Volker UllrichCDU/CSU - Sexuelle Identität
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes schützt vor Diskriminierungen. Geschützt werden beispielsweise die Herkunft, die Heimat, die Sprache und auch das religiöse Bekenntnis, also all das, was einen Menschen ganz persönlich ausmacht. Und ja, auch die sexuelle Identität oder Orientierung gehört zum Menschen und macht seine Persönlichkeit aus.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird die sexuelle Identität bereits in gleichem Umfang geschützt wie die besonderen Diskriminierungsmerkmale in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes. Es ist der Ausdruck eines besonderen Schutzversprechen des Staates, auch die sexuelle Orientierung eines jeden zu schützen und dafür einzutreten, dass jeder leben und lieben darf, wie er möchte. Das ist in unserem Staat unverhandelbar.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist Gegenstand der verfassungspolitischen Auseinandersetzung, zu klären, ob es genügt, dass dieses Schutzversprechen nur in der ständigen Rechtsprechung gilt, oder ob es der Staat ganz ausdrücklich ins Grundgesetz aufnimmt. Dazu müssen wir auch ein Stück weit auf die historische Abfolge blicken. Im Jahr 1949 und im Jahr 1951, zu den Zeiten, als das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention für Deutschland in Kraft getreten sind, haben wir in unserem Land durch § 175 des Strafgesetzbuches noch bitteres Unrecht vollzogen. Ich bin froh, dass sich der gesellschaftliche Wandel bis heute durchgesetzt hat.
Einen ganz wichtigen Schritt haben wir erst gestern im Deutschen Bundestag beschlossen – auch daran möchte ich erinnern –, nämlich die Rehabilitierung der dienstrechtlich verurteilten Soldaten wegen homosexueller Handlungen. Ich glaube, das war ein ganz wichtiges Zeichen des Deutschen Bundestages.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die neueren Rechtstexte sehen vor, dass die sexuelle Orientierung explizit geschützt wird, beispielsweise in der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Jetzt ist die große verfassungsrechtliche Frage: Wollen wir diesen Schutz der sexuellen Orientierung, der für uns selbstverständlich ist, der zur Verfassungsidentität unseres Landes gehört, im Artikel 3 des Grundgesetzes verankern oder nicht?
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Und was ist da die Frage? Was ist denn das Gegenargument? – Gegenruf des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Er ist dafür! – Gegenruf des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP]: Ja, ja!)
Darüber, meine Damen und Herren, ist eine politische Debatte erlaubt. Das muss auch innerhalb unserer Fraktion möglich sein.
Vor dem Hintergrund, dass wir darüber debattieren, dass wir für eine Grundgesetzänderung auch eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat brauchen, meine ich, dass das wertvolle Ziel der Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes nicht an einem kurzfristigen Streit scheitern sollte,
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Definieren Sie „kurzfristig“!)
sondern es muss ein Ziel sein, das von der gemeinsamen Überzeugung der demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag getragen wird und welches gemeinsam mit den Ländern verabschiedet wird. Deswegen meine ich: Lassen Sie uns über diese Frage intensiv diskutieren; denn hier geht es um die Verfassungsidentität unseres Landes, und es geht darum, dass wir zu einem gemeinsamen überzeugenden Ergebnis kommen. Denn es muss ganz klar sein: Es darf in unserem Land kein Unterschied machen, wie jemand liebt. Jeder hat den Schutz des Grundgesetzes verdient. – Das hat eine wichtige Signalwirkung. Das ist ein wichtiges Symbol. Darüber sollten wir intensiv beraten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ausrede!)
Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523443 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Sexuelle Identität |