Peter SteinCDU/CSU - Natur- und Klimaschutz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Drei Viertel aller Abfälle im Meer sind Kunststoffe. Das sind derzeit etwa 150 Millionen Tonnen; etwa 10 Millionen Tonnen kommen jährlich dazu. Es handelt sich vor allem um Verpackungsmaterialien, Abfälle aus Fischerei und Schifffahrt – zum Beispiel die sogenannten Geisternetze – sowie in Abwässern enthaltenes Mikroplastik aus Kosmetik und Textilien, insbesondere auch Babywindeln. Besonders kritisch sind natürlich medizinische Abfälle.
Gut 70 Prozent davon sinken jedoch auf den Grund oder sind in den tieferen Wassersäulen zu finden. Es ist tragisch: Selbst in der Tiefsee, in 11 Kilometern Tiefe am Boden des Marianengrabens, hat man bereits Plastikmüll nachgewiesen. 70 Prozent, das bedeutet, dass wir es kaum technisch in der Hand haben, wesentlich mehr als 30 Prozent wieder herauszufischen. Wir müssen den Eintrag von Plastikmüll unverzüglich drastisch reduzieren!
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Dabei ist der Mülleintrag ins Meer nicht gleichmäßig über den Globus verteilt – Kollege Hoffmann hat es schon angesprochen –: Über 90 Prozent des Mülls, der über Flüsse ins Meer eingetragen wird, stammt aus lediglich zehn Flusssystemen. Davon befindet sich die Mehrheit in Asien – der Ganges, Indus, Mekong, Jangtse und der Amur seien hier zu nennen – und in Afrika, dort besonders der Nil und der Niger. Zum Vergleich: Im Rhein transportieren wir leider auch 380 Tonnen Plastikmüll pro Jahr in unsere Nordsee. Das sind gemessen am Gesamtvolumen weltweit 0,0031 Prozent des Problems; alle europäischen Flusssysteme tragen weniger als 1 Prozent bei.
Deshalb ist es richtig: Das Thema muss international betrachtet werden. – Diese Bundesregierung und diese Regierungskoalition haben das allerdings bereits deutlich erkannt und stellen sich dieser Aufgabe wie noch nie zuvor. Die G 7 und die G 20 haben 2015 und 2017 Aktionspläne zur Bekämpfung der Meeresvermüllung verabschiedet, und das jeweils unter deutscher Präsidentschaft. Das Ostseeparlament hat in seiner Resolution 2019 neben den Munitionsaltlasten auch die Themen „Geisternetze“ und „Mikroplastik“ aufgenommen, eingebracht von der deutschen Delegation. Und auch in die Meeresstrategie der Europäischen Union hat das ganz klaren Einklang gefunden.
Müll im Meer ist meist Müll, der an Land nicht ordentlich entsorgt wurde. Müll darf erst gar nicht in Flüsse und Meere gelangen. Wir müssen also Abfallwirtschaftssysteme aufbauen – da sind wir ganz bei dem Ansatz der FDP – und helfen, die Recyclingquote zu erhöhen.
Das BMZ hat einen eigenen Zehn-Punkte-Aktionsplan für Meeresschutz und nachhaltige Fischerei, in dem es die umweltpolitische Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern weiterentwickelt und dabei die Abfallwirtschaft gezielt fördert. Ebenfalls ein Förderschwerpunkt ist der Wissensaustausch zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern und für Partnerschaften mit der Privatwirtschaft. Auch das Bundesumweltministerium hat ein Förderprogramm zum Aufbau von Entsorgungs- und Recyclingstrukturen in Asien und Afrika, in dem es sich auf Länder und Flussregionen konzentriert, aus denen die größten Müllmengen in die Meere gelangen.
Ich persönlich engagiere mich schon seit Beginn meines Mandates – also jetzt seit über sieben Jahren – für einen direkten Austausch und konnte in diesem Kontext im Bereich der Abfallwirtschaft und Gewässersauberkeit auch einige Projekte begleiten. Wichtig ist mir dabei, immer lokale, kommunale Strukturen aufbauen zu helfen. Ich nenne die Abfallentsorgung in dem Zusammenhang gerne auch die Pionierpflanze der kommunalen Selbstverwaltung. Wo Abfallwirtschaft funktioniert, da funktioniert auch die Verwaltung besser. Das ist ein Beitrag zur Good Governance.
Leider wurden gerade im EZ-Bereich – das muss man auch sagen – historisch mit Abfallwirtschaft nicht gerade gute Erfahrungen gemacht, was zu einem Rückgang der Einzelprojekte, beispielsweise bei der GIZ, geführt hat. Ich fordere ganz klar, dass wir hier wieder erheblich zulegen müssen. Ich möchte zwei Beispiele nennen, wo mir das vor Augen geführt worden ist.
In Nordtunesien haben wir eine Städtekooperation. Dort haben wir ein Abfallwirtschaftsprojekt gemacht. Wir haben ganz klein skaliert angefangen mit dem gezielten Einsammeln und Verwerten von Grünschnitt, also das Umwandeln in Kompost, in Kompostierungsanlagen. Das hat hervorragend funktioniert: Die Verwaltung hat sich darauf eingestellt, die Bürgerinnen und Bürger haben es gut gefunden und haben mitgemacht, und auch die Touristen hatten etwas davon, weil die Straßen und die Strände sauberer geworden sind. – Als es darum ging, das hochzuskalieren, gab es keine Programmfortführung. Da ist eine Lücke. Da – das fordere ich ganz klar – müssen wir in der nächsten Legislatur auf jeden Fall im EZ-Bereich, Herr Staatssekretär, nachlegen. Mit der GIZ, mit unseren Durchführungsorganisationen, machen wir es möglich, auch in einem größer skalierten Rahmen Programme aufzulegen, Projekte weiterführen zu können und weiterzuentwickeln.
Ich möchte Indien nennen. Zusammen mit einem Fraunhofer-Institut haben wir ein Projekt gemacht, wo es darum ging, über ein Monitoringsystem die Gewässersauberkeit des Ganges zu fördern. Dort hatten wir in der GIZ zwar Unterstützung, sind aber an anderer Stelle gescheitert: Zwar wäre es im Unterlauf mit unserer Unterstützung möglich gewesen, den Müll herauszuholen, aber wir sind im Oberlauf, weil es ein anderes Bundesland in Indien ist, nicht in der Lage gewesen, dort Projekte zu machen, wodurch der Müll gar nicht erst hineingeschmissen wird. Da klappte die Vernetzung nicht; die Rückkopplung war einfach nicht da. Es war eigentlich unsinnig, zu erleben, dass man an so einer Schwelle gescheitert ist. Ich glaube, das ist auch ein Auftrag: Wir müssen zukünftig im EZ-Bereich flexibler sein, um auch in solchen Bereichen besser und effektiver zusammenzuarbeiten.
Den Tourismus als Saubermann möchte ich noch ansprechen. Überall da, wo Tourismus eine Rolle spielt, geben sich die Kommunen und die Länder auch deutlich mehr Mühe. Das ist auch ein Faktor.
Zum Abschluss: Es gilt, die Partner vom eigenen Vorteil einer gezielten und verbesserten Abfallpolitik zu überzeugen und dann privatwirtschaftliche Unterstützung bei der Umsetzung dieser Vorhaben mitanzubieten.
Es wird also eine ganze Menge getan; das habe ich hier, glaube ich, dargelegt, das haben wir auch im Ausschuss miteinander ausgetragen. Ich plädiere also für die Unterstützung der Beschlussempfehlung. Das Thema ist mehr als präsent in der deutschen Entwicklungspolitik, auch in der Außenwirtschaft. Aber wir müssen es besser skalieren, und wir müssen es effektiver machen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Als nächster Redner erhält das Wort der fraktionslose Abgeordnete Marco Bülow.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522779 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Natur- und Klimaschutz |