09.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 232 / Tagesordnungspunkt 7

Max StraubingerCDU/CSU - Lehren aus dem 6. Armuts- und Reichtumsbericht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am Ende dieser Debatte zum Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ist festzustellen, dass die zentralen Aussagen sehr positiv sind, nämlich dass Einkommenszuwächse in den letzten Jahren großartig über alle Einkommensgruppen feststellbar sind. Das Nettoäquivalenzeinkommen ist um rund 3,5 Prozent gestiegen. Aber wenn das über alle Einkommensgruppen steigt – bei den Geringverdienern, bei den Niedrigverdienern genauso wie bei denen, die im mittleren Bereich verdienen –, dann kann es natürlich auch keine Verschiebungen nach unten und oben in soziologischer Form geben. Natürlich wird es bei solchen Einteilungen immer sogenannte Arme geben.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Selbst wenn Ihr Programm, Herr Strengmann-Kuhn, mit einem sanktionslosen Grundeinkommen in Höhe von 1 200 Euro durchkommen würde, dann würden Sie die Bürger, die dies bekommen, später als arm bezeichnen gegenüber denen, die wesentlich mehr verdienen.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das ist der Unterschied zwischen Median und Durchschnitt!)

– Ja, natürlich. Sie bezeichnen ja heute auch die Menschen in unserem Land, für die die Grundsicherung eine große soziale Stütze ist, als arm. Das ist immer Ihre Definition, die Sie an den Tag legen. Und in Wirklichkeit ist es so, dass wir stolz sein dürfen auf den Sozialstaat und auf die Errungenschaften des Sozialstaates, die wir hier mit geschaffen haben, werte Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Straubinger, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen?

Ja, gerne.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Straubinger, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben eben behauptet: Selbst dann, wenn alle Menschen 1 200 Euro bekommen würden, zum Beispiel durch ein Grundeinkommen, was nicht in unserem Antrag steht, aber was ich durchaus sinnvoll fände, würde es Armut geben.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!)

Das stimmt nicht.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Doch!)

Armut ist nach der Definition bei weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens gegeben. Wenn es eine untere Grenze gäbe – durch die Garantiesicherung, durch ein Grundeinkommen, wie auch immer gestaltet – und diese über diesen 60 Prozent läge, dann wäre niemand mehr arm. Durch ein Grundeinkommen oder eine Garantiesicherung oder durch eine Garantie des Existenzminimums ändert sich das Medianeinkommen nicht, wenn man das richtig gut macht.

Natürlich.

Es hängt davon ab, wie man es finanziert. Wenn man es gut finanziert, nämlich von oben nach unten umverteilt, dann ändert sich das Medianeinkommen nicht, idealerweise steigt das Medianeinkommen sogar und dann sind die Menschen nicht arm. Das heißt, man kann durch so eine Maßnahme tatsächlich auch Armut überwinden. Anderenfalls gäbe es ja auch nicht unterschiedliche Armutsquoten in den unterschiedlichen Ländern. Es gibt Länder, die stehen viel besser da als Deutschland.

Herr Kollege, Sie wollten eine Frage stellen und kein Korreferat halten.

Also: Die Aussage, die Sie getroffen haben, stimmt leider einfach rein rechnerisch, mathematisch so nicht.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Doch!)

Vielen Dank.

Also ich verstehe Ihre Logik nicht, Herr Strengmann-Kuhn. Das sage ich ganz offen. Denn natürlich werden damit auch viele andere Einkommen zusätzlich steigen, und wir werden wieder einen Median haben. Aber Sie werden die unterste Linie immer als Armut bezeichnen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

– Doch, das ist ja Ihr Programm. Wir haben das erlebt. Sie waren ja Mitbegründer. Ich weiß nicht, ob Sie damals im Parlament waren. Unter Rot-Grün wurde die Grundsicherung eingeführt. Sie haben gesagt: Die Grundsicherung hebt letztlich ab von der früheren Sozialhilfe. – Das stimmt auch. Sie war nur falsch finanziert.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Keine Ahnung vom Unterschied zwischen Median und Durchschnitt!)

Die Kommunen mussten sie finanzieren. Sie haben seinerzeit in der politischen Begründung festgestellt, dass das letztendlich das Herausführen der Menschen aus der Armut bedeutet. Das waren Ihre Begründungen unter Rot-Grün. Mittlerweile ist das für Sie in der politischen Auseinandersetzung Armut geworden. Das ist doch die Realität, die wir hier zu verzeichnen haben.

Deshalb ist es wesentlich besser, weniger auf die Sozialleistungen des Staates angewiesen zu sein. Vielmehr muss der Staat Rahmenbedingungen schaffen, dass jeder in eigener Verantwortung Erwerbseinkommen erzielen kann – unabhängig davon, ob das Niedriglohn oder Sonstiges ist. Selbst der Niedriglohn ermöglicht ein höheres Einkommen als das staatliche Einkommen. Das muss auch weiterhin so sein, weil sich sonst keiner mehr anstrengen würde. Das muss man doch auch sehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Von daher können wir stolz sein auf das Erreichte, weil wir in den vergangenen 16 Jahren der Bundesregierung unter Angela Merkel mehr Erwerbstätigkeit geschaffen haben. Das muss man hier feststellen. Das ist mit Einkommenszuwächsen verbunden. Das ist mit der Absenkung der Langzeitarbeitslosigkeit verbunden. Bis 2019 haben wir die niedrigste Langzeitarbeitslosigkeit in unserem Land erreicht. Selbst die Herausforderung der Covid-Pandemie hat dazu geführt, dass sie nicht signifikant angestiegen ist. Mit Kurzarbeit und mit weiteren sozialen Maßnahmen haben wir es ermöglicht, dass die Menschen weiterhin eine vernünftige Grundlage für ihren Lebensunterhalt bekommen haben. Das ist die großartige Leistung dieser Bundesregierung, die wir mit herbeigeführt haben, werte Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was sagt dieser Bericht noch? Dass der soziale Aufstieg möglich ist in unserem Land! Das bedeutet natürlich: Sozialer Aufstieg ist auch mit Anstrengung verbunden und nicht mit bedingungslosem Grundeinkommen, wie Sie es in Ihren Anträgen präferieren,

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben unsere Anträge gar nicht gelesen! Da steht das gar nicht drin!)

wie es Die Linke in ihren Anträgen präferiert und auch – in abgewandelter Form – die SPD. Wir müssen die Leistungsbereitschaft der Menschen fördern, um sie damit in die Lage zu versetzen, ein hervorragendes, ausreichendes Einkommen zu erzielen.

Heute ist bei einzelnen Debattenbeiträgen so ungefähr durchgeschimmert, Eigentumsbildung sei was Schlimmes. Wir stehen für Eigentumsbildung, für Wohneigentumsbildung. Wir haben es mit dem Baukindergeld durchgesetzt, das rege in Anspruch genommen worden ist und wodurch letztendlich im Alter eine Stütze vorhanden ist, weil man eine gute Wohnversorgung hat. Hier sind wir in diesem Land gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Das bedeutet, dass man unser Bauen nicht noch zusätzlich verteuern darf. Wir haben es in den vergangenen Jahren schon dermaßen verteuert. Aber wenn wir jetzt auch noch zusätzlich eine Fotovoltaikanlage vorschreiben, dann kann sich bald überhaupt keiner mehr ein Haus bauen. Das muss man doch auch sehen.

(Zuruf des Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Also von daher ist es notwendig, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen, sodass die Menschen die Möglichkeit der Qualifizierung haben; das ist mit entscheidend. Kollege Zimmer hat auf die Bildung hingewiesen. Jeder hat Zugang zu guter Bildung. Aber das bedeutet auch, eigene Anstrengungen zu unternehmen. Ich wende mich dagegen, das ständig nur damit abzutun, die einen hätten reiche Eltern und damit auch eine bessere Bildung. Wenn man sich anstrengt, kann jeder aufs Gymnasium gehen,

(Abg. Katja Kipping [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

unabhängig davon, ob die Eltern reich oder arm sind. Das ist überall möglich, verehrte Damen und Herren.

(Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht einmal in Bayern! – Zuruf der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])

Herr Kollege.

In diesem Sinne wünsche ich uns einen weiteren starken Wettstreit, dann natürlich auch im Bundestagswahlkampf.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Kipping [DIE LINKE]: Der hat keine Seite von diesem Bericht gelesen! Da bin ich mir sicher!)

Vielen Dank, Herr Kollege Straubinger. – Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Dagmar Schmidt, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526351
Wahlperiode 19
Sitzung 232
Tagesordnungspunkt Lehren aus dem 6. Armuts- und Reichtumsbericht
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