Karl-Heinz BrunnerSPD - Entschädigung und Rehabilitierung von Soldaten
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wo viel Licht ist, ist viel Schatten, sagt ein Sprichwort.
(Stephan Thomae [FDP]: Goethe!)
Und auch ich will heute hier über das Licht sprechen und sagen, dass wir heute mit dem Gesetz zur Rehabilitierung von Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen einen guten vorläufigen Zwischenschritt erreicht haben. Mit diesem vorläufigen Zwischenschritt haben wir erreicht, dass Soldatinnen und Soldaten, nicht zuletzt aufgrund des Kampfs von Herrn Dierk Koch, der unter uns ist und dem ich ein herzliches Dankeschön sage, nunmehr Rehabilitation und Entschädigung bekommen.
Aber wo viel Licht ist und wo man Danke sagen darf an diejenigen, die sich dafür eingesetzt haben, ist auch Schatten. Der Schatten ist das dunkle Kapitel in der Bundeswehr, die trotz der Aufhebung des § 175 StGB im Jahre 1994 einen älteren Erlass zur formellen und systematischen Diskriminierung von homosexuellen Menschen in der Truppe bis zum 3. Juli 2000 weiterhin aufrechterhielt, und das, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Als der damalige Verteidigungsminister Scharping diesen Erlass zum 3. Juli 2000 aufheben musste, weil er allen europarechtlichen Gegebenheiten nicht mehr entsprach, geschah dies gegen den erbitterten Widerstand der Generalität. Auch das gehört zur Wahrheit dazu und muss an diesem Tag gesagt werden.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, zu diesem Schatten gehört, dass wir heute, 27 Jahre nach Aufhebung des § 175, zu einer Rehabilitation kommen, obwohl im zivilen Bereich bereits vor vier Jahren – dies auch an die Kollegen auf der rechten Seite gesprochen – nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch ein Gutachten festgestellt hat, dass der § 175 in unserem Land von Anfang an Unrecht war und den Menschen Unrecht geschehen ist.
(Beifall bei der SPD, der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU])
Wenn ich, ohne ihn als Zeugen zu benennen, Herrn Koch noch mal anführen darf: Das, was er getan hat und wie er gelebt hat, war richtig so, es war nie Unrecht. Er muss rehabilitiert und entschädigt werden.
(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Ich sage aber auch Herrn Kollege Müller herzlichen Dank für seine Einbringung des Änderungsantrags und die Begründung, weil die Frist, nämlich zum 3. Juli 2000 einen Schnitt zu machen, auch in meinen Augen falsch ist. Das Bundesministerium der Verteidigung – Frau Ministerin – hat leider Gottes genauso wie die Kolleginnen und Kollegen der Union die öffentliche Anhörung nicht einmal gewertet, nicht einmal bearbeitet, nicht einmal reflektiert, um dort zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen. Denn auch nach dem 3. Juli 2000 – das hat jeder Sachverständige gesagt; das weiß jeder klug und normal denkende Mensch – haben weiterhin Diskriminierungen in der Truppe stattgefunden, wenn auch nicht mehr formell mit Urteil, aber sie haben weiterhin stattgefunden.
Es hätte von Größe gezeugt, dies anzuerkennen und sich auf den Termin einzulassen, wie ihn die Sachverständigen angesprochen hatten, wie ihn die Wehrbeauftragte angesprochen hat, wie er durch den Antrag der Linken angesprochen wurde – ich habe versucht, mit dem Koalitionspartner dazu einen Änderungsantrag einzubringen, was gescheitert ist –, wie er nunmehr im eingebrachten Änderungsantrag der FDP genannt ist. Ich sage: Da ist noch viel Schatten. Offensichtlich gibt es immer noch Leute, die Angst haben, dass nach dem 3. Juli 2000 vielleicht tatsächlich noch diskriminiert wurde und dass vielleicht tatsächlich Entschädigungen gezahlt werden müssen. Aber zum Verdecken und zum Vertuschen von Diskriminierung sind wir in diesem Hohen Hause nicht da.
Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es ist schön, dass wir heute dieses Gesetz verabschieden. Ich werde diesem Gesetz zustimmen, wie auch meine Fraktion dies für gut und richtig erachtet. Aber es ist auch richtig, anzusprechen, dass dieses Gesetz ein Zwischenschritt ist und wir in der nächsten Legislatur für Mehrheiten zu sorgen haben, die diese unselige Frist und auch die sprachlichen Unschärfen beseitigt, die in diesem Gesetz vorhanden sind und die bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft –
Kommen Sie zum Schluss.
– und von Soldatinnen und Soldaten ausschließen.
Ich bedanke mich recht herzlich für die Aufmerksamkeit und freue mich, dass die Bundeswehr mit diesem Gesetz einen Schritt weitergekommen ist.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523215 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Entschädigung und Rehabilitierung von Soldaten |