Timon GremmelsSPD - Demokratie und Wohlstand
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass ich wirklich mal hier im Bundestag stehen würde und das Weltwirtschaftsforum in Davos verteidigen muss, hätte ich auch nie gedacht.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Man gewöhnt sich dran!)
Herr Kotré, Sie stellen sich hierhin und sagen: Das Weltwirtschaftsforum in Davos sei der Ort, wo der ökosozialistische Umsturz geplant werde. – Ehrlich gesagt: Gucken Sie sich Ihre Reden im Nachgang eigentlich mal an? Das ist ja peinlich; da kann man sich einfach nur fremdschämen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben Ihren Antrag überschrieben mit: „Green Deal zum Wohle der deutschen Wirtschaft beenden“. Ich frage mich ehrlich gesagt: Für wen sprechen Sie da eigentlich? Ich hab mir gedacht, ich gucke mal nach, was der BDI dazu sagt. Der BDI sagt auf seiner Homepage: „Die deutsche Industrie sieht mit dem EU Green Deal Chancen für den heimischen Standort.“ Sie sehen darin Chancen: wirtschaftspolitische Chancen, arbeitsmarktpolitische Chancen und auch eine Chance für die Zukunft unseres Landes. Das ist die richtige Herangehensweise. Die Industrie ist viel, viel weiter als der rechte Rand in diesem Hause, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Während die AfD hier noch das Ob eines Green Deals diskutieren will, nutzen wir doch lieber die Zeit, um darüber zu diskutieren, wie wir diesen Green Deal ausgestalten. Für die SPD ist glasklar: Das kann nur mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehen, das kann nur mit den Gewerkschaften gehen. Die Parteien der Sozialpartnerschaft sind auch bei der Transformation unserer Industriegesellschaft unsere ersten Ansprechpartner.
(Beifall bei der SPD)
Doch lassen Sie uns gemeinschaftlich noch ein Wort davorstellen: Lassen Sie uns vom „Social Green Deal“ sprechen. Das muss doch unsere Antwort sein. Wir wollen die Transformation unserer Industriegesellschaft sozial verträglich hinbekommen, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit den Beschäftigten, mit den Kommunen. Darin liegen Riesenchancen; die müssen wir gemeinschaftlich nutzen und nicht anfangen, Menschen gegeneinander auszuspielen. Aber die AfD kann ja nichts anderes, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Wenn man sich mal anguckt, was da in diesem Konglomerat der Anträge alles gefordert wird: Zum Beispiel sollen wir uns vom Atomausstieg verabschieden,
(Karsten Hilse [AfD]: Richtig!)
die AKW-Laufzeiten verlängern;
(Karsten Hilse [AfD]: Richtig!)
das fordern Sie. Dann fordern Sie, dass man den Wegfall aller Energiesubventionen auf den Weg bringt. Das widerspricht doch dem ersten Punkt.
(Zuruf des Abg. Steffen Kotré [AfD])
Meinen Sie, die Atomkraft in Deutschland würde sich rechnen, wenn sie nicht jahrzehntelang subventioniert worden wäre? Ihre ganzen Punkte passen doch gar nicht zusammen.
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Darüber hinaus fordern Sie die vollständige Abschaffung des EEG, des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Einfach weg damit und zurück in die Vergangenheit!
(Steffen Kotré [AfD]: Zukunft!)
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, damit helfen Sie der Industrie nicht. Damit helfen Sie dem Mittelstand nicht, und damit helfen Sie auch den Mieterinnen und Mietern, den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht. Das ist nämlich der völlig falsche Weg. Natürlich können wir noch so weiter wirtschaften wie bisher.
(Zuruf von der AfD: Müssen wir auch!)
– Ja, wir können das tun: in der Kohleindustrie, in der Stahlindustrie, in der Automobilindustrie; können wir noch machen, drei Jahre, vielleicht fünf Jahre, wenn es gut läuft, vielleicht noch sieben Jahre. Aber dann tragen wir in Deutschland die rote Laterne, weil dann alle an uns vorbeigezogen sein werden.
(Zuruf des Abg. Steffen Kotré [AfD])
Das ist ein Weg in die Vergangenheit, den Sie beschreiten. Wir müssen jetzt die Chance nutzen, dass wir an die Spitze kommen. In vielen Bereichen sind wir das schon, zum Beispiel bei der Energiewende, beim Klimaschutz. Denn hier liegen die großen wirtschaftlichen Chancen unserer Industrienation. Deswegen gilt es, jetzt gemeinschaftlich die Transformation zu begleiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das machen wir auch, indem wir sagen: Klimaschutz sozialverträglich gestalten, das ist die Aufgabe der Zeit. Kein Klimaschutz ist sehr viel teurer als Klimaschutz, gerade für den Mittelstand und die Wirtschaft insgesamt. Wir federn das ab. Wir haben eine Carbon-Leakage-Verordnung auf den Weg gebracht, um die Auswirkungen für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, abzumildern. Wir haben einen CO2-Preis eingeführt, der sozialverträglich steigt. Wir haben die EEG-Umlage schrittweise auf 5 Cent in spätestens drei Jahren gesenkt. Wir haben die Pendlerpauschale erhöht. Wir haben Mieterstrommodelle auf den Weg gebracht, damit auch Menschen in Mietwohnungen von preiswerter erneuerbarer Energie profitieren können. Wir haben die E-Mobilitätsförderung auf den Weg gebracht. Wir haben auch das Dilemma der CO2-Mehrkosten so gelöst, dass sie zwischen Vermieter und Mieter im Verhältnis 50 : 50 aufgeteilt werden. Sie sehen, wir haben einiges auf den Weg gebracht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Gucken Sie doch einfach mal nach Sachsen-Anhalt. Dort wurde in Bitterfeld vor zwei Tagen eine neue Solarzellenfabrik eröffnet. Dort entstehen 350 neue Arbeitsplätze in der Solarmodulfertigung.
(Karsten Hilse [AfD]: Keinen einzigen Arbeitsplatz gäbe es ohne Subventionen!)
Und das Silicium, was da genutzt wird, kommt nicht aus China; das kommt aus Europa.
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Das sind Arbeitsplätze, deren Schaffung der SPD-Wirtschaftsminister Armin Willingmann dort vorangebracht hat. Das zeigt, dass die Energiewende auch in Ostdeutschland Arbeitsplätze schafft; denn es ist mittlerweile preiswert geworden, dort Module und Solarzellen herzustellen, sodass es sich gar nicht mehr lohnt, diese aus China zu importieren, weil wir es hier preiswert und richtig können. Das ist moderne Industriepolitik. Das ist moderne Energiewende, die Arbeitsplätze schafft.
(Beifall der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD])
Ja, und da sind Sie auf einmal sprachlos, weil wir Sie entlarven.
(Karsten Hilse [AfD]: Wir sind überhaupt nicht sprachlos! Sie reden nur dummes Zeug!)
Wir sorgen dafür, dass auch im Osten unserer Republik gute, moderne, zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Ich sage Ihnen: Seien Sie von der AfD doch wenigstens ehrlich! Sagen Sie doch nicht, Sie wollen einen Wahlkampf führen mit „Deutschland. Aber normal“. Sie wollen einen Wahlkampf führen: Deutschland. Aber von gestern. – Da machen wir nicht mit.
In diesem Sinne: Alles Gute und Glückauf!
(Beifall bei der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Im Deutschland von morgen werden Sie Geschichte sein! – Gegenruf von der AfD: Die wissen ja nicht mal, was Geschichte ist!)
Vielen Dank, Timon Gremmels. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Alexander Ulrich.
(Beifall bei der LINKEN)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 230 |
Agenda Item | Demokratie und Wohlstand |