21.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 231 / Tagesordnungspunkt 37

Carl-Julius CronenbergFDP - Betriebliche Mitbestimmung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 100 Jahren ist die betriebliche Mitbestimmung eine tragende Säule der Sozialpartnerschaft in Deutschland. Die letzte Reform des Betriebsverfassungsgesetzes liegt 50 Jahre zurück, die letzte Änderung 20 Jahre. Kein Wunder, dass viele Regelungen verstaubt und aus der Zeit gefallen erscheinen. Eine Reform ist überfällig. Allerdings ist Mitbestimmung zu wichtig und zu wertvoll, als dass sie es verdient hätte, kurz vor dem Wahlkampf nur halbherzig modernisiert zu werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Wer auch in zehn Jahren noch starke Mitbestimmung will, der muss heute den Rahmen setzen, der den betrieblichen Bedürfnissen von morgen gerecht wird, und genau das leistet das Gesetz nicht.

(Beifall bei der FDP)

Es wird dem eigenen Modernisierungsanspruch leider nicht gerecht. Okay, Sitzungen per Videokonferenzen sind nun dauerhaft zulässig. Das wurde auch Zeit. Es ist ein Trippelschritt in die richtige Richtung, der aber sofort wieder dadurch relativiert wird, dass es einen gesetzlichen Vorrang von Präsenzsitzungen gibt. Warum so mutlos?

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch richtig! Die Leute müssen doch miteinander reden!)

Auch das Recht auf Hinzuziehung eines externen Sachverständigen bei Einführung von künstlicher Intelligenz stärkt den Betriebsrat nur auf dem Papier. In Wahrheit riskiert die Regelung zähe Einigungsprozesse allein darüber, was genau KI ist und wer dafür als Sachverständiger infrage kommt. Mehr und längere Konflikte sind vorprogrammiert. Das ist das Gegenteil dessen, was Betriebe in Zeiten der Transformation brauchen, nämlich schnelle Entscheidungen auf Grundlage von vertrauensvoller Zusammenarbeit; Peter Weiß hat dazu ausgeführt.

Das Gesetz verfehlt schließlich auch deshalb sein Ziel, weil es auf eine wichtige Klarstellung zu § 87 Absatz 1 Nummer 6 Betriebsverfassungsgesetz verzichtet. Wenn heute neue Software, RFID-Technik, Tracking-Apps, kurz: jede neue Technik theoretisch auch dazu geeignet ist, Leistung von Beschäftigten zu kontrollieren, dann heißt das noch lange nicht, dass sie auch dazu bestimmt ist. Wenn ich ein Brotmesser kaufe, dann tue ich das, um damit Brot zu schneiden, und nicht, um die Haushaltshilfe einzuschüchtern.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

„Geeignet“ ist eben nicht „bestimmt“. Das muss modernes Mitbestimmungsrecht endlich würdigen. Mitbestimmung darf nicht zum Symbol für Technologieskepsis und Innovationsstau werden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition!

(Beifall bei der FDP)

In Summe modernisiert das Gesetz zu zaghaft, stärkt an der falschen Stelle und tut gar nichts, wo es nötig wäre. So bleibt Mitbestimmung insbesondere für junge Betriebe und junge Beschäftigte unattraktiv. Wir Freie Demokraten fordern stattdessen einfache Onlinewahlen, Sitzungen im Digitalformat ohne Präsenzvorrang und Beschlüsse im Umlaufverfahren. Was im Aufsichtsrat erlaubt ist, sollte es im Betriebsrat schon dreimal sein.

(Beifall bei der FDP)

Ein letzter Punkt zum Nachdenken. Wenn sich der Gesetzgeber ständig in die Angelegenheiten der Sozialpartner einmischt, dann darf er sich nicht wundern, wenn Mitbestimmung und Tarifbindung auf dem Rückzug sind. Achten Sie Tarifautonomie! Achten Sie Subsidiarität! Beschränken Sie sich bei der Anpassung der Gesetze auf die Bedürfnisse der betrieblichen Lebenswirklichkeit von morgen! Damit erreichen Sie mehr als mit diesem Gesetz.

(Beifall bei der FDP – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Gesetzgeber muss den Rahmen schaffen! Er muss das auch anfassen!)

Jutta Krellmann, Die Linke, ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der LINKEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7523342
Wahlperiode 19
Sitzung 231
Tagesordnungspunkt Betriebliche Mitbestimmung
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