Katharina DrögeDIE GRÜNEN - Umweltschutz und Wohlstand
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier, Ihr Dialog mit meinem Kollegen Oliver Krischer war einigermaßen unterhaltsam, aber er war auch traurig. Denn, ich finde, er zeigt ein Stück weit den Kern des Problems, das wir seit den letzten vier Jahren mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier haben. Denn Sie verwechseln, seit Sie Wirtschaftsminister sind, Handlungskonzepte mit Handlung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde es traurig, dass man Ihnen am Ende Ihrer Amtszeit sagen muss, dass nur, weil Sie etwas aufschreiben, es noch lange nicht Realität wird. Das ist der Fall beim „Handlungskonzept Stahl“, das Sie aufgeschrieben haben; es ist nicht Realität geworden. Das ist der Fall bei den großen Klimakonsensen, die Sie angeboten haben, wo Sie nichts erfüllt haben, wo Sie auch nichts einhalten wollten und konnten.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Es ist Realität, dass wir die Klimaziele erreicht haben!)
Sie haben Industriestrategien geliefert, die keine Industriepolitik beinhalteten, sondern nur der Versuch waren, die deutschen Konzerne hoch zu fusionieren und auf die Fragen der Wettbewerbsfähigkeit keine Antwort gegeben haben.
Ich war vor Kurzem bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl zu einem parlamentarischen Abend eingeladen. Die Überschrift dazu war ein Stück weit an Sie gerichtet: #nichtkönntemuss.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Warnung vor Ihrem Programm!)
Das ist das, was Ihnen die deutsche Industrie seit Jahren sagt und weshalb die führenden großen Konzerne Ihnen vor vier Wochen einen Brief geschrieben haben. Fehlender Klimaschutz ist ein Standortrisiko für die Bundesrepublik Deutschland in der Wirtschaftspolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich spitze es zu: Peter Altmaier ist ein Standortrisiko für die Wirtschaftspolitik in Deutschland.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Unternehmen sind bereit und wollen in Wasserstoff investieren. Die Stahlindustrie hat die entsprechenden Technologien entwickelt und wartet nur auf die Förderinstrumente, und Sie bewegen sich nicht.
Die Chemieindustrie wartet auf eine Leitentscheidung, um endlich umzustellen, um den Weg Richtung klimaneutrale Chemie gehen zu können. Das dauert eben seine Zeit. Da kann man nicht bis 2030 warten. Bis solche Technologien marktreif sind, müssen sie erst einmal entwickelt, gefördert und etabliert werden. Wenn wir erst 2030 damit anfangen, haben wir zehn entscheidende Jahre im Klimaschutz verloren
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das sind doch alles Märchen, was Sie da erzählen!)
und ein Stück unseres Budgets an Emissionen, das wir noch haben, schon verbraucht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen geht es darum, zu handeln.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das machen wir doch!)
Nicht könnte, muss – das ist der Job, den Sie haben.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Machen wir!)
Deswegen brauchen wir in Zukunft eine andere Bundesregierung, eine Bundesregierung, die das Handeln in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir handeln! Wir handeln! Wir handeln!)
die endlich die erneuerbaren Energien ausbaut, die endlich die Infrastruktur für eine klimaneutrale Wirtschaft der Zukunft schafft, die neue Schieneninfrastruktur baut, damit die Züge auch wirklich eine Alternative zu den Lkws darstellen können, die zum Beispiel marode Brücken renoviert. Ich wohne in Köln. Ich schaue mir jeden Tag die Leverkusener Rheinbrücke an, die für den Schwerlastverkehr gesperrt ist.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Dafür sind Sie verantwortlich mit Ihrer Verkehrspolitik in NRW! Sie haben das mit Ihrer Politik zu verantworten!)
Sie schieben einen riesigen Sanierungsstau vor sich her, weil Sie verfehlte Haushaltspolitik mit Generationengerechtigkeit verwechselt haben. Sie hinterlassen künftigen Generationen einen riesigen Berg an Schulden in Form von maroder Infrastruktur, fehlenden digitalen Netzen und mangelndem Ausbau der Stromleitungen. Das alles ist Ihre Bilanz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung aus der SPD-Fraktion?
Ja, klar. Gerne. Ich habe über die SPD noch gar nicht gesprochen. Super.
Liebe Frau Kollegin Dröge, Sie haben von Infrastruktur gesprochen. Infrastruktur ist natürlich wichtig. Sie haben eben die Stromnetze erwähnt. Meine Frage ist: Wie wichtig sind für Sie die Gasnetze? Ich glaube, wir haben ungefähr 55 000 Kilometer – ist das richtig? – Gasnetz in Deutschland.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Nein! Zehnmal so viel!)
Welche Zukunft sehen Sie für die Gasnetze? Es gab kürzlich eine Diskussion, bei der der Chef der Bundesnetzagentur davon gesprochen hat, dass man diese Gasnetze nicht mehr braucht. Das wäre ein Milliardenverlust für die öffentlichen Unternehmen, für die Stadtwerke, denen diese überwiegend gehören. Sehen Sie eine Chance, diese Gasnetze in Richtung Wasserstoff zu transformieren, oder wollen Sie diese Gasnetze zurückbauen? Dann müssen Sie ja irgendwie die Energieversorgung der Häuser herstellen. Dafür müsste das Stromnetz extrem stark ausgebaut werden. Was ist da Ihre Position?
Vielen Dank.
Vielen Dank für diese Frage. Sie ist sehr spannend. Zufällig habe ich gestern mit dem Mittelstandsausschuss von BDI und BDA, wo man sich genau dieselbe Frage gestellt hat, darüber diskutiert. Natürlich ist es so: Wenn man die Wirtschaft auf Wasserstoff umstellt, dann muss man auch die Frage der Netzinfrastruktur beantworten. Das Fraunhofer-Institut hat dazu interessante Studien vorgelegt, in denen steht, dass man die Gasnetze auch doppelt nutzen kann, also das bestehende Gasnetz beispielsweise auch für die gleichzeitige Durchleitung von Wasserstoff. Die großen Gasnetzbetreiber haben vor ungefähr einem Jahr im „Handelsblatt“ gesagt, sie wollten den Weg gehen, die Gasnetze Wasserstoff-ready zu machen. Das ist eine vernünftige Infrastruktur, die man dann auch nutzen kann. Das ist eine Wirtschaftspolitik der Zukunft.
Aber dafür braucht man eben auch eine Wirtschaftspolitik, die die Förderung von Grünem Wasserstoff in den Mittelpunkt stellt. Auch da hat diese Bundesregierung nichts geleistet; denn Grüner Wasserstoff ist nur dann Grüner Wasserstoff, wenn er beispielsweise auch netzdienlich hergestellt wird. Dafür bräuchte es zum Beispiel eine Flexibilisierung des Abgaben- und Umlagesystems, um die Herstellung von Grünem Wasserstoff anzureizen.
(Klaus Mindrup [SPD]: Unser Programm! Unser Programm!)
Dies ist bislang nicht geschehen. Dafür bräuchte es eben auch einen Ausbau von erneuerbaren Energien, damit man Grünen Wasserstoff überhaupt produzieren kann. Dafür bräuchte es eine Offensive für faire Energiepartnerschaft mit anderen Ländern der Welt, bei denen es dann nicht nur einfach heißt: „Wir kommen mit unseren wirtschaftlichen Interessen“, sondern bei denen wir auch auf die wirtschaftlichen Interessen anderer Regionen dieser Welt achten.
Das wäre eine vorausschauende Politik,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
die auf der einen Seite Klimaschutz und auf der anderen Seite wirtschaftliche Interessen miteinander verbindet. Dafür könnten wir Geld in die Hand nehmen. Dafür könnten wir politisch handeln. Dafür braucht es eine andere Regierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Katharina Dröge. – Nächster Redner für die Fraktion Die Linke: Thomas Lutze.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523377 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Umweltschutz und Wohlstand |