Sonja SteffenSPD - Familienrecht
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass die FDP und Bündnis 90/Die Grünen ihre Anträge zum Familienrecht noch einmal auf die Tagesordnung haben setzen lassen; denn das gibt uns Gelegenheit – leider erst kurz vor dem Ende der Legislaturperiode –, noch einmal eine familienrechtliche Debatte zu führen.
Um was geht es im Einzelnen? Ich möchte zuerst auf den Antrag der FDP zum Thema Verantwortungsgemeinschaft eingehen. Das klingt ja erst mal ganz schön. „ Toll!“, denkt man da. Das wollen wir doch alle: Verantwortung tragen und Verantwortung gemeinsam übernehmen. Aber leider fehlt es Ihnen wie so oft auch hier an der nötigen Portion Solidarität.
(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])
Wenn man sich Ihren Antrag richtig zu Gemüte führt, merkt man schnell, dass hier eine Art „Ehe light“ geschaffen werden soll, die die Rechte einer Ehe ermöglicht, aber die Pflichten ausschließt.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Um es auf den Punkt zu bringen: Das ist ein neoliberales Steuersparmodell, was Sie da vorhaben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der FDP: Oah!)
Wer kann sich denn über die Vor- und Nachteile der Verantwortungsgemeinschaft aufklären lassen? Unterhaltsrecht – ja oder nein? –, Einstandsrechte und ‑pflichten – ja oder nein? –, Erbschaftsteuererleichterungen: All diese Themen sind was für gut verdienende Leute, die für die Beratung das nötige Geld und vor allem ausreichend Zeit haben. Für den weniger gut aufgeklärten und schlechter verdienenden Teil wird das ganz schnell zu einer Falle. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zu Ihrem zweiten Antrag. Hier wollen Sie einen Rahmen für Familien schaffen, die nicht mehr dem Vater-Mutter-Kind-Stereotyp entsprechen, und das Familienrecht an die Lebenswirklichkeit anpassen. Ich sage hier ganz offen: Viele Ihrer dortigen Vorschläge sind gar nicht so schlecht. Aber einige gehen, statt Lebenswirklichkeit zu schaffen, komplett an der Lebensrealität der Familien vorbei.
Da möchte ich nur beispielhaft das Wechselmodell erwähnen. Sie wollen das Wechselmodell als Regelfall einführen. Es gibt viele Familien in Deutschland – es ist fast jede fünfte Familie –, die ihre Kinder getrennt voneinander erziehen und betreuen. Das läuft in den meisten Fällen auch ganz gut. Wenn man aber keine Einigung findet, dann ist man meistens heillos zerstritten. Dann brauchen wir die Beratungsstellen bei den Jugendämtern, dann brauchen wir Verfahrensbeistände, dann brauchen wir Familiengerichte. Eine stereotype gesetzliche Anordnung, wie Sie sie vorhaben, nämlich das Wechselmodell als Gesetz, das hilft hier gerade nicht weiter; denn das Wechselmodell funktioniert nur, wenn Eltern Hand in Hand arbeiten, und nicht per Gesetz von oben quasi aufoktroyiert.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Gleiche gilt übrigens in Bezug auf den Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Auch Ihr Antrag ist auf den zweiten Blick eher weltfremd. Sie wollen, dass die tatsächlich gelebte Elternschaft rechtlich abgesichert wird, also sogenannte Stiefelternfamilien – wenn man diesen blöden Ausdruck verwenden will, um es zu erklären – besser absichern. Damit schaffen Sie zusätzlich weitere Rechte, die von Patchworkfamilien schon jetzt gelebt werden und mit Blick auf § 1685 BGB gar nicht nötig sind. Im Streitfall führt das nur zu weiteren Schwierigkeiten, die letztendlich auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Deshalb werden wir auch diesen Antrag ablehnen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!)
Aber – ich habe es vorhin schon erwähnt – es findet sich einiges wieder im Antrag der FDP-Fraktion, was auch Gegenstand des Koalitionsvertrages war, zum Beispiel – Frau Helling-Plahr, da haben Sie völlig recht – das gemeinsame Sorgerecht von Anfang an auch für nicht miteinander verheiratete Eltern. Das steht im Koalitionsvertrag.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das nützt aber gar nichts, wenn man keinen Umgang hat!)
Im Koalitionsvertrag steht auch das Thema Mit-Mutterschaft. Aber: Sie haben die Falschen beschimpft, Frau Helling-Plahr. Die SPD-Fraktion, unsere Familienpolitikerinnen und Familienpolitiker und vor allem unsere engagierte Justiz- und jetzt auch Familienministerin haben alles versucht, das Familienrecht zu reformieren. Dass das letztendlich nicht geklappt hat, liegt einzig und allein bei Ihnen – ich muss das jetzt mal sagen –, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Sie müssen sich diesen Vorwurf gefallen lassen. Sie haben es nämlich nicht geschafft, in dieser Legislatur aus der familienrechtlichen Mottenkiste zu klettern. Sie kleben stattdessen immer noch an einem Familienmodell der 70er-Jahre, und das hat uns große Schwierigkeiten gemacht.
Wir haben es doch in der letzten Legislatur auch auf den letzten Metern geschafft, dass die Ehe für alle zum Gesetz wurde.
(Beatrix von Storch [AfD]: Schlimm genug!)
Warum? Weil die Kanzlerin an dieser Stelle wesentlich progressiver war als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Trotz dieser Öffnung der Ehe müssen verheiratete Frauen, wenn sie ein gemeinsames Kind bekommen, weiterhin den Weg über die Stiefkindadoption gehen. Dies stellt eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung für gleichgeschlechtliche Paare dar.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Übrigens bin ich mir sehr sicher, dass uns das Bundesverfassungsgericht auch dieses Thema wieder um die Ohren hauen wird, weil gerade zwei Fälle von lesbischen Paaren dort zur Entscheidung anstehen. Aber noch viel wichtiger sind uns die Kinder, denen bis zur Rechtskraft der Adoption ein weiterer rechtlicher Elternteil fehlt. Sie lassen diese Kinder allein, indem Sie ihnen die Unterhalts-, die Versorgungs- und die Erbansprüche verwehren.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Verhindern kann man das nur mit einem Manöver des letzten Augenblicks. Das Gesetz dazu liegt auf dem Tisch. Es ist perfekt. Trauen Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, vielleicht schaffen wir das ja noch.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Nun habe ich in dieser Rede viel über Gesetzestechnik und viel über Politik geredet.
(Stephan Brandner [AfD]: Zu viel!)
Wir sollten aber nicht vergessen, worum es bei diesem Thema eigentlich geht: um Liebe und um Zusammenhalt. Deshalb erlaube ich mir am Ende meiner Rede, meinen Eltern zum Hochzeitstag zu gratulieren. Die haben sich nämlich genau heute vor 65 Jahren in einer Kirche in Dreiborn in der Eifel das Jawort gegeben.
(Stephan Brandner [AfD]: Toll!)
Herzlichen Glückwunsch!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Abgeordnete Thomas Seitz für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523258 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Familienrecht |