letzten Jahren eine ganze Menge Geld für Renaturierung von Gewässern eingestellt.
Ich erinnere an das Blaue Band: Mit 2 Millionen haben wir begonnen; wir sind jetzt bei 10 Millionen.
Das Hochwasserschutzprogramm, wenn es geschickt angestellt wird, kann hier auch einen Beitrag leisten. Für die Renaturierung von Fließgewässern sind wir mittlerweile bei 100 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2021.
Auch bei dem von den Grünen immer kritisierten Bundesprogramm Biologische Vielfalt, weil dafür angeblich zu wenig Mittel zur Verfügung stehen, haben wir gemeinsam mit meinem Kollegen Carsten Träger dafür gesorgt, dass sich der Ansatz in den letzten sieben Jahren verdreifacht hat.
Ich denke, das sind gute Erfolge.
Bei Ihrem Antrag, liebe Grüne, sollte man das eine oder andere wirklich rausnehmen. Wenn das in der Praxis umsetzbar ist, sind wir gerne mit dabei. Aber alles nur von theoretischer Seite zu sehen, ist aus meiner Sicht der falsche Weg.
Schönen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Träger [SPD] – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So richtig praktisch war deine Rede auch nicht! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Schulze. – Nächster Redner ist der Kollege Karsten Hilse, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522766 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Natur- und Klimaschutz |