Arno KlareSPD - Gesetz zum autonomen Fahren
Das kann ja mal passieren. Kleine Korrektur: Es ist natürlich die letzte Rede und nicht die erste; aber man kann sich um diese Uhrzeit ja mal vertun.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über autonomes Fahren. Was ist das, und was haben wir da zu erwarten? Nähern wir uns dieser Frage mal mit der Betrachtung: Was gibt es denn davon schon?
Ein paar Hundert Meter von hier, in der Charité, fährt ein kleiner Bus. Da ist kein Fahrender mehr drin, also keiner mehr, der lenkt, und dieser Bus fährt relativ sicher mit geringer Geschwindigkeit Menschen von A nach B.
Im schönen Bayern, in Bad Birnbach,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
fährt ein ähnlicher Bus Linie – ich gucke jetzt sozusagen mal nach Bayern –, und der fährt dort auch störungsfrei und hat im letzten Jahr 40 000 Fahrgäste befördert, vom Bahnhof des Ortes bis in die Innenstadt.
Und im Rahmen des Projekts HEAT in Hamburg – das ist eine Abkürzung, ein Akronym – fährt in der HafenCity auch so ein kleiner Bus.
Was kann also aus dem autonomen Fahren werden? Ich sehe die Vorteile im Moment in erster Linie im ÖPNV. Welche Vorteile hat es, wenn ich mir den ÖPNV unter der Überschrift „Mobility as a Service“ vorstelle, also einen ÖPNV, der kundenorientiert arbeitet? Dann sind solche Busse wirklich Gold wert, weil sie nämlich diese betriebswirtschaftliche Lücke schließen können, die es im Moment wirklich unmöglich macht, Tür-zu-Tür-Verkehre und On-Demand-Verkehre zu organisieren. Auch in der Logistik gibt es große Vorteile bei Hub-to-Hub-Verkehren, zum Beispiel auf der Autobahn, und es gibt auch bei der letzten Meile Vorteile; auch dort können solche Fahrzeuge eingesetzt werden.
Nicht zuletzt gibt es natürlich auch so etwas wie Verkehrssteuerungsthemen, die damit verkoppelt werden können; das ist allerdings noch perspektivisch. Ich denke an Wegeoptimierung, an die Verbesserung der CO2-Bilanz des Verkehrs und natürlich auch an Car-to-Car-Kommunikation und anderes.
Verkehrssicherheit ist auch ein Thema. So ein Fahrzeug hält sich immer an alle Regeln. Es wird niemals zu schnell fahren; es wird immer eine angemessene Geschwindigkeit fahren, weil es etwas anderes gar nicht darf und kann. Insofern kann man mit einem solchen Verkehr auch der Vision Zero ein Stück näherkommen. Auch das ist im Übrigen kein unwichtiges Thema.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und nicht zuletzt ist das natürlich auch ein industriepolitisches Thema. Wir sind eines der weltweit führenden Länder in der Automobilindustrie,
(Zuruf von der AfD: Noch!)
und wir werden das auch bleiben. Deshalb machen wir jetzt ein solches Gesetz, damit im realen Verkehr diese Fahrzeuge mit diesen Fähigkeiten auch erprobt werden können. Das ist gut für die OEMs, die die Fahrzeuge herstellen; das ist auch sehr gut für die Tier-1-/Tier-2-Zuliefererbetriebe, die die Features bauen, die in diesen Fahrzeugen verwendet werden. Das heißt, wir holen das aus dem Labor in den eingehegten, geregelten Betrieb. Das ist ein ganz wichtiger Schritt, und insofern ist das ein gutes Gesetz.
(Beifall bei der SPD)
Dies ist ja meine letzte Rede hier in diesem Haus, und bei der letzten Rede, habe ich gelernt, muss man sich irgendwie verabschieden. Das fällt mir nicht so richtig schwer,
(Marianne Schieder [SPD]: Was?)
aber es ist auch ein bisschen Wehmut dabei.
Ich bin von einer jungen Dame bei einem Girls’ Day gefragt worden, was denn mein größter politischer Erfolg sei. Ich habe ihr geantwortet: Den größten gibt es nicht, weil es nicht den großen Erfolg geben kann. Es sind solche Gesetze, die am Anfang relativ klein wirken, in der Summe des Aneinanderreihens von vielen richtigen Schritten aber ein großes Bild ergeben. – Ich bin dankbar, dass ich an solchen Gesetzen habe mitarbeiten können. Das sind die politischen Erfolge.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mein Dank gilt natürlich meiner Fraktion, meiner AG. Herausheben will ich jetzt Kirsten Lühmann, mit der ich immer wunderbar zusammengearbeitet habe. Du hörst leider auch auf. Das ist, wie ich finde, ein ziemlicher Aderlass für die Fraktion, was Kompetenz angeht.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der LINKEN: Da freut sich die FDP!)
Die Fraktion wird es irgendwie ersetzen können.
Mein Dank gilt allerdings auch meinem Koalitionspartner und den Leuten, mit denen ich in dieser Koalition gut habe zusammenarbeiten können. Björn Simon möchte ich hervorheben; denn beim Luftverkehr haben wir uns wunderbar verstanden, Björn. Das war übrigens eine Kontinuität von Heinz Peter Wichtel, deinem Vorgänger, bis zu dir, und ich wünsche dir alles Gute für das, was da noch kommen wird.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und schlussendlich geht mein Dank natürlich auch an die Opposition, ohne die es keinen Parlamentarismus gibt.
(Zuruf von der LINKEN: Richtig!)
Die, die immer Nein sagen und was kritisieren, sind ja sehr wichtig auf dem Weg.
(Stephan Brandner [AfD]: Genau! Vielen Dank! – Zuruf von der LINKEN: Es gibt auch Ausnahmen!)
– Ich nehme jetzt mal die, die da ganz rechts im Haus sitzen, explizit aus.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Ach so!)
Ich rede von denjenigen mit dem konstruktiven Nein und dem konstruktiven dialogischen Widerspruch;
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Das ist peinlich für Ihre letzte Rede, Herr Klare!)
denn diese Demokratie beruht auf einer ganz einfachen Regel, nämlich dem „eigentümlich zwanglosen Zwang“ des besseren Arguments.
(Stephan Brandner [AfD]: Jetzt müssen Sie zu uns gucken!)
Diese Formulierung ist leider nicht von mir, sondern von Jürgen Habermas, einem der ganz großen noch lebenden Philosophen, der mich mein ganzes Leben sozusagen begleitet hat, bis zu seinem Riesenalterswerk. Den 1 700 Seiten kann ich mich jetzt eher widmen, wenn ich etwas mehr Zeit habe.
Ich verabschiede mich mit den Worten – und ich zitiere ihn – eines Kollegen, den ich sehr schätze.
(Stephan Brandner [AfD]: Herrn Gauland?)
Er hat sich heute Morgen verabschiedet mit den Worten: „Es war mir eine Ehre.“ – Dem kann ich nichts hinzufügen.
Danke.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)
Der Kollege Dr. Dirk Spaniel ist der nächste Redner für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523296 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zum autonomen Fahren |