Volker UllrichCDU/CSU - Parteiengesetz
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute in erster Lesung einen Gesetzentwurf, im Parteiengesetz die politische Werbetätigkeit der Parteien zwei Monate vor einer Wahl grundsätzlich zuzulassen. Die verfassungsrechtliche Dimension unseres Gesetzentwurfes ist durch zwei Prinzipien gekennzeichnet: zum einen durch das Demokratieprinzip als Verfassungskern und zum anderen durch die Regelung, dass Parteien an der Willensbildung mitwirken.
Das bedeutet für uns, dass dieser wichtigen Aufgabe von Parteien, nämlich klarzumachen, dass demokratische Wahlen durchgeführt und vorbereitet werden, ein besonderer Rang im Verfassungsgefüge zukommt. Ich denke zunächst einmal an all die ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, die vor der Frage stehen: Kann ich jetzt einen Wahlprospekt meines Kandidaten in einen Briefkasten einwerfen, der beschriftet ist mit „keine Werbung“, oder darf ich das nicht? Hier besteht eine Rechtsunsicherheit. Wir wollen diese Rechtsunsicherheit beseitigen, und zwar zugunsten der Demokratie und einer allgemeinen Haltung, dass zumindest kurz vor Wahlen Wahlwerbung möglich sein muss.
Ich meine, dass die Wahlwerbung nicht ohne Weiteres unter den Begriff der Werbung gefasst werden kann. Das ist auch eine Frage des Aufkommens. Heutzutage gibt es kostenlose Wochenzeitschriften, mit denen beinahe im Tagesrhythmus die Briefkästen bestückt werden. Es macht einen Unterschied, ob Sie innerhalb eines Jahres 50, 100, 150, 250 Prospekte aus Ihrem Briefkasten nehmen oder ob Sie kurz vor einer Wahl in einem ganz begrenzten Zeitraum über Ihre Kandidaten im Wahlkreis informiert werden. Das ist ein wesentlicher Unterschied, und da müssen wir deutlich machen: Wahlwerbung hat nichts mit kommerzieller Werbung zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE])
Das ergibt sich übrigens auch aus einer verfassungsrechtlichen Betrachtung. Das Recht darauf, dass keine Werbung eingeworfen werden darf, ergibt sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Abwehrrecht, und dieses wirkt weit – gar keine Frage. Aber es steht auch nicht schrankenlos, sondern es muss mit anderen Wertentscheidungen und Grundrechten abgewogen werden. Hier muss eine Abwägung mit dem Demokratieprinzip vorgenommen werden und mit der Aufgabe der Parteien, an der Willensbildung teilzunehmen. Deswegen meine ich, dass es in einem ganz eng begrenzten Zeitraum und begrenzt auf die Parteien, die zugelassen sind zu einer Wahl, im Rahmen der Rechtsordnung möglich sein muss, auch Wahlwerbung anzubringen.
Das ist übrigens auch eine Frage der Chancengleichheit der Parteien. Ich möchte auf einen Aspekt hinweisen, der heute noch gar nicht besprochen worden ist: Bei Landtags- und Bundestagswahlen mit ihrer 5‑Prozent-Hürde – die in Deutschland verfassungsrechtlich belegt und gesichert ist – treten natürlich auch kleinere Parteien an, die nur in geringem Maße Zeiten im Fernsehen haben. In einer Zeit, in der man sich viel auf Spitzenkandidaten fokussiert, muss es auch für kleinere Parteien gerade im Rahmen der Chancengleichheit Raum geben, für sich zu werben. Welche Möglichkeiten haben sie? Es ist die direkte Ansprache im öffentlichen Raum, es sind Wahlplakate, und es ist auch die Briefkastenwerbung.
Mit diesem Gesetzentwurf schaffen wir eine Auslegungsregel im öffentlichen Recht. Diese Auslegungsregel besagt, dass Werbetätigkeit grundsätzlich zuzulassen ist. Das ist übrigens auch eine Art Appell an die Gebietskörperschaften, Wahlwerbung im öffentlichen Raum nicht über Gebühr einzuschränken. Klar, ärgern wir uns auch selbst über die Ausmaße mancher Werbeplakate, gar keine Frage. Aber im Kern gehört zu einer Demokratie auch dazu, dass Wahlwerbung möglich sein muss; denn eine Gesellschaft ohne Wahlwerbung und ohne politische Auseinandersetzung wäre eine ärmere, weil sie nicht demokratisch wäre. Deswegen wollen wir heute die demokratische Mitwirkungsmöglichkeit sichern.
Lassen Sie uns im Ausschuss über diesen Gesetzentwurf intensiv diskutieren, dabei aber immer die zwei grundsätzlichen Prinzipien im Hinterkopf behalten: Demokratieprinzip und Willensbildung des Volkes als Aufgabe der Parteien.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523488 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Parteiengesetz |