Marian WendtCDU/CSU - Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2020
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für den schönen Gruß zum Geburtstag. Jawohl, es ist eine Freude und ein schönes Geschenk, diesen Jahresbericht 2020 heute vorbringen zu können und auch an den Präsidenten übergeben zu haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie viel wissen Sie über den blutigen Konflikt in Kamerun? Was glauben Sie, wie viele Familien noch heute unter den Folgen der Zwangsadoption zu Zeiten der DDR leiden? Oder kennen Sie die Probleme von Patienten, die zur Behandlung ihrer Schmerzen Cannabis verschrieben bekommen und sich dennoch oft einem Strafverfahren stellen müssen? Diese und andere Fälle sind die Grundlage unserer Arbeit im Petitionsausschuss. Mit der schieren Bandbreite, die ich beschrieben habe, beschäftigen wir uns regelmäßig; wir gehen den Fragen auf den Grund. Der Petitionsausschuss des Bundestages mischt sich in Themen ein, die wesentliche Teile unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger bewegen. Wir tragen sie letztlich in dieses Parlament, auch wenn sie nicht immer auf Platz eins des öffentlichen Fokus stehen.
Während zu Beginn dieser Legislatur im Jahre 2017 noch gut 11 500 Petitionen jährlich beim Ausschuss eingingen, waren es inzwischen gut 14 300 Petitionen im Jahr 2020. Das ist ein Zuwachs um 25 Prozent. Etwas über die Hälfte dieser Eingaben enthielt Beschwerden im Einzelfall, 43 Prozent enthielten Anregungen zur Gesetzgebung. Während der Anteil persönlicher Beschwerden zu Beginn dieser Legislatur mit knapp 80 Prozent noch deutlich überwog, hat sich der Anteil konstruktiver Vorschläge zur Gesetzgebung bis Ende letzten Jahres um 50 Prozent gesteigert und ist fast gleichauf mit den persönlichen Anliegen. Dies zeigt: Bürgerinnen und Bürger wollen sich beteiligen, sich stärker mit ihren persönlichen Ideen für die Zukunft unseres Landes einsetzen. Das Petitionsrecht ist dabei zu einem bereichernden Instrument direkter Demokratie geworden und wird von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern auch als solches verstanden. Diese positive Entwicklung macht mich als Vorsitzenden persönlich sehr stolz.
Wie zu erwarten war, stand das vergangene Jahr auch für uns mit rund 1 800 Petitionen im Zeichen der Coronapandemie. Viele der Petitionen sind dem Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit zuzuordnen. Gerne möchte ich dem BMG an dieser Stelle für die wirklich stets gute Zusammenarbeit – trotz der widrigen Umstände – danken. Besonders freut mich, dass Jens Spahn als einziger Minister persönlich sein Haus regelmäßig in öffentlichen Anhörungen vertritt und sich den Fragen unseres Ausschusses stellt. Ganz herzlichen Dank!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Petitionen dienen dem Parlament als wichtiger Gradmesser für die Umsetzung von Gesetzen und zeigen auf, was die Menschen bewegt. Die Mitglieder des Ausschusses bemühen sich mit großem Engagement, für jeden Einzelnen die bestmögliche Lösung zu erreichen. Bei sehr komplexen Themen kann sich die Bearbeitung auch über mehrere Jahre strecken. Aber wenn am Ende ein gutes Ergebnis herauskommt, lohnt sich die Mühe. So ist es beispielsweise bei der Petition zu den gestohlenen Kindern der DDR, die ich damals als eine meiner ersten Amtshandlungen im April 2018 übernommen habe. In den vergangenen dreieinhalb Jahren konnten wir sehr viele gute, konstruktive Gespräche im Hause mit den Betroffenen und der Bundesregierung führen und Gesetzesänderungen initiieren. Ich bin nun zuversichtlich, dass wir dies in der letzten Sitzungswoche dieser Legislaturperiode zu einem guten Abschluss bringen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an keiner anderen Stelle dieses Parlaments – das zeigt dieses Beispiel – ist man näher an den Bürgerinnen und Bürgern und ihren Themen dran als im Petitionsausschuss. Die Arbeit macht mir persönlich viel Freude und am Ende häufig auch einen Unterschied für unsere Petenten, wenn wir als Ausschuss ein gutes Ergebnis vortragen.
In 26 Ausschusssitzungen wurden letztes Jahr 727 Petitionen zur Einzelberatung aufgerufen; das sind übrigens fast 75 Prozent mehr als zu Beginn dieser Legislatur. Mehr als eine halbe Million Menschen haben sich im Onlineportal des Petitionsausschusses neu registriert. Inzwischen zählt unser Portal annähernd 3,7 Millionen registrierte Nutzerinnen und Nutzer. Das sind gut 1,6 Millionen mehr als zu Beginn dieser Wahlperiode.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ist das nicht Wahnsinn!)
Das sind doppelt so viele registrierte Nutzer, wie es aktive Accounts bei Twitter in Deutschland gibt. Ich finde, auch das ist anerkennenswert.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Mit dem Instrument der öffentlichen Petition leistet der Petitionsausschuss einen wichtigen Beitrag zur Onlinepräsenz des Deutschen Bundestages und zur Versachlichung einer Debatte. Ich glaube, das können wir uns im Sinne einer ordentlichen parlamentarischen Diskussionskultur nur sehr wünschen.
890 Petitionen wurden auf der Internetplattform veröffentlicht und diskutiert – wiederum ein gutes Viertel mehr als noch zu Beginn dieser Legislaturperiode. Insgesamt konnten wir knapp 1 Million Mitzeichnungen, also Unterschriften, zählen.
Im Gegensatz zu mancher Diskussion bei Twitter oder anderen sozialen Medien werden Debatten auf unserer Plattform konstruktiv und mit Respekt für den Standpunkt des anderen geführt. Wir geben Petenten die Möglichkeit, ihre Themen öffentlichkeitswirksam zu platzieren, um Unterstützung für ihr Anliegen oder ihre Ideen zu gewinnen. Das große Engagement der Bürgerinnen und Bürger führte 2020 dazu, dass elf Petitionen das Quorum von 50 000 Mitzeichnungen erreichten und somit in einer öffentlichen Anhörung beraten wurden. Ich möchte folgende besonders hervorheben: Eine Petition war die Eingabe einer Petentin aus Hongkong, die Sanktionen der Bundesrepublik gegen das chinesische Regime wegen dessen fortlaufender Angriffe auf die Demokratie und die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger Hongkongs forderte. Eine andere Petition beschäftigte sich unter anderem mit der CO2-Kennzeichnung für Lebensmittel, die Bürgerinnen und Bürger zu einem umwelt- und klimabewussteren Einkauf befähigen sollte. Ebenso beschäftigte uns in öffentlicher Sitzung die Petition zur Verlängerung und rechtssicheren Ausgestaltung von Soforthilfen für Selbstständige, damit sie die Coronapandemie wirtschaftlich überstehen.
All diese Petitionen greifen – das zeigen die Beispiele – höchst relevante Themen auf. Ich bin unseren Petenten sehr dankbar für ihr Engagement und ihre ehrenamtliche Einsatzbereitschaft für ein höheres Gut und eine bessere Zukunft, teils, wie im Fall der Hongkonger Petentin, unter Inkaufnahme eines hohen persönlichen Risikos. Dieser zivilgesellschaftliche Einsatz für Freiheit und Demokratie kann uns allen nur Beispiel sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte deswegen alle Bürgerinnen und Bürger ermutigen, ihr Petitionsrecht wahrzunehmen. Egal ob es sich um ein ganz persönliches Anliegen im Konflikt mit Behörden oder eine Idee zur politischen Gestaltung handelt, die Mitglieder des Petitionsausschusses werden sich Ihrer Angelegenheit mit Engagement und Sorgfalt annehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach vier Jahren erfolgreicher Arbeit stehen wir nun vor dem Ende dieser Legislaturperiode. Ich selber werde dem 20. Deutschen Bundestag nicht mehr angehören. Bitte erlauben Sie mir daher an dieser Stelle, mich bei allen Mitgliedern unseres Ausschusses sehr herzlich für die stets kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu bedanken.
(Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Gemeinsam haben wir in den letzten vier Jahren viele spannende Diskussionen zu den unterschiedlichsten Themen geführt. Trotz teilweise unterschiedlicher und großer inhaltlicher Differenzen stritten wir immer fair und mit Respekt für unser Gegenüber.
(Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir sind ein gutes Team, und das hat mich als Vorsitzender mit Stolz erfüllt. Ich würde mich freuen, wenn nur der halbe Geist unseres Ausschusses in den Debatten des Plenums Eingang finden würde.
Aber ohne die exzellenten Vorbereitungen unseres Ausschussdienstes hätten wir das hohe Niveau unserer Zusammenarbeit besonders in diesen herausfordernden Zeiten nicht leisten können. Stellvertretend für den ganzen Ausschuss haben hinter mir Herr Dr. Paschmanns und Herr Dr. Janß Platz genommen. Ihnen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Ausschussdienstes möchte ich von Herzen danken.
(Beifall im ganzen Hause)
Als ich 2018 Mitglied des Petitionsausschusses wurde, galt die Arbeit in diesem Gremium manchem noch als Bürde, als etwas, was gemacht werden musste, um an anderer, vermeintlich spannenderer Stelle mitarbeiten zu dürfen. Nach knapp vier intensiven Jahren der Ausschussarbeit möchte ich Ihnen und besonders den künftigen Mitgliedern dieses Hauses heute eines ans Herz legen: Gehen Sie in den Petitionsausschuss. Sie werden viel mehr über unser Land und unsere Mitmenschen lernen als an jeder anderen Stelle in diesem Haus.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und was noch wichtiger ist: Sie können Menschen in konkreten Notlagen helfen und im Einzelfall mitunter mehr bewirken als im ganzen Verlauf eines Gesetzgebungsverfahrens.
Obgleich ich in naher Zukunft nicht mehr Mitglied dieses Hauses sein werde, möchte ich Ihnen versichern: Ich bleibe ein Botschafter des Petitionsausschusses. Dort arbeiten tolle Menschen, die sich mit voller Kraft für unsere Petenten und unser Land einsetzen. Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger können sich voll auf sie verlassen. Das macht sie stolz. – Ich kann Ihnen zum Schluss nur zurufen: Werden auch Sie alle hier im Hause und dort draußen Botschafter dieses wunderbaren Ausschusses!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Marian Wendt.
Ich möchte mich diesem Dank anschließen und Ihnen und allen Mitgliedern im Petitionsausschuss von ganzem Herzen danken. Ich glaube in der Tat: Kaum jemand, der nicht im Ausschuss arbeitet, hat eine Vorstellung davon, was Sie wuppen und was Sie wirklich leisten. Mit Ihrer Arbeit garantieren Sie, dass es Bürger- und Bürgerinnennähe gibt. Mit Ihrer Arbeit und Ihrem Engagement zeigen Sie, was „Herzkammer der Demokratie“ dieses Parlaments bedeutet, indem Sie nah dran sind an den Sorgen und Problemen der Menschen. Ich danke Ihnen wirklich von ganzem Herzen! Das gilt für alle, die in diesem Ausschuss mitgearbeitet haben. Sie haben gesagt, Sie seien ein Team. Das kann man von den allermeisten Ausschüssen nicht behaupten. Tatsächlich ist es so, dass die Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss ihre Arbeit und ihr Engagement immer in den Vordergrund gestellt haben, auch über Parteigrenzen hinweg. Dafür von Herzen danke!
Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute. Und vergessen Sie unsere Verabredung nicht!
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Ralf Kapschack.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526331 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2020 |