Nezahat BaradariSPD - Tierschutzgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir behandeln heute in zweiter und dritter Lesung zwei Änderungen des Tierschutzgesetzes. In meiner Rede möchte ich mich auf den Schutz von Versuchstieren konzentrieren. Notwendig macht diese Gesetzesänderung ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere.
Das Thema der Tierversuche wird hochemotional und kontrovers diskutiert, da es hier zwischen zwei im Grundgesetz verankerten Zielen abzuwägen gilt. Auf der einen Seite geht es um das wertvolle Gut der Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz. Auf der anderen Seite geht es um den Tierschutz, der im Jahr 2002 als Staatsziel in Artikel 20a in das Grundgesetz aufgenommen wurde. Daher gilt es hier, ausgewogene Lösungen und einen vernünftigen Mittelweg zu finden.
Klar ist: In Deutschland finden immer noch zu viele Tierversuche statt. Im europäischen Vergleich liegen wir hier auf Platz zwei.
(Karlheinz Busen [FDP]: Quatsch!)
Besonders schwer wiegen in diesem Zusammenhang Nachrichten über Tierversuchslabore, die nicht ordnungsgemäß arbeiten. Wir alle haben die abscheulichen Bilder, die im Jahr 2019 aus einem Tierversuchslabor bei Hamburg publik wurden, vor Augen. Hier sind die zuständigen Aufsichtsbehörden gefordert, dem mit aller Härte zu begegnen und die Verantwortlichen zu bestrafen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Sehr geehrte Damen und Herren, unabhängig davon müssen wir aber auch die andere Seite der Medaille betrachten: Obwohl heute schon viele Fragen der Wissenschaft durch den Einsatz von Zellkulturen, computergestützten Verfahren und weiterer Alternativmethoden beantwortet werden können, kann auf den Einsatz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke noch nicht vollständig verzichtet werden. Das aktuellste Beispiel hierfür ist zweifelsfrei die Forschung an den so wichtigen Coronaimpfstoffen, die ohne den Einsatz von Tierversuchen nicht so schnell und sicher hätten entwickelt werden können. Dies führt für mich als Ärztin – auch aus persönlicher Erfahrung – zu einem starken Argument.
Im Rahmen meiner Dissertation durfte ich an der Entwicklung einer Arznei gegen eine Herz-Kreislauf-Erkrankung mitwirken. Auch hier nutzten wir die Ergebnisse von Tierversuchen, bevor wir das Medikament an menschlichen Probanden testeten und dessen Wirkung auf den Organismus verstehen konnten. Heute hilft dieses Medikament vielen Menschen auf den Intensivstationen in ganz Deutschland und auf der ganzen Welt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Daher gehört zur Wahrheit: Derzeit ist die Grundlagenforschung oft noch auf Tierversuche angewiesen. Ein schneller und radikaler Ausstieg aus Tierversuchen löst den anfangs dargestellten Konflikt sicher nicht.
Als SPD-Bundestagsfraktion denken wir stattdessen verantwortungsvoll und langfristig.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiss, der bessere, detailliertere und klarere Regeln für die Verwendung von Versuchstieren in der Forschung vorgibt. Wir verabschieden uns damit vom Anzeigeverfahren und stellen sicher, dass ausnahmslos jeder Tierversuch von einer Behörde geprüft werden muss. Wir führen verpflichtende und regelmäßige Kontrollen ein, die Tierversuchsstätten einer Überwachung unterwerfen. Und wir stellen sicher, dass Genehmigungsbehörden unabhängig und kompetent prüfen können.
Für die wirkungsvolle Reduzierung von Tierversuchen braucht es zudem eine massive Förderung von Alternativmethoden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Hierfür haben wir bereits im vergangenen Jahr einen wichtigen ersten Schritt durchsetzen können: Der Bund fördert die Entwicklung einer nationalen Plattform für Tierversuchsersatzmethoden mit 3 Millionen Euro.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Solche Ansätze gilt es aktiv und nachhaltig weiterzuverfolgen, damit Tierversuche künftig wirksam reduziert werden können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat Dr. Gero Clemens Hocker für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 19 |
Session | 230 |
Agenda Item | Tierschutzgesetz |