Hans-Georg von der MarwitzCDU/CSU - Öko-Landbaugesetze
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Rainer Spiering [SPD]: Maske absetzen!)
Er darf auch mit Maske reden.
– Wie wahr, wie wahr. Nein, vielen, vielen Dank für diesen Hinweis.
Heute stehe ich mit sehr gemischten Gefühlen vor Ihnen; denn dies wird wohl meine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag sein. Zwölf Jahre habe ich meiner Fraktion als Sprecher für den ökologischen Landbau gedient. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir heute sogar in der Kernzeit über dieses wichtige Thema sprechen. Wir wollen eine deutliche Verbesserung für die Branche auf den Weg bringen, doch dazu gleich mehr.
Der ökologische Landbau ist längst der Nische entwachsen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Wahrnehmung, aber auch der Einfluss des Ökolandbaus enorm entwickelt. Diskussionen über dieses Thema waren zu Beginn meiner Abgeordnetentätigkeit vielfach von Ideologie und Lagerdenken geprägt. Streitigkeiten zwischen Konventionell einerseits und Ökologisch andererseits wurden nicht selten mit latenter Aggressivität ausgetragen.
Wie anders erlebe ich die Debatte heute: Gemeinsamkeit und der konstruktive Austausch überwiegen, wenn es darum geht, die Vorstellungen und Wünsche der Verbraucher mit den Produktionsbedingungen in Einklang zu bringen. Nachhaltige Lebensführung, bewusste Ernährung und ein sogenannter grüner Lifestyle sind heute im Mainstream angekommen. Dem können und dürfen wir uns nicht verschließen. Wachsende Marktanteile überzeugen deutlicher als der moralische Zeigefinger.
Wir befinden uns mitten in einem Prozess, der nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche berührt. Als Landwirte und Unternehmer müssen wir uns dabei lernfähig und kompromissbereit zeigen, wenn wir auch zukünftig erfolgreich produzieren und verarbeiten wollen. Die Welt des 21. Jahrhunderts setzt gewissermaßen ein neues Denken voraus. Werte wie Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit müssen wir mit Wirtschaftlichkeit zusammen denken, ob im Agrarbereich, bei der Ernährungssicherung oder auch in der Forstwirtschaft. Nachhaltigkeit und verantwortliches Denken in Generationen sind heute, in Zeiten des Klimawandels, wichtiger denn je. Auch Technik und Fortschritt leisten einen wichtigen Beitrag. Längst hat die Digitalisierung in allen Bereichen der Land- und Forstwirtschaft Einzug gehalten und überbrückt die einstigen Gegensätze zwischen konventioneller und ökologischer Wirtschaftsweise.
Als Sprecher für den Ökolandbau musste ich oft auch innerhalb meiner eigenen Fraktion für mehr Offenheit werben.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So schlimm war es nicht!)
Dabei halfen mir die praktischen Erfahrungen aus meinem beruflichen Alltag. Seit 20 Jahren bewirtschafte ich meine Äcker nach ökologischen Richtlinien.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sehr gut! Vorbildlich!)
Die mehrfache Identifikation als Landwirt, Unternehmer und als Parlamentarier hilft bei der Einordnung politischer Entscheidungen. Das Bild des Politikers hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewandelt: weg vom Praktiker hin zum Berufspolitiker. Verzeihen Sie mir: Ich sehe diese Entwicklung eher skeptisch.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und der Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD] und Carina Konrad [FDP])
Der Landwirtschaftsausschuss bildet eine besondere Ausnahme. Ich weiß, er ist dabei nicht immer frei von Kritik. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die positiven Aspekte überwiegen, wenn Politiker einen beruflichen Bezug zu ihrem Fachbereich haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der AfD)
Daher war ich stets dankbar, mit euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Dialog zu suchen und Meinungen auszutauschen in den Bereichen Landwirtschaft, Tiermedizin, Weinbau, Viehhaltung, Gastronomie, Hauswirtschaft und Forst und Jagd. Unser Ausschuss bildet die Landwirtschaft in ihrer ganzen Vielfalt ab.
Doch nun zurück zum Öko-Landbaugesetz. Mit dieser Novelle haben wir ganze Arbeit geleistet. Natürlich setzen wir in erster Linie die neue EU-Öko-Basisverordnung um. Gleichzeitig packen wir aber die Gelegenheit beim Schopfe, um unser nationales Biorecht weiterzuentwickeln und bisherige Unklarheiten zu beheben. Gerade im parlamentarischen Verfahren konnten wir den ursprünglichen Entwurf noch einmal an entscheidenden Stellen verbessern, und zwar im Wesentlichen an drei Stellen.
Zum Ersten sichern wir das bewährte zweistufige Kontrollsystem ab. Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Behörden und privaten Kontrollstellen ist ein Erfolgsmodell, das wir gerne erhalten wollen. Mit dem vorliegenden Gesetz stellen wir dieses Modell erstmals auf eine wirklich verlässliche und klare Rechtsgrundlage. Insbesondere sorgen wir für eine eindeutige Zuordnung von Aufgaben im Kontroll- und Zertifizierungssystem. Wir legen fest, unter welchen Bedingungen die privaten Kontrollstellen als verlängerter Arm der Behörden agieren dürfen. Welche Aufgaben die Länder ihnen übertragen wollen, bleibt ihnen weiterhin freigestellt. Diese Klarheit ist wichtig und entlastet alle Seiten.
Entlastung, aber vor allem Effizienz versprechen wir uns von einer zweiten Änderung. Mit der Harmonisierung der Überwachung der Kontrollstellen verhindern wir einen föderalen Flickenteppich, bauen Bürokratie ab und sorgen für effiziente Verwaltungsstrukturen.
Drittens. Wir wollen auch die Außer-Haus-Verpflegung stärken. Der gestern veröffentlichte Ernährungsreport zeigt, dass viele Menschen, die während der Pandemie zu Hause gekocht haben, auf den Biogeschmack gekommen sind. Diesen um 17 Prozent – ich wiederhole: 17 Prozent – gestiegenen Absatz wollen wir aufrechterhalten, indem wir Küchen und Kantinen ermöglichen, mit ihrem Bioanteil zu werben, sobald sie wieder öffnen können. Mit der Verordnungsermächtigung schaffen wir die Voraussetzung, um die Zertifizierung von Biozutaten in der Außer-Haus-Verpflegung künftig flexibel und praktikabel zu ermöglichen.
Wenn wir unser Ziel von 20 Prozent Ökolandbau bis 2030 erreichen wollen, dürfen wir keine Zeit verlieren. Mit dieser Novelle leisten wir dazu einen guten Beitrag.
Die Arbeit an diesem Gesetz hat mir noch einmal gezeigt, wie gut wir auf der Fachebene zusammenarbeiten können. An dieser Stelle auch noch einmal einen besonderen Dank an dich, liebe Isabel Mackensen. Ganz herzlichen Dank dir und auch deinen Mitarbeitern!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nach diesen kurzen, aber sehr intensiven Beratungen zum Ende der Legislatur möchte ich jetzt einfach mal Danke sagen. Von ganzem Herzen: Danke an meine Kollegen aus der Fraktion und Koalition. Es waren gute, starke zwölf Jahre, die ich hier dabei sein durfte. Trotz der klaren Rollenverteilung zwischen Koalition und Opposition im Ausschuss war es stets möglich, wertschätzend und fachlich miteinander zu arbeiten. Dafür danke ich auch der Opposition.
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Liebe Kirsten Tackmann, lieber Friedrich Ostendorff, lieber Karlheinz Busen, um nur stellvertretend einige zu nennen, mit euch habe ich gerne gestritten und auch diskutiert. Es war bereichernd, weil ihr aus dem Fachlichen greifen konntet, und das überzeugt.
Ebenfalls danken möchte ich dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Liebe Frau Ministerin, liebe Staatssekretäre sowie alle Mitarbeiter: Es war wunderbar, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Ich werde Sie alle sehr vermissen.
Gleiches gilt für die Mitarbeiter des Agrarausschusses, in unseren Abgeordnetenbüros. Ohne ihre Unterstützung und Vorbereitung wäre unsere Arbeit nicht möglich gewesen. Danke, Alois Gerig, und der gesamten Mannschaft.
Die Professionalität und der hohe Grad an Organisation, mit denen der Bundestag arbeitet, beruht wesentlich auf dem Einsatz vieler Kräfte im Hintergrund, die für Ordnung und einen reibungslosen Betrieb sorgen. Ihnen allen gilt mein besonderer Dank, nicht zuletzt den Mitarbeitern des Fahrdienstes, den Saalbediensteten, Pförtnerinnen und Pförtnern, Sicherheitsdiensten, Versorgungsdienstleistern, dem Reinigungspersonal. Ihnen allen ein herzliches „Vergelt’s Gott!“!
(Beifall im ganzen Hause)
Das Parlament ist die Herzkammer unserer Demokratie. Die Akzeptanz seiner Abläufe und Gepflogenheiten geht für mich mit der Dankbarkeit für unsere freiheitliche Grundordnung einher. Wenn mir eins in diesen zwölf Jahren wirklich bewusst geworden ist, dann ist es die Würdigung unserer parlamentarischen Demokratie auf der Grundlage unserer Verfassung. Sie ist ein Ergebnis des Zusammenwirkens von Frauen und Männern, die Deutschland aus den Verstrickungen seiner unsäglichen Vergangenheit lösen wollten. Ihr Werk hat eine stabile und wehrhafte Demokratie geschaffen, im Zusammenspiel mit den föderalen Strukturen, aufbauend auf Ländern und Gemeinden, was einen immerwährenden Prozess des Interessenausgleichs mit sich bringt. Die ständige Suche nach Mehrheiten ist kein Webfehler der Demokratie, sondern der Garant für Frieden und Freiheit und das Abwenden der Gefahr, dass verfassungsfeindliche Strömungen die Oberhand gewinnen.
Wenn ich mich heute hier bei Ihnen verabschiede, dann tue ich dies in Dankbarkeit und Erleichterung zugleich. Hinter mir liegen zwölf besondere Jahre, nicht immer ganz einfache und dennoch unvergessliche. Ich danke für die Möglichkeit, unserem Land in diesem Hohen Haus gedient zu haben.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der AfD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Herr Kollege von der Marwitz, mit dem Hinweis, dass die Legislaturperiode noch bis Ende Oktober dauert,
(Heiterkeit)
möchte ich gleichwohl den Dank, den Sie allen ausgesprochen haben, auch im Namen aller Fraktionen – alle haben Ihnen applaudiert – an Sie für Ihre Arbeit richten. Wir wünschen Ihnen für Ihre weitere Arbeit im Deutschen Bundestag und für das Leben und Ihre Tätigkeit danach von Herzen alles Gute.
(Beifall)
Nächster Redner ist der Kollege Peter Felser, AfD.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523353 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Öko-Landbaugesetze |