Florian ToncarFDP - Finanzmarktintegrität, Anlegerschutz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat es sich ja manchmal zur Angewohnheit gemacht, Gesetze mit einfachem Namen zu überschreiben, wie zum Beispiel das sogenannte Gute-KiTa-Gesetz. Würde sie das hier auch machen, dann müsste man sagen: Es soll heute das Schlechte-Gewissen-Gesetz beschlossen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU])
Denn es ist doch so: Weil die Regierung und weil die Behörden umfassend versagt haben, soll jetzt ein Gesetz das Publikum milde stimmen und bei den Wählerinnen und Wählern den Eindruck hinterlassen, dass was passiert.
Aber man muss eines ganz klar sagen: Die Aufdeckung des Wirecard-Skandals ist nicht an schlechten Gesetzen gescheitert. Sie ist daran gescheitert, dass die BaFin nicht Herrn Marsalek angezeigt hat, was sie hätte tun können, sondern kritische Journalisten. Sie ist daran gescheitert, dass die BaFin nicht mit allen Mitteln gegen Wirecard ermittelt hat, die sie hatte, sondern sich stattdessen mit einem Leerverkaufsverbot auf die falsche Seite gestellt hat. Und ein Staat, der sich auf die falsche Seite stellt, weil er Dinge falsch beurteilt, wird mit keinem Gesetz dieser Welt, auch nicht mit dem, das Sie heute beschließen, bessere Entscheidungen treffen. Deswegen geht es erst mal nicht um mehr Gesetze, sondern um einen Kulturwandel und um die Wahrnehmung von Verantwortung in Regierung und Aufsicht.
(Beifall bei der FDP)
In dem Gesetz, so wie es jetzt aus dem Ausschuss kommt, steht durchaus manches an richtigen Ansätzen, aber auch manches Falsche. Ich glaube, dass es in vielerlei Hinsicht zu kurz springt. Wir Freie Demokraten haben beispielsweise vorgeschlagen, die Rolle des Aufsichtsrates und damit die Rolle der Aktionäre noch stärker auszugestalten, als Sie das wollen, indem wir beispielsweise festlegen: Der Aufsichtsratsvorsitzende eines DAX-Unternehmens muss hauptamtlich tätig sein, und der Aufsichtsrat braucht auch ein Budget, um eigene Untersuchungen durchführen zu können. Hier wollen wir weiter gehen als Sie, und das, glaube ich, aus guten Gründen.
(Beifall bei der FDP)
Wir müssen die Wirtschaftsprüfung stärken und uns nicht in ideologischen Grabenkämpfen, wie Sie sie in der Koalition geführt haben, verlieren. Viel wichtiger als die Frage, wie man zum Beispiel mit dem Thema Haftung genau umgeht, ist doch die Frage: Wie kriegt man die Prüfer dazu, dass sie Dinge finden? Deswegen haben wir vorgeschlagen, zu sagen: Mitarbeiter von zu prüfenden Unternehmen sind auch rechtlich verpflichtet, mit dem Abschlussprüfer zu kooperieren. Auch die Dienstleister, Drittdienstleister, die es bei Wirecard in vielerlei Hinsicht gab, sollen direkt verpflichtet werden, mit dem Prüfer zu kooperieren. Das stärkt die Prüfung, das stärkt damit auch die Aktionäre und den Kapitalmarkt. Das ist etwas anderes als die ideologischen Grabenkämpfe, wie Sie sie hier in der Koalition geführt haben.
(Beifall bei der FDP)
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema Bilanzkontrolle sagen. Bisher – das ist ganz bemerkenswert – hat ein Verein unter Beteiligung der Wirtschaft im Rahmen des zweistufigen Verfahrens auf der ersten Stufe geprüft. Die FDP ist mit der Bundesregierung, mit dem Justiz- und Finanzministerium der Auffassung, dass wir die Stichproben weiterhin dort lassen sollten, weil dort gute Ergebnisse geliefert worden sind und weil die Wirtschaft selbst auch ein Interesse an Standards hat. Dass die Union die Kraft in der Koalition war, die die SPD hier links überholt hat
(Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])
und die Mitwirkung der Wirtschaft an guter Bilanzierung in allen Fällen, auch im Alltagsgeschäft, auch bei den Stichproben, gestrichen hat, habe ich bis heute nicht verstanden.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ich habe es doch gerade erklärt!)
Ich finde jedenfalls, das ist der falsche Weg. Er ist Ausdruck von ungesundem Misstrauen. Man kann das Verfahren reformieren, ohne dass man im Alltagsgeschäft die Kompetenz der Privatwirtschaft völlig rausnimmt, so wie Sie das wollen.
(Beifall bei der FDP – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wir integrieren sie doch, die Privatwirtschaft!)
Unterm Strich –
Kommen Sie zum Schluss, bitte.
– Sie werden es geahnt haben – werden wir, weil wir einerseits weitergehen als Sie, aber andererseits bestimmte Maßnahmen falsch finden, Ihren Gesetzentwurf heute ablehnen.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Dr. Toncar. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Stefan Liebich.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523012 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Finanzmarktintegrität, Anlegerschutz |