Carsten BrodesserCDU/CSU - Finanzmarktintegrität, Anlegerschutz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie sehen, trage ich heute im Gegensatz zur letzten Sitzungswoche wieder eine Krawatte. Der Kragen ist mir also bei den Beratungen zum Anlegerschutzgesetz diesmal nicht geplatzt. Ganz im Gegenteil; denn wir verabschieden heute in zweiter und dritter Lesung ein Gesetz, das den Anlegerschutz im Bereich der Vermögensanlagen deutlich stärkt.
Ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass wir dem Anlegerschutz oberste Priorität einräumen müssen. Als Koalition denken wir aber auch, dass Regeln und Möglichkeiten der Emittenten, der Anleger und der Aufsicht zu einem vernünftigen und praxistauglichen Verhältnis kommen müssen. Auf dem Weg zu einer individuellen Anlageentscheidung muss der Staat einerseits den Anbietern klare gesetzliche Leitplanken und Regeln setzen, um den Anleger vor möglichem Schaden zu schützen. Andererseits wollen wir als Staat den Bürger bei der Anlageentscheidung nicht bevormunden. Entscheiden soll der Bürger am Ende selbst.
Die im Gesetzentwurf genannten Leitplanken haben wir daher im parlamentarischen Verfahren noch einmal überarbeitet. Wir erinnern uns: Auslöser für dieses Gesetz waren Anlagebetrugsfälle der Vergangenheit, Anlagemodelle, die in vermeintliche Sachgüter investieren sollten, die aber tatsächlich nicht existierten. Leider bestimmten diese wenigen schwarzen Schafe in der Vergangenheit die Schlagzeilen, während sich das Gros der Anbieter seriös verhielt.
Um die BaFin als unsere Finanzpolizei in diesem Segment zu stärken, haben wir nun das Vermögensanlagengesetz entscheidend nachgeschärft. Die BaFin erhält mit diesem Gesetz zukünftig mehr Biss, um schwarze Schafe rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. So haben wir mit dem Mittelverwendungskontrolleur ein wichtiges Sicherheitsscharnier zwischen Anleger, Anbieter und der BaFin geschaffen. Der Emittent ist zukünftig verpflichtet, ein Mittelverwendungskonto einzurichten, auf das die eingeworbenen Gelder eingezahlt werden müssen. Verfügungen aus diesem Konto können nur gemeinsam mit dem Mittelverwendungskontrolleur erfolgen. Er kontrolliert die Verwendung und gibt Gelder frei, wenn die vertraglich festgelegten Kriterien erfüllt sind. Er verfasst einen Bericht, den er nicht nur an den Emittenten, wie ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehen, sondern auch an die BaFin bzw. den Bundesanzeiger weitergibt. Damit ist ein direkter Draht zur staatlichen Aufsicht gegeben, und denkbare Umgehungsmöglichkeiten werden vermieden.
Der Mittelverwendungskontrolleur ist also eine wichtige Sicherungsinstanz für den Anleger, weshalb wir auch hohe Anforderungen an seine Qualifikation stellen. Es sollen Berufsträger wie Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sein. Eine Tätigkeit als Kontrolleur ist unter Berücksichtigung laufender Projekte auf zehn Jahre begrenzt, um einer eventuellen Nachlässigkeit vorzubeugen. Ebenso ist es nicht zulässig, sowohl Abschlussprüfer als auch Mittelverwendungskontrolleur zu sein. Wichtig sind uns also die Qualifikation, die Unabhängigkeit und ein solides Haftungsregime der beauftragten Kontrolleure.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die öffentliche Anhörung und die parlamentarischen Beratungen haben uns aber auch in einem weiteren Punkt sensibilisiert; denn im ursprünglichen Gesetzentwurf sollte mit einem generellen Verbot von sogenannten Blindpools für Privatanleger dem möglichen Anlagebetrug ein Riegel vorgeschoben werden. Grundsätzlich sicher ein guter Gedanke, weil Investitionen in Vermögensanlagen, die zum Zeitpunkt der Emission weder einer Branche noch einem konkreten Standort zuzuordnen sind, der Gefahr der Nichtrealisierung, möglicherweise auch des Betrugs unterliegen.
Tatsächlich gibt es aber zahlreiche sinnvolle und volkswirtschaftlich erwünschte Vermögensanlagen, die in der Regel vor ihrer Realisierung über Anlagegelder finanziert werden. Das vollständige Verbot von Blindpool-Konstruktionen hätte unseres Erachtens den Anlagemarkt zu sehr eingeschränkt. Eine abschließende Prospektierung aller spezifischen Eigenschaften bereits bei der Emission einer Vermögensanlage hätte der Lebenswirklichkeit komplett widersprochen.
So vergehen beispielsweise bei Wind- oder Solarprojekten von der Planungsphase bis zur endgültigen Realisierung oft Monate oder gar Jahre. Alle diese Planungsphasen kosten bereits Geld und bedürfen einer entsprechenden Vorfinanzierung. Also haben wir den Gesetzentwurf deutlich verbessert und der Realität angepasst. So bleiben sogenannte Semi-Blindpools weiterhin möglich, wenn bei Prospektierung des Vorhabens klar definierte Mindestinformationen über den geplanten Vermögensgegenstand vorliegen.
Hier ist allerdings die BaFin gefordert. Sie soll unverzüglich ein entsprechendes Merkblatt vorlegen, in dem die Spielregeln für eine solche Genehmigung von Semi-Blindpools genau beschrieben werden. So müssen zumindest die Branche und eine gattungsmäßige Bestimmung für das Investment festgelegt sein. Bei der Prospektaufstellung müssen auch nachweisbare Mindestrealisierungsgrade erkennbar sein, zum Beispiel durch dokumentierte Vorverhandlungen. Wir wollen, dass die BaFin als Aufsichtsbehörde noch stärker in die materielle Prüfung einsteigt und Projekte nicht lediglich auf formale Kriterien hin prüft.
(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])
Hier ist noch deutlich Luft nach oben. Wir vertrauen auf die Zusagen des BMF, dies auch entsprechend umzusetzen.
Abschließend gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesfinanzministerium und den Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners sowie der anderen Fraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit.
Ich werbe um Zustimmung zu diesem guten Gesetz und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523017 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Finanzmarktintegrität, Anlegerschutz |