21.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 231 / Tagesordnungspunkt 38

Nina ScheerSPD - Umweltschutz und Wohlstand

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Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon vielfach gesagt worden, worum es bei dieser Debatte geht. Wenn man jedoch die Reden der AfD hört, weiß man – obwohl es um Ihre Anträge geht – aber am allerwenigsten, um was es heute geht; denn Sie vernebeln und vernebeln und vernebeln.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das stimmt, ja!)

Das ist bedenklich. Deswegen möchte ich jenseits der Fachfragen zur Klimapolitik noch einmal auf eine übergeordnete Fragestellung eingehen, die meines Erachtens eine der größten Bedrohungen dieser Zeit für unsere Demokratie beschreibt, nämlich die Vermischung zwischen Tatsachen und Meinungen.

Das, was Sie hier ständig mit Ihren vermeintlichen Tatsachenbehauptungen betreiben, ist eigentlich nichts anderes als das Kundtun Ihrer persönliche Meinung von einem Weltbild, das Sie vielleicht für sich in Ihren eigenen vier Wänden pflegen können. Mit Blick auf die Verantwortung für unsere Gesellschaft kann das aber nur bedeuten, dass Sie die Handlungserfordernisse unserer Zeit ignorieren und somit den Kopf in den Sand stecken hinsichtlich der Aufgaben, die wir alle haben, nämlich der Bedrohung durch den Klimawandel und auch anderweitigen Bedrohungen, die uns heutzutage entgegenkommen, zu begegnen und sie zu bewältigen. Diese Ignoranz und Wahrheitsverleugnung ist wirklich eine der größten Bedrohungen, die wir heutzutage haben.

(Beifall bei der SPD)

Nach dem Motto „Jedem seine eigene Wahrheit“ kommt man dann genau zu dem, was wir derzeit in den USA erleben: dass Republikaner auch heute noch Trump-Anhänger sind, die ignorieren, was da im Kapitol passiert ist, und die ignorieren, was an Bedrohungen für die Demokratie existiert. Letztendlich sind Sie – kommen wir zurück zu den Klimathemen – genauso wie die Anhänger dieser trumpistischen Politik, die den Klimawandel leugnen. Man differenziert dann – ganz sophisticated – zwischen menschengemachtem und nicht menschengemachtem Klimawandel. Letztendlich wollen Sie sich aber der Aufgabe der Menschheit, den Klimawandel zu stoppen, nicht stellen. Das ignorieren Sie. Diese Wahrheitsleugnung ist die größte Bedrohung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte es an ein paar Punkten festmachen, die in Ihrem Antrag in wahrheitsvernebelnder Form enthalten sind. Zum Beispiel sprechen Sie sich für Technologieoffenheit aus. Wenn Sie aber wirklich Technologieoffenheit wollen, dann müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass bestehende Marktverzerrungen abgeschafft werden müssen. Wenn man also eine CO

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der AfD: Das sind Steuern! Das ist doch völlig falsch, was Sie sagen!)

Nachdem Sie die Technologieoffenheit angesprochen haben, kommen Sie gleich zum nächsten Widerspruch: Sie fordern anschaulich und unübersehbar ein, dass wir fördern. Wir sollen technologiefokussiert – also nicht technologieoffen, sondern technologiefokussiert – die Atomenergie fördern. Das ist eine weitere Aussage aus Ihrem Antrag – völlig rückwärtsgewandt!

(Zuruf von der AfD: Die ganze Welt hat Kernkraftwerke, nur wir nicht! Das ist nicht rückwärtsgewandt! Die Einzigen, die rückwärtsgewandt sind, sind Sie!)

Sie alle wissen – das ist seit Jahrzehnten bekannt –, dass diese Förderung, die Sie einfordern, über die nächsten Jahrzehnte überhaupt keine Energiegewinnung bedeuten kann und dass sie einen Rattenschwanz an Folgekosten und Gefahren nach sich zieht, die alle auch in Kosten abbildbar sind, von den Endlagerkosten bis zu den Terrorgefahren, die es abzuwenden gilt.

Es ist also schlicht gelogen – wenn ich Ihnen unterstelle, dass Sie es besser wissen, als der Antrag vermuten lässt –, dass hiermit eine Technologieoffenheit verfolgt würde, sondern das ist eine Vernebelung. Sie verkaufen den Menschen hier eine Lösung, die definitiv keine ist.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung von Dr. Kraft?

Nein, das tu ich nicht. Danke.

Ich möchte dann noch auf das eingehen, was man stattdessen tun sollte, diese Vernebelung einmal beiseitegelegt. Leider habe ich jetzt zu wenig Zeit, um so ausführlich darauf einzugehen, wie ich es eigentlich wollte. Es ist wichtig – das ist schon angeklungen –, dass wir das ermöglichen, was uns auf dem Silbertablett geboten wird, nämlich die Nutzung von erneuerbaren Energien. Erneuerbare sind die günstigste Form der Energiegewinnung, und wir können dankbar sein, dass wir diese Option haben. In welcher Welt würden wir leben, wenn wir nicht die erneuerbaren Energien hätten? Wir haben sie aber!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen müssen wir sie auch nutzen. Sonne und Wind schicken uns keine Rechnung. Das ist Fakt, und das kann man auch nicht leugnen.

Die Frage lautet, wie dies zu tun ist. Es gibt vielfache Stellschrauben, die schon gedreht worden sind, die wirken müssen, und die auch wieder zurückgedreht werden müssen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz – Klaus Mindrup hat es schon erwähnt – hat eine weltweite Ausstrahlungswirkung. Es hat den weltweiten Schub der Entwicklung von Erneuerbarer-Energien-Technologie ermöglicht. Nur deswegen haben wir heute weltweit diese Option, und nur deswegen verzeichnen wir heute schon einen 50-prozentigen Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor.

Aber leider haben wir auch Hemmnisse im System. Da möchte ich auch in unserer Großen Koalition noch einmal einen Appell an die eigenen Reihen richten, und zwar in Richtung CDU/CSU-Fraktion. Es kann natürlich nicht sein, dass wir uns diesem gemeinsamen Ziel verschreiben, dann aber bei den stärksten Hemmnissen – nämlich bei dem Ausbau und den Mengenbeschränkungen – einfach nicht vorankommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir gehen zwar jetzt einen kleinen Zwischenschritt Richtung 2022, aber das reicht natürlich bei Weitem nicht. Wir benötigen im Grunde eine Vervierfachung des Ausbaus erneuerbarer Energien, wenn man in Rechnung stellt, dass in den letzten Jahren zu wenig ausgebaut wurde.

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Zeit.

Jetzt ist die Zeit leider um. – Ich wollte noch auf Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität – die Grundwerte der SPD – zu sprechen kommen, –

Ja, das wird heute nichts mehr.

– das geht jetzt nicht mehr. Aber aus diesen Werten heraus begründet sich die Energiewende, und zwar eine beschleunigte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Dr. Nina Scheer. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Hagen Reinhold.

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7523374
Wahlperiode 19
Sitzung 231
Tagesordnungspunkt Umweltschutz und Wohlstand
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