Georg KippelsCDU/CSU - Aktuelle Stunde – Entschädigungszahlungen für Braunkohlekraftwerke
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger in den Revieren! Die Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus. Es kommt dann zu den immer wiederkehrenden Empörungsritualen der Grünen, insbesondere wenn es um das Thema der Energiekonzerne und den Strukturwandel geht. Daran sind wir gewöhnt. Es hat in diesem Fall ein bisschen lange gedauert; das Gesetz ist ja am 3. Juli 2020 verabschiedet worden. Offenbar hat man also längere Zeit gebraucht, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob die 4,35 Milliarden Euro Entschädigung angemessen oder unangemessen sind, ob man sie nachvollziehen kann,
(Zurufe der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
ob man sich Fragen zurechtlegen soll oder ob nicht möglicherweise doch diese Dimension in Ansehung der Größenordnung der Aufgabe, die wir mit dem Strukturstärkungsgesetz und dem Kohleausstiegsgesetz bewältigt haben, angemessen sein könnte.
Kurzum: Wir müssen uns mit dieser Frage heute nun mal beschäftigen; das tun wir sehr gern. Ich finde es nur außerordentlich unredlich, dass hier immer wieder eine argumentative Rosinenpickerei betrieben wird. Auch diesen Vorwurf kann ich Ihnen, Herr Krischer, nicht ersparen: In Ihrem Redebeitrag eben wurden minutiös die Punkte herausgepickt, die Ihnen in der Darstellung gefallen. Aber darüber, womit man sich sinnvollerweise oder zur Abrundung des Bildes beschäftigen müsste, schweigen Sie sich aus. Ich mache das ganz konkret, damit wir uns auch an der Argumentation abarbeiten können.
Sie haben eben die Dimension von 4,35 Milliarden Euro als unvorstellbar groß beschrieben. Ich weiß jetzt nicht, wo der Bezugspunkt ist, aber ich habe einen Bezugspunkt: Aus dem jetzt in die Endphase kommenden Verfahren zum Atomausstieg steht derzeit eine Summe von 2,43 Milliarden Euro als zusätzliche Entschädigung im Raum. Sie wurde von Gerichten empfohlen. Im Moment laufen die Vergleichsverhandlungen. Aber entscheidend ist jedenfalls, dass innerhalb eines rechtsstaatlichen Verfahrens ganz offensichtlich Positionen bewertet worden sind – und zwar nicht hinter verschlossenen Türen, sondern in Gerichtssälen –, die erkennen ließen, dass der vorzeitige Eingriff in ein Unternehmenssystem es rechtfertigt, unter Berücksichtigung bestimmter Positionen Entschädigungsleistungen erbringen zu müssen. Und das ist der springende Punkt: erbringen zu müssen.
In diesen – bislang knappen – Ausführungen des Gerichts gibt es den interessanten Hinweis, dass nicht nur der entgangene Gewinn, der zugegebenermaßen vom CO
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das war Ihre Laufzeitverlängerung! – Weiterer Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie haben eben wunderbar auf das Kraftwerk Weisweiler verwiesen, wo Sie sich auch für einen Tweet haben ablichten lassen. Nur, Weisweiler ist mit Sicherheit das mit Abstand schlechteste Beispiel, um eine Vergütungsrechtfertigung darzustellen. Hätten Sie sich vielleicht mal vor die BoA-Blöcke in Neurath gestellt! Die sind 2012 in Betrieb genommen worden, Investitionssumme: 2,6 Milliarden Euro bei einer Abschreibungsperspektive von 25 bis 30 Jahren; davon sind jetzt gerade mal 9 vergangen. Da haben wir einen entscheidenden Berechnungspunkt, wo vergebliche Investitionen vergütet werden müssen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die werden doch erst nach 2038 stillgelegt nach Ihren Vorstellungen! – Weiterer Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der zweite Punkt, der eben so ein bisschen beiläufig dargestellt worden ist, betrifft die Tagebaue. Die Tagebaue haben einen lange geplanten Ablauf, der jetzt im Grunde genommen vollkommen über Bord geworfen wird. Wir haben nicht die sukzessive Bearbeitung im Rahmen des Braunkohleabbaus, sondern wir müssen von Grund auf eine neue Planung und vor allen Dingen eine Mengenbewegung in enormer Größenordnung durchführen. Das ist im Augenblick kalkulatorisch noch gar nicht abzusehen, weil wir nicht wissen, wie die Bodenqualitäten sind und ob die tektonischen Verhältnisse geklärt werden können.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden wie der Pressesprecher von RWE! – Weiterer Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie haben eben – natürlich auch mit Blick auf meine üblichen Einwendungen – noch mal die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genannt. Ja, aber das Geld fließt nicht einfach in die Kassen der Konzerne, sondern das sind die liquiden Mittel, aus denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch die, die gerade kein APG erhalten, in den nächsten Jahren eine Vergütung erhalten müssen – 9 000 Mitarbeiter mit zahlreichen Familien, die auch durch die soziale Verantwortung des Unternehmens eine Perspektive geboten bekommen müssen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])
Alles das fließt in diese Berechnungssumme ein, die mit Sicherheit nachvollziehbar darzustellen ist.
Eines will ich dazu noch sagen: Selbst die Kohlekommission hat in ihrem ausführlichen Papier sofort erkannt, dass es hier nicht mit einer Berechnung, sondern nur mit einem ausgewogenen Verhandlungsmodell zu Rechtsfrieden kommen kann. Der Rechtsfrieden war beabsichtigt.
(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie wollen den nicht. Und deshalb müssen wir uns mit dieser Frage jetzt überflüssigerweise auseinandersetzen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523504 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Entschädigungszahlungen für Braunkohlekraftwerke |