21.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 231 / Zusatzpunkt 9

Martin NeumannFDP - Aktuelle Stunde – Entschädigungszahlungen für Braunkohlekraftwerke

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um nicht falsch verstanden zu werden: Es geht hier ausschließlich um das undurchsichtige Verfahren zur Berechnung der Entschädigungszahlungen für die Betreiber von Braunkohlekraftwerken, anders gesagt, es geht wieder einmal um handwerkliche Fehler, die die Bundesregierung hier gemacht hat. Genau diese Intransparenz haben wir in der Vergangenheit immer wieder kritisiert.

Ich fange mal von vorne an: Kohleausstieg. Um es ganz klar zu sagen: Wir sind nicht gegen den Kohleausstieg. Wir kritisieren nur den Weg, den die Regierung eingeschlagen hat. Ich glaube, dass über den Emissionshandel, wenn er richtig angegangen worden wäre, der Kohleausstieg wirtschaftlicher, effizienter und mit einem garantierten Beitrag zum Klimaschutz abgeschlossen worden wäre.

(Beifall des Abg. Frank Sitta [FDP])

Das heißt, der beim Kohleausstieg geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag schränkt nicht nur den Handlungsspielraum künftiger Regierungen ein, sondern er steht auch im Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz; denn durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag in Verbindung mit den Entschädigungszahlungen wird nicht nur die Freiheit der kommenden Generationen eingeschränkt, sondern auch die Flexibilität und Freiheit in der Gegenwart. Weniger Freiheit, meine Damen und Herren, geht gar nicht.

Noch mal zu den Entschädigungszahlungen. Ich habe schon in der damaligen Debatte über den öffentlich-rechtlichen Vertrag ganz klar gesagt: Wenn der Staat in die Wirtschaft eingreift, muss entschädigt werden – das steht völlig außer Frage –, und wie man zu dieser Entschädigung kommt, muss ganz klar auf den Tisch. Man spricht auch von vollständiger Transparenz. Das ist genau unser Kritikpunkt: Das Wirtschaftsministerium spricht nun – ich zitiere – von einer Freihändigkeit des Verfahrens. Durch den komplexen Sachverhalt könne keine Formel zur Berechnung der Entschädigungen genutzt werden. – Wie darf ich mir das jetzt vorstellen? Sie haben eine Summe festgelegt, ohne eine Berechnung anzustellen? Wie sind Sie denn auf den Zinssatz von 7,5 Prozent für entgangene Gewinne gekommen?

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Sehr gute Frage!)

Haben Sie gewürfelt, meine Damen und Herren?

(Frank Sitta [FDP]: Milchmädchenrechnung!)

Meine Bewertung an der Stelle lautet: Durchgefallen!

Und jetzt kommt es: Im März kam ein Bericht aus Brüssel, aus dem wir die Einzelheiten erfahren haben. Das ist an sich schon eine Farce. Aber die Einschätzung der Kommission setzt dem noch die Krone auf, und zwar hat sie erhebliche Zweifel, ob die entgangenen Gewinne dem möglichen Minimum entsprechen. Sie hat Zweifel an der Richtigkeit der Nutzungsdauer. Sie hat Zweifel, ob Investitionskosten zur Modernisierung einbezogen wurden. Zudem wurden nicht für alle Anlagen Daten übermittelt. – Das ist nur ein ganz, ganz kleiner Auszug aus den Bedenken, die die Kommission hat. Wer soll denn da noch was glauben? Falls das Ergebnis positiv ausfällt, meine Damen und Herren, würde die Bemängelung durch die Kommission die Anpassungsklausel im öffentlich-rechtlichen Vertrag aktivieren. Das bedeutet: Alles wieder von vorn, ein Rattenschwanz an Nachverhandlungen, immer und immer mehr Probleme.

Ich will es zusammenfassen. An diesem Beispiel erkennt man ganz deutlich: Ein staatliches Mikromanagement, wie es sonst nur bei den Grünen üblich ist, führt in diesem Fall zu schwerwiegenden Problemen, die nicht sein müssten. Solch eine Salamitaktik, um Informationen unter Verschluss zu halten, geht auf lange Sicht nicht auf. Eine Nachberechnung der Entschädigungen könnte in diesem Fall sogar sinnvoll sein. Dann wäre zumindest die Transparenz gegeben, die man von der Regierung jetzt augenscheinlich nicht erwarten kann.

Ich kann es nur immer wieder wiederholen: Ein Kohleausstieg über den Emissionshandel wäre der bessere Weg. Er wäre erstens marktbasiert, er wäre zweitens schneller als die derzeitige Lösung, er wäre drittens im Einklang mit unseren europäischen Nachbarn, und er würde viertens – und das ist, glaube ich, ganz wichtig, da wir über hohe Summen reden – die Bürger keine Milliarden an Steuergeldern kosten. Das ist, glaube ich, die Botschaft an der Stelle.

Ich wünsche Ihnen schöne Pfingsten. Danke schön.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herzlichen Dank. – Als nächster Redner kommt Lorenz G. Beutin von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7523496
Wahlperiode 19
Sitzung 231
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde – Entschädigungszahlungen für Braunkohlekraftwerke
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