09.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 232 / Zusatzpunkt 1

Wieland SchinnenburgFDP - Aktuelle Stunde - Presseberichte über vermeintlich minderwertige Masken

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, es stimmt, die Coronapandemie war die größte Herausforderung seit Jahrzehnten für die Welt, für Deutschland. Minister Spahn ist derjenige, in dessen Ressort sie fällt. Jeder – ich zumindest – hätte immer Verständnis dafür, dass da auch einmal was danebengeht; gar keine Frage.

Aber, meine Damen und Herren, auch in solchen Krisen gilt ein Grundsatz: Ein Minister muss wenigstens zwei Dinge leisten: Offenheit und Selbstkritik. Minister Spahn wird heute in den Medien mit dem Satz von gestern zitiert – ich zitiere mit der Erlaubnis der Präsidentin –: „Da, wo ich herkomme ... sagt man Entschuldigung ...“ Gute Idee, Herr Minister. Dann fangen Sie doch mal selber damit an.

Entschuldigen Sie sich einmal für die vielen Fehler, die Sie jetzt gemacht haben. Lassen Sie mich die wichtigsten aufzählen; ich konzentriere mich wesentlich auf die Frage der Masken.

Erster Punkt. Sie haben dieses Land auf diese Pandemie nicht vorbereitet. Zu Beginn der Pandemie gab es praktisch keine Schutzausrüstung in Deutschland, obwohl seit 2013 bereits Krisenszenarien vorlagen, die genau das verlangen. Sie haben bereits vor der Pandemie versagt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Besserwisser!)

Der zweite Punkt. Als die Pandemie dann da war, haben Sie wochenlang gebraucht, um zu reagieren. Schließlich haben Sie für über 6 Milliarden Euro Schutzausrüstung eingekauft – zu völlig überteuerten Preisen und in ganz vielen Fällen mit unzureichender Qualität, meine Damen und Herren. Auch das geht nicht.

Dritter Punkt. Anstatt das einzuräumen und Konsequenzen zu ziehen, haben Sie einen neuen, für meine Begriffe völlig unzureichenden Prüfstandard für Masken erfunden oder erfinden lassen, den CPI-Prüfungsstandard. Dieser ist tatsächlich unzureichend. Dabei geht es am wenigsten darum, ob nun die Temperaturtestung gemacht wurde oder nicht. Es geht vor allem darum, dass zwar zig Millionen Masken stichprobenartig geprüft wurden, nicht aber die Herstellungseinrichtungen. Das gehört bei Medizinprodukten aber immer dazu: Es werden nicht nur in Stichproben einzelne Produkte geprüft, sondern es werden auch die Fertigungsanlagen geprüft. Das konnten Sie nicht machen, weil sie in China sind. Allein deshalb ist der CPI-Standard schon völlig unzureichend und gewährleistet den Bürgern dieses Landes keine Sicherheit, weder den Obdachlosen noch anderen Menschen, meine Damen und Herren. So geht es nicht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Besserwisser!)

Der vierte Punkt. Sie haben es auch jetzt nicht geschafft, eine Nationale Reserve Gesundheitsschutz aufzubauen; sie steckt bestenfalls in den Kinderschuhen. Der Hohn ist: Dort haben Sie vor allem genau diese CPI-Masken eingelagert. Mit anderen Worten: Wenn die nächste Pandemie kommt, dann dürfen sich alle Bürger mit Ihren unzureichenden Masken versorgen. Es allein ist schon ein Skandal, dass Sie es uns zumuten wollen, bei der nächsten Pandemie mit Ihren Masken auskommen zu müssen. So geht es nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Fünftens. Sie haben Ende 2020 Schutzmasken für 2,5 Milliarden Euro an besonders gefährdete Personen, ich wollte gerade sagen: verteilt. Das haben Sie gerade nicht gemacht. Sie haben Gutscheine verschickt für 2,5 Milliarden Euro, etwa 70 Euro pro Person; das ist kein Witz. 70 Euro pro Person für ein paar Schutzmasken. Und das Schlimmste daran war: Diese Personen bekamen nicht etwa Schutzmasken nach Hause, sondern sie mussten mit diesen Gutscheinen ungeimpft in die gefährliche Umgebung gehen, wenn sie ihre Schutzmasken dort abholten. Meine Damen und Herren, wenn Sie schon viel Geld ausgeben, dann schicken Sie den Leuten die Masken wenigstens zu, damit sie sich nicht zusätzlich gefährden müssen. Auch was Sie da gemacht haben, ist ein Skandal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Sechstens. Steuergeldverschwendung ist ein Markenzeichen dieses Ministers. Seit Amtsantritt hat er fast 200 Stellen in seinem Ministerium zusätzlich geschaffen, und zwar bereits vor der Pandemie.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Doch, das können Sie nachlesen. Das habe ich alles gefragt. Machen Sie doch mal eine Kleine Anfrage. Ich mache das gerne, da erfährt man viel.

(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

Sie haben über 500 Millionen Euro für zusätzliche Intensivbetten ausgegeben. Parallel dazu ist die Zahl der verfügbaren Intensivbetten zurückgegangen. Das muss man auch erst mal schaffen, meine Damen und Herren.

Auch die Verschwendung von Geld bei den Testzentren haben Sie, Herr Minister Spahn, mit zu verantworten. Es ist richtig, die Länder müssen die Kontrollen machen; aber die Kontrollgrundsätze werden vom Bund gemacht. Da haben Sie versagt. Sie haben keine ausreichenden Kontrollgrundsätze entwickelt. Sie wollen die jetzt nachbessern, was zeigt, dass sie am Anfang unzureichend waren. Auch die Geldverschwendung bei den Testzentren haben Sie mit zu verantworten, Herr Minister Spahn. Auch das passt zu dem Gesamtbild, das Sie hier abgeben.

Siebter Punkt. Sie haben auch mit zu verantworten, dass dieses Land viel zu wenig Impfstoffe bekommen hat. Ja, die Verträge wurden von der EU geschlossen. Aber wer hat denn die Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 gehabt? Deutschland! Und wer hatte in dieser Zeit den Vorsitz bei den EU-Ministern für Gesundheit? Herr Spahn. Herr Spahn, Sie hätten eingreifen müssen, als Sie feststellten, dass die EU falsche Verträge macht. Somit sind Sie auch mitverantwortlich dafür, dass dieses Land nach wie vor viel zu wenig Impfstoffe hat, viel weniger als manch andere Länder, die bessere Verträge geschlossen haben.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Die FDP weiß nachher immer alles besser!)

Meine Damen und Herren, finden Sie nicht auch, das sind ein paar Fehler zu viel? Nun, die SPD versucht ja hier, daraus Honig zu saugen. Meine Damen und Herren, das reicht nicht. Ich habe Minister Scholz vor drei Wochen hier gefragt, was er gegen die Geldverschwendung getan hat. Antwort: Er vertraut Minister Spahn. Das ist eines Finanzministers unwürdig. Ein Finanzminister hat auf das Steuergeld zu achten und nicht einen Minister einfach machen zu lassen.

Die Forderungen der Freien Demokraten, Herr Minister Spahn, sind drei: Erstens. Entschuldigen Sie sich hier und heute für Ihre Fehler. Zweitens. Gehen Sie sorgfältig mit Steuergeld um. Drittens. Denken Sie künftig ein bisschen länger nach, bevor Sie Versprechungen machen, die Sie nicht halten können.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Tino Sorge [CDU/CSU]: Herr Kollege, lieber gar nicht reden als falsch reden! – Paul Ziemiak [CDU/CSU]: War nix heute! – Jan Korte [DIE LINKE]: War gar nicht schlecht! – Paul Ziemiak [CDU/CSU], an den Abg. Dr. Wieland Schinnenburg [FDP] gewandt: Sie haben Applaus von den Linken bekommen! Kein gutes Omen!)

Das Wort hat die Kollegin Maria Klein-Schmeink für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526319
Wahlperiode 19
Sitzung 232
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Presseberichte über vermeintlich minderwertige Masken
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