Volker UllrichCDU/CSU - Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser ehemaliger Fraktionsvorsitzender Volker Kauder hat über viele Jahre lang hier im Deutschen Bundestag hart in der Sache gestritten, aber stets auch die Gemeinsamkeit der Demokraten in diesem Haus betont. Deswegen bin ich ihm sehr dankbar, dass er es sich als eine der letzten parlamentarischen Aufgaben zu eigen gemacht hat, eine solche Stiftung zu befördern. Wenn wir ihre Gründung heute verabschieden, ist das auch sein ganz persönlicher parlamentarischer Erfolg. Dafür sagen wir herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wer in Deutschland im Deutschen Bundestag Politik machen darf, kommt um eine wichtige historische Fragestellung niemals herum: Wie konnte es geschichtlich passieren, dass in einem zivilisierten Land unter der Geltung einer liberalen und sozialen Verfassung wie der Weimarer Reichsverfassung letztlich der Weg zu Nationalsozialismus, Diktatur, Weltkrieg und Holocaust gegangen werden konnte? Deswegen hat jeder Abgeordnete des Deutschen Bundestages und haben alle, die politisch verantwortlich sind, die Aufgabe, Geschichte nicht nur zu verstehen und zu kennen, sondern auch daraus zu lernen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Auch wenn unsere Geschichte mit einem so großen Schattenfleck verbunden ist, der uns auf ewig belastet, dürfen wir nicht vergessen, dass auch in der Zeit vor dem Dritten Reich Demokratiegeschichte in unserem Land gelebt und Menschen für Freiheit und Menschenrechte eingestanden sind.
(Zurufe von der AfD)
Auch wenn das erst mal gescheitert ist, so müssen wir zu Recht auch den Menschen danken und an sie erinnern, die im 19. und im frühen 20. Jahrhundert für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie eingetreten sind. Es ging im 19. Jahrhundert zu Zeiten des Vormärz um die Frage der Meinungsfreiheit, der demokratischen Verfasstheit. Und wenn wir über die Paulskirchenverfassung sprechen, dann sprechen wir über eine moderne, weltoffene, liberale Verfassung.
Ich muss Ihnen widersprechen, Herr Kollege Frömming, wenn Sie sagen, dass die AfD ihren Saal nach der Paulskirche benennen möchte. 1848 wären Sie nicht auf der Seite der Demokraten gestanden,
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Bestimmt!)
sondern so, wie Sie sich heute aufführen, wären Sie auf der Seite der antidemokratischen, absolutistischen Restauration gestanden.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der AfD-Fraktion?
Ja.
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. Ich möchte nicht auf das zuletzt Gesagte eingehen; denn das halte ich nicht für sachlich, Vermutungen anzustellen, wer wo, wann, wie gestanden hätte.
Ich möchte aber zu einer anderen Stelle Ihrer Rede zurückfragen, wie Sie das wirklich gemeint haben oder ob das vielleicht nur ein Versprecher war. Sie bezeichneten, glaube ich, die Zeit des Nationalsozialismus als „Schattenfleck“.
(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Schandfleck! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schandfleck!)
Vielleicht können Sie uns mal erklären, wie Sie das gemeint haben.
Die Zeit des Nationalsozialismus war die der bittersten Stunden unserer Geschichte.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eine Schande, die uns auf ewig bleiben wird. Wir müssen daraus lernen und dürfen die Erinnerungen nicht vergessen.
Ich darf Sie von der AfD daran erinnern, dass Ihr Fraktionsvorsitzender zu Wort gegeben hat, dass die Zeit des Nationalsozialismus „nur ein Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte gewesen wäre. Diese Worte sollten jeden in diesem Hohen Haus beschämen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte daran erinnern, dass trotz des Scheiterns der Paulskirchenverfassung auch im ausgehenden 19. Jahrhundert demokratische Fragen und demokratische Orte in Deutschland entstanden sind, beispielsweise die Frage nach dem Frauenwahlrecht genauso wie Bemühungen, das Kaiserreich zu demokratisieren. Wir müssen an die Weimarer Reichsverfassung denken und an die modernen Gedanken, die in dieser Verfassung, die leider gescheitert ist, verankert waren. Wir müssen in der Tat auch über die Orte der Friedlichen Revolution sprechen: über die Nikolaikirche und andere Orte in Leipzig, in Berlin, in Dresden und in vielen anderen Städten. Und wir müssen diese Orte begreifbar machen.
Es geht darum, dass wir ein Signal an die Menschen in unserem Land aussenden – vor allen Dingen auch an die junge Generation –, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist. Wir müssen sie erfahren, wir müssen sie verteidigen, und wir müssen sie jederzeit leben. Dazu dient diese Stiftung, und deswegen bitte ich Sie um Zustimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullrich. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Katrin Budde, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526363 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte |