Lothar BindingSPD - Steuerrecht, Anti-Steuervermeidung
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem kleinen Witz anfangen. Fritz Güntzler hat einen wunderbaren Versprecher gehabt. Er hat nämlich gesagt, dass man mit dem KöMoG eine Personengesellschaft zur Körperschaft optimieren kann. Das beschreibt so ein bisschen den Gedanken, der dahintersteckt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, man kann der CDU viel vorwerfen, aber die CDU regiert mit. Die FDP regiert besser nicht, haben wir gelernt. Deshalb ist diese Vorwurfsebene für mich nicht ganz nachvollziehbar.
Jörg Cezanne hat einen wichtigen Einzelpunkt angesprochen, nämlich die konzerninterne Finanzbeziehung. Das ist sicher eine offene Baustelle, von der wir glauben, man müsste diesem Vorschlag des Bundesrats folgen; aber wir brauchen auch für die nächsten Legislaturperioden Arbeit, und die ist damit mit Sicherheit vorgegeben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Cansel Kiziltepe hat schon erläutert, was das ATAD-Umsetzungsgesetz alles leistet. Das ist die Fortsetzung der Bekämpfung von Steuergestaltung, und das geschieht sehr intensiv.
Ich will noch einen Einzelpunkt nennen, den wir ebenfalls regeln, der sich ein bisschen anders gestaltet, als heute vorgestellt wurde. Ich habe zum Beispiel vor zehn Jahren einen Anteil an einer GmbH für 1 Million Euro gekauft. Dieser Anteil ist nach zehn Jahren 11 Millionen Euro wert. Somit habe ich eine Wertsteigerung um 10 Millionen Euro. Wenn ich den Anteil in Deutschland verkaufe, muss ich den Veräußerungsgewinn versteuern. Deshalb mache ich das nicht, sondern ich ziehe ins Ausland. Denn wenn ich ins Ausland ziehe, entziehe ich meinen Anteil dem deutschen Steuerrecht. Durch die Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland ist die Veräußerung plötzlich steuerfrei.
Zwar stimmt es schon, dass es noch eine gewisse beschränkte Steuerpflicht in Deutschland gibt. Die ist bei uns aber regelmäßig durch Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen. Insofern ist es wichtig, diese sogenannte Wegzugsbesteuerung zu regeln, damit ich mich bei Wegzug meiner Steuerpflicht nicht entziehe und ihr nicht nachkomme.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir tragen hier im Haus – ich glaube, über alle Fraktionen hinweg – eine Monstranz vor uns her: Wir wollen immer alles vereinfachen, zum Beispiel das Steuerrecht. – Aber heute machen wir es richtig kompliziert, und zwar nicht im Einzelfall, sondern systemisch. Wir machen unser System komplizierter.
Im Moment ist es so: Eine Personengesellschaft erwirtschaftet Gewinne, ist aber transparent. Transparent heißt ja durchsichtig, und was ich nicht sehe, kann ich auch nicht besteuern. Aufgrund der Transparenz gucken wir aber durch das Unternehmen der Personengesellschaft durch. Und wen sehen wir? Den Gesellschafter, und den besteuern wir. Das ist ein Mensch, und der muss Einkommensteuer zahlen. Der Gesellschafter zahlt also auf den Gewinn seines Unternehmens Einkommensteuer gemäß dieser runden Kurve, die bis zu einem Steuersatz von etwa 42 Prozent ansteigt. Wenn man 500 000 Euro verdient, zahlt man ungefähr 40 Prozent Einkommensteuer. Die Kurve kann, das ist klar, ziemlich hoch steigen. Der Gesellschafter erhält aber die Gewerbesteuer zurück, also ist alles wunderbar.
Eine Körperschaft zahlt aber nur 30 Prozent Steuern auf den Gewinn. Jetzt merkt man schon: Als Personengesellschaft ab etwa 76 000 Euro Gewinn muss ich bei der Einkommensteuer mehr als 30 Prozent zahlen und bin damit gegenüber einer Körperschaft benachteiligt. Die Folge ist: Wenn ich jetzt also in der Personengesellschaft Gewinne gemacht habe und diese eigentlich ins Unternehmen geben will, damit die Innenfinanzierung stärker wird – wir wollen alle, dass investiert wird –, geht das nicht, weil ich schon so hohe Steuern gezahlt habe. So werden Investitionen unmöglich.
Deshalb gibt es heute die Idee, zu sagen: Wir behandeln die Personengesellschaft zivilrechtlich wie gehabt – es ändert sich an der Rechtsform nichts –, aber steuerrechtlich eröffnen wir die Option, sich der Körperschaftsteuer zu unterwerfen. Dass es gewisse Qualifizierungsprobleme im Zusammenhang mit Verlagerungen ins Ausland gibt, hat Lisa Paus dargestellt. Das ist auch der Komplexität geschuldet.
Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass findige Wirtschaftsgestalter, Wirtschaftsprüfer, also Leute, die sich beruflich mit entsprechenden Gestaltungen beschäftigen, sich das Gute vom einen und das Gute vom anderen entsprechend kombinieren und dann möglichweise Steuersubstrat verloren geht. Deshalb haben wir ein Schlupfloch, das uns bekannt ist, schon gestopft. Wir kennen nicht alle Schlupflöcher der Zukunft, aber so bleibt für die nächsten Legislaturperioden etwas zu tun.
Komplexität dient ja immer denen, die darüber nachdenken, wie sie Regeln auch in komplexen Strukturen umgehen können, und das wollen wir natürlich künftig vermeiden. Also: Viel Vergnügen bei der künftigen Steuergesetzgebung.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU])
Vielen Dank, Lothar Binding, auch für die Lehrstunde. Wir haben hier oben wieder einiges gelernt. Das ist eine unfassbare Fähigkeit von Herrn Binding; das will ich einfach mal sagen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir werden ihn vermissen!)
Man muss es ja nicht teilen, aber bei Ihnen verstehe ich es einfach.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Letzter Redner in dieser Debatte: Sebastian Brehm für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 231 |
Agenda Item | Steuerrecht, Anti-Steuervermeidung |