20.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 230 / Tagesordnungspunkt 20

Gero StorjohannCDU/CSU - Bürgerstunde im Bundestag

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorweg sagen: Das, was uns eint, ist der Wille, mehr Bürgerinnen und Bürger für Politik zu begeistern und sie zur Mitgestaltung der Zukunft unseres Landes einzuladen. Deswegen bin ich seit 2002 Mitglied des Petitionsausschusses. Dieser Ausschuss lebt von Anregungen und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger, also von der Beteiligung der Bürger an der Politik, und das ganz direkt und ohne Umwege.

Der Antrag der AfD heute, bei 100 000 Mitzeichnungen einer Petition ein Rederecht im Plenum einzurichten, ist abzulehnen. Entgegen der dort gewählten Formulierung bedeutet er nämlich gerade kein Mehr an Demokratie, sondern er ist ein Angriff auf unser bewährtes Petitionswesen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Eine Ergänzung!)

Das möchte ich auch in drei Punkten erläutern.

Erstens. Wir wollen die repräsentative Demokratie stärken. Aus diesem Grund wird die Tagesordnung des Plenums des Deutschen Bundestags zu Recht von den Fraktionen gemeinsam festgelegt. Aufbau und Umfang der Redezeiten richten sich nach der Fraktionsstärke und sind somit das Ergebnis von Wahlen. Damit entspricht die im Plenum gelebte Politik den Mehrheitsverhältnissen in unserem Land. Wir wollen keine Demokratie, deren Debatten sich danach richten, wie viel Klicks im Vorfeld generiert werden konnten. 100 000 Mitzeichnungen machen nicht mehr aus als 1,5 Promille der Wahlberechtigten. Eine solche Gruppe hätte Einfluss auf die Tagesordnung des Bundestags. Das finden wir nicht demokratisch; denn die Fraktionen haben jetzt schon das Recht, auf der Grundlage einer Petition selbst einen Antrag im Plenum zu stellen. Sie haben nur das Problem, dass das dann ihrer Zeit angerechnet wird, und deswegen wollen Sie diesen anderen Weg.

Zudem nutzt der Petitionsausschuss seit 2008 das Instrument der öffentlichen Beratung. Diese finden bei einem Quorum von über 50 000 Unterstützern statt, manchmal auch bei etwas weniger, wenn wir das gemeinsam in der Obleuterunde und im Ausschuss beschließen. Auch hier haben wir schon ein Problem; denn der Bürger glaubt und viele Pressevertreter schreiben es: Eine Petition ist erst richtig gewichtig, wenn 50 000 Unterstützerunterschriften dabei sind. – Das ist falsch. Deswegen halte ich eine 100 000er-Regelung für genauso kontraproduktiv für unser bewährtes Petitionswesen in Deutschland. Die Zahl dieser öffentlichen Beratungen hat gerade in den letzten Jahren stark zugenommen. Wir begrüßen die Tatsache, dass sich mehr Menschen einmischen, verändern und gestalten wollen.

Aber das führt auch zu meinem zweiten Punkt. Dabei ist eine starke Zunahme von Initiativen aus dem Lobbybereich zu beobachten. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion stehen einer Kommerzialisierung des Petitionswesens jedenfalls kritisch gegenüber. Man stelle sich ein Unternehmen mit großer Marketingabteilung und Einfluss in sozialen Netzwerken vor. Ihm wäre es ein Leichtes, durch professionelle Kampagnen 100 000 Mitzeichnungen zu erhalten. Ich habe auch ein Beispiel aus der Arbeit des Petitionsausschusses 2019: Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Da waren 400 000 Unterschriften mal so eben auch papiermäßig gesammelt.

Das würde vor dem Hintergrund des hier debattierten Antrags bedeuten, dass kommerzielle Unternehmen im Einzelnen die Tagesordnung des Deutschen Bundestages bestimmen können. Das ist kein Mehr, sondern ein Weniger an Demokratie. Dem ist aus unserer Sicht entschieden entgegenzuwirken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dritter und letzter Punkt. Der Antrag der AfD steht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsanspruch aller Petitionen entgegen. Wir setzen uns dafür ein, dass jedes Problem mit der gleichen Zuverlässigkeit geprüft wird, und das unabhängig von der tagespolitischen Aktualität und der Zahl der Unterstützer. Gerade das macht ein starkes parlamentarisches Petitionswesen aus.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass doch bereits jetzt Petitionen im Plenum vorgetragen werden. Dies ist dann der Fall, wenn wir übereinstimmende, sehr hohe Voten im Ausschuss beschlossen haben. Entscheidend ist auch hier der Zeitpunkt im Verfahren. Im Unterschied zum Antrag der AfD sind das Petitionen, die bereits vom demokratisch legitimierten Ausschuss geprüft und bewertet wurden und sich eben nicht allein durch die Anzahl der Klicks auszeichnen.

Den Antrag der AfD werden wir ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Stephan Thomae.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7523241
Wahlperiode 19
Sitzung 230
Tagesordnungspunkt Bürgerstunde im Bundestag
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