20.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 230 / Tagesordnungspunkt 26

Norbert KleinwächterAfD - Produktsicherheitsgesetz

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Werte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! „ Qualität ist kein Zufall, sie ist immer das Ergebnis angestrengten Denkens“, bemerkte der englische Sozialökonom John Ruskin. Ein Qualitätsprodukt ist diese Neufassung des Produktsicherheitsgesetzes nicht.

(Marianne Schieder [SPD]: Ihre Rede auch nicht!)

Aber was will man auch von einer Regierung Merkel erwarten, die sich freiwillig selbst dezimiert, weil manches Mitglied lieber dem dreisten Abschreiben als dem angestrengten Denken frönt.

(Beifall bei der AfD)

Dieser Entwurf der Bundesregierung war so fehlerträchtig, dass sich Verbände und der Bundesrat gezwungen sahen, mit mehrseitigen Fehlerkorrekturen und Änderungsanträgen zu antworten, und vielleicht hat auch deswegen der Kollege vor mir nicht gesprochen.

An 21 Stellen ließ sich die Koalition von der Länderkammer korrigieren, sechs redaktionelle Änderungen gab es, und die Begründungen spotten jeder Beschreibung. Im Korrekturantrag standen dann Sätze wie:

Die Weglassung dieses Satzes beruhte auf einem Redaktionsversehen.

Oder:

Es erfolgt die Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers („Anordnungen“ statt „Anforderungen“) zur Erreichung des Gewollten.

Meine Damen und Herren in der Bundesregierung, wir schreiben hier keinen Probeaufsatz in der Schule, sondern es geht um Gesetzentwürfe, die die Rechtslage in unserem Land ändern können. Ich erwarte hier mehr Sorgfalt, vor allem, wenn Sie zwei Jahre Zeit haben. Und Sie hatten zwei Jahre Zeit; denn schon im Juni 2019 hat die EU die Verordnung (EU) 2019/1020 veröffentlicht. An diese neuen EU-Vorschriften zur Produktsicherheit soll das deutsche Recht ja nun angepasst werden.

Ich muss Sie in der Bundesregierung da aber schon fragen – ich glaube, jetzt ist niemand mehr vom Ministerium für Arbeit und Soziales da –:

(Marianne Schieder [SPD]: Doch!)

Wie entschuldigen Sie eigentlich die zahlreich enthaltenen Fehler? Ist das Ministerium mit der Arbeit und mit der Anwesenheit im Plenum schlichtweg überfordert? Warum haben Sie sich mit den Ländern offenbar so schlecht abgestimmt, dass diese umfangreich über den Bundesrat intervenieren mussten? Warum wird dieser Gesetzentwurf gerade jetzt eingebracht, wo die EU diese Verordnung schon wieder überarbeitet? Sind denn diese neuen Anpassungen im Gesetzentwurf überhaupt berücksichtigt, oder wollen Sie uns bald mit einer abermaligen Änderung des deutschen Rechts beglücken? Kontinuität und Verlässlichkeit sehen anders aus.

(Beifall bei der AfD)

Das größte Problem des Gesetzentwurfs ist aber die in Artikel 1 § 8 Absatz 2 vorgesehene Verordnungsermächtigung. Wortlaut:

Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Beschränkung sowie das Verbot der Bereitstellung von Produkten zu regeln, die ein hohes Risiko für die Sicherheit oder Gesundheit von Personen, für Tiere, für Pflanzen, für den Boden, für das Wasser, für die Atmosphäre oder für bedeutende Sachwerte darstellen.

Was ist ein „hohes Risiko“? In Artikel 1 § 2 Nummer 10 ist nur ein „ernstes“ Risiko definiert – und auch dieses völlig unscharf, weil es auf die Notwendigkeit des Eingreifens der Marktüberwachungsbehörden und nicht auf objektive Merkmale abstellt. Die Behörden können demnach auch selbst dann eingreifen, wenn – Zitat – „das Risiko keine unmittelbare Auswirkung hat“.

Mal ganz ehrlich: Mit dieser Verordnungsermächtigung kann eine Bundesregierung nach Gutdünken Produkte verbieten, die ihr ideologisch nicht passen. Wer definiert denn letztendlich die Gefährlichkeit, die behördliches Handeln notwendig macht?

Wer, wie manche politischen Kräfte, CO2 faktenfremd als erhebliches Risiko für die Atmosphäre erachtet, könnte mit einem Federstrich alle Autos, Verbrennungsheizungen oder gewisse Produktionsanlagen verbieten, und zwar ohne Einvernehmen mit diesem Parlament. Leider ist dieses Risiko nicht allzu weit hergeholt; denn im European Green Deal von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist ja genau das vorgesehen. Und glauben Sie mir: Das hätte unmittelbare Auswirkungen.

Festzuhalten ist: Die hier enthaltene Verordnungsermächtigung erfüllt in keiner Weise das grundgesetzlich vorgegebene Bestimmtheitsgebot, das heißt, dass Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz genau bestimmt werden. Aus der Ermächtigung ist weder erkennbar noch vorhersehbar, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Damit ist sie nicht nur gefährlich, sondern schlichtweg verfassungswidrig. Das hat Ihnen auch der Handelsverband Deutschland ins Stammbuch geschrieben.

(Beifall bei der AfD)

Ich appelliere an Sie zuletzt, sich endlich angestrengten Denkens zu befleißigen, um die Qualität von Gesetzestexten zu erreichen, die unser Deutschland verdient hat. Wir müssen nämlich die Bürger nicht nur vor gefährlichen Produkten schützen, sondern auch vor den gefährlichen Fehltritten dieser Bundesregierung.

Haben Sie herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD – Marianne Schieder [SPD]: Oje, oje! Wer schützt uns eigentlich vor Ihnen? – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Der Verfassungsschutz! Der macht das schon! – Gegenruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Glück! Zum Glück! – Weiterer Gegenruf des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU]: Das war mal ein Satz, dem kann man zustimmen!)

Die Rede des Kollegen Uwe Schummer, CDU/CSU, nehmen wir zu Protokoll.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das Wort hat der Kollege Carl-Julius Cronenberg für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7523285
Wahlperiode 19
Sitzung 230
Tagesordnungspunkt Produktsicherheitsgesetz
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