Susann RüthrichSPD - Wahlrecht, Bürgerbeteiligung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Demokratie lebt davon, dass Menschen sie gestalten, dass sie sich beteiligen. Dabei werden sie die Demokratie verändern; die Demokratie wird sich weiterentwickeln. Und genau das ist ja das Großartige an Demokratie: dass sie niemals fertig ist und dass es keinen Endpunkt gibt, der zu erreichen ist. Autoritäre Systeme werden erschüttert durch Veränderung; Demokratien leben von ihr.
Unsere Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es, den Rahmen so zu setzen, dass alle Menschen sich ohne Hürden einbringen können. Auf drei Entscheidungen, die wir hier treffen sollten, gehe ich ein; es gibt aber noch viele mehr, die unter diesem Tagesordnungspunkt behandelt werden.
Der erste Punkt: Unser Grundgesetz ändern. Selbst kleine Kinder können sich beteiligen. Es muss ihnen nur möglich gemacht werden. Wir müssen sie ernst nehmen. Genau deswegen wollen wir so sehr, dass Kinderrechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung in unser Grundgesetz kommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Christopher Gohl [FDP])
Die öffentliche Anhörung am Montag hat genau das deutlich unterstrichen. Von vielen wird gern gesagt, ja, das sei wichtig; denn die Kinder seien ja unsere Zukunft. Ja, sind sie. Aber es geht gar nicht so sehr um die Zukunft. Es geht streng genommen noch nicht mal um uns, sondern es geht um die Kinder. Sie sind jetzt schon da, und sie wollen und sollen ihr Leben selbst gestalten, und zwar von Anfang an.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zweitens: Demokratieförderung. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Sie ist oft harte Arbeit – gerade dann, wenn sie angegriffen wird, gerade dann, wenn Angriffen auf Demokratie und Menschenwürde der Nährboden entzogen werden muss. Das ist eine Daueraufgabe, und ihre Erfüllung muss dauerhaft gewährleistet werden, überall in unserer Republik. Dafür soll das Demokratiefördergesetz sorgen. Meinetwegen könnte es auch Wehrhafte-Demokratie-Gesetz heißen; Hauptsache, es stellt klar: Demokratiefördernde Arbeit und Prävention sind eine gesetzliche Verpflichtung – an jedem Ort, ohne Misstrauen gegenüber denjenigen, die diese wichtige Arbeit leisten, dafür gerne mit einem neuen Zweck: Demokratieförderung im Gemeinnützigkeitsrecht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Drittens: die Absenkung des Wahlalters. Unbedingt! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen das und haben das ja auch schon in mehreren Bundesländern umgesetzt. Kleiner Funfact am Rande: In NRW, BaWü und Hessen, wo Ihre Kolleginnen und Kollegen, die heute hier das Wahlalter senken wollen, mitregieren, ist das Wahlalter auf Landesebene nicht gesenkt worden, obwohl es möglich wäre. Dass beispielsweise Jugendliche in Kommunen in BaWü ab 16 wählen können, hat Grün-Rot eingeführt. Mit Grün-Schwarz ist es keinen Meter weitergegangen. Schwarz und Grün oder Schwarz und Gelb ergeben für mehr Beteiligung offensichtlich keinen Aufbruch in bessere Zeiten.
(Beifall bei der SPD)
Jugendliche sind nicht reif genug, können mit der Verantwortung nicht umgehen, und im Übrigen traf ich schon mal einen Jugendlichen, der nicht wählen wollte. – Alles schon gehört. Das Wahlrecht ist aber aus sehr guten Gründen an keine Voraussetzungen gebunden. Es mag vor 100 Jahren auch Frauen gegeben haben, die gar nicht wählen wollten. Das ist aber kein ausreichender Grund, das Frauenwahlrecht allen zu verwehren.
(Beifall bei der SPD)
So ist es auch bei Minderjährigen: Wer wählen will, soll wählen können. Dabei ist aus meiner Sicht im Grunde jede Altersgrenze willkürlich.
Zum Schluss teile ich noch eine Erinnerung mit Ihnen: Ein katholischer Bischof, wohlgemerkt, sagte mir bei einem Treffen, bei dem wir auch auf das Wahlalter zu sprechen kamen: Frau Rüthrich, bei uns können die Gremien auch von 14-Jährigen mitgewählt werden. Und wissen Sie was? Die katholische Kirche gibt es immer noch!
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Tja!)
In dem Sinne – das ist vor allem an den werten Koalitionspartner gerichtet –: Nur Mut! Lassen Sie uns endlich dafür sorgen, dass alle Menschen mitmachen und mitbestimmen können! Es wird unserem Land guttun.
Damit ein schönes Wochenende!
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Das Wort geht an Nicole Höchst, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523470 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Wahlrecht, Bürgerbeteiligung |