Fritz FelgentreuSPD - Sicherheitsüberprüfung für Soldaten
So schwer ist das gar nicht. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz wird im Soldatenrecht eine harte Regel neu geschaffen und eine Lücke geschlossen. Die harte Regel bezieht sich auf Soldaten und Soldatinnen mit ganz besonderen Fähigkeiten, zum Beispiel als Hacker, im Umgang mit Sprengstoff oder im Nahkampf. Die Lücke gab es bisher bei Reservistinnen und Reservisten.
Im Fall der Spezialisten geht der Gesetzgeber davon aus, dass es besonders gefährlich werden kann, wenn Einzelne von ihnen ihre Fähigkeiten für kriminelle oder terroristische Zwecke einsetzen sollten. Um dieser Gefahr vorzubeugen, sollen sie in kürzeren Abständen einer schärferen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden als die anderen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Das ist ein unangenehmer Vorgang, bei dem Vergangenheit und Lebensumstände durchleuchtet werden. Der Militärische Abschirmdienst führt Gespräche mit Personen aus dem Umfeld und sieht sich die Profile und Kontakte der Betreffenden in den sozialen Medien an. Die Frage, ob das nicht zu weit geht, ob eine einmalige verschärfte Sicherheitsüberprüfung nicht ausreichen muss, ist berechtigt. Um sie zu beantworten, müssen wir uns die Gefahrenlage klarmachen.
Erstens stellt dabei niemand die Sinnhaftigkeit von Sicherheitsüberprüfungen in der Bundeswehr insgesamt infrage. Es liegt ja auf der Hand: Auf ihre Waffenträgerin, die Bundeswehr, muss sich die Republik verlassen können. Dass die Bundeswehr ein lohnendes Ziel für Menschen sein kann, die unserem Land oder seiner freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht wohlgesonnen sind, davon müssen wir ganz selbstverständlich ausgehen. Die Abwehr von Spionage und Unterwanderung gehört zur militärischen Sicherheit, genau wie die Waffenkammer und der Kasernenzaun.
Zweitens können Soldatinnen und Soldaten mit besonderen Fähigkeiten eine große Wirkung erzielen, aber eben auch einen größeren Schaden anrichten als andere. Deswegen ist es logisch, ihre Zuverlässigkeit, ihre Verfassungstreue, ihre Charakterfestigkeit besonders genau zu überprüfen, bevor sie ihre Ausbildung in den entsprechenden Aufgabenfeldern beginnen. Das ist kein Ausdruck von Misstrauen, sondern ein Gebot der Vorsicht.
Und drittens haben wir in den letzten Jahren die Erfahrung machen müssen, dass sich Menschen im Laufe ihres Lebens manchmal schnell radikalisieren können. Für die Bundeswehr bedeutet das: Wer vielleicht vor zehn Jahren einmal seinen Diensteid abgelegt und jedes Wort auch so gemeint hat, der kann sich heute im Denken und Handeln von den Werten des Grundgesetzes verabschiedet haben.
Wir hatten solche Fälle. Aufsehen erregte ein Offizier, über den unter dem Namen Franco A. in den Medien berichtet wurde, der sich während der Flüchtlingskrise mit einer Aliasidentität als Flüchtling gemeldet und auf einem Flughafen eine Waffe versteckt hatte. Große Besorgnis löste ein Unteroffizier der Spezialkräfte aus, weil er im eigenen Garten ein Waffen- und Munitionsdepot angelegt hat. Angesichts solcher Erfahrungen ist doch klar: Es wäre naiv, wenn sich Gesetzgeber und Dienstherr auf den Lorbeeren einer einmaligen Überprüfung in der Vergangenheit ausruhen würden. Das gilt für die Spezialisten, und es gilt eben auch für die Reserve, wenn auch mit einer deutlich geringeren Tiefe der Überprüfung.
Von Zeit zu Zeit muss der MAD noch mal hinschauen, und wieder: nicht aus Misstrauen, sondern aus Vorsicht. Wir bauen ja auch den Kasernenzaun nicht, weil wir erwarten, dass die Jugend aus dem Nachbardorf sonst die Waffenkammer plündert oder die Panzer sabotiert, sondern weil der Schaden einfach zu groß wäre, wenn es doch einmal zu so etwas käme.
Diese Überlegungen scheinen mir auch überhaupt nicht kompliziert oder problematisch zu sein. Die zusätzliche Belastung für Soldaten und Soldatinnen, die sich ohnehin schon überdurchschnittlichen Aufgaben gewachsen zeigen müssen, sehe ich aber sehr wohl. Ihnen gelten an dieser Stelle der Dank und die Solidarität der SPD-Fraktion, Dank und Solidarität für Bundeswehrangehörige, deren Dienstauffassung sich über den Durchschnitt erheben muss, weil ihr Dienstherr ihnen Tag für Tag mehr abverlangt als anderen.
Eine zusätzliche Belastung bedeutet dieses Gesetz aber auch für den MAD. Deswegen, Herr Silberhorn: Tragen Sie bitte Sorge dafür, dass der Militärische Abschirmdienst mit gut ausgebildetem Personal so ausgestattet ist, dass er auch diese Aufgabe schultern kann; denn der MAD hat keine einfache Aufgabe. Er muss gegenüber denen, die er überprüft, kameradschaftlich bleiben, darf aber nicht in Kumpanei verfallen. Er soll weder misstrauisch noch naiv sein. Dafür brauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine gute fachliche Ausbildung, Menschenkenntnis und Nervenstärke. Sie nicht zu überfordern, heißt: Für neue Aufträge müssen auch die Menschen und die Mittel zur Verfügung stehen.
Die SPD-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU] – Beifall bei der FDP)
Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523232 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Sicherheitsüberprüfung für Soldaten |