Jens LehmannCDU/CSU - Höchstalter für Reservedienstleistende
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab möchte ich mich tatsächlich bei den Antragstellern bedanken,
(Zuruf von der FDP: Gern geschehen!)
dass wir nach diversen Rückzügen von der Tagesordnung nun über diesen durchaus diskutablen Antrag debattieren können. Denn Sie greifen einen Punkt auf, der seit einem Jahr in der Praxis tatsächlich eine Hürde darstellt.
Im Frühjahr vergangenen Jahres rief die Bundeswehr ihre Reservisten auf, sich wegen der Coronapandemie zu melden und ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Dienst zu erklären. Gerade die im Antrag erwähnten Lungenfachärzte sind in der Coronapandemie eine wertvolle Ressource, die genutzt werden muss. Insofern begrüße ich Ihren Antrag, solches Personal weiterhin als Reservist in der Bundeswehr Dienst verrichten zu lassen. An diesem Beispiel zeigt sich, dass wir in Krisenzeiten pragmatisch mit unseren Ressourcen umgehen müssen und uns starre Verfahren, Vorschriften und Verordnungen gelegentlich den notwendigen Pragmatismus nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dann kommt die im Antrag ins Visier genommene Altersgrenze ins Spiel. In der jetzigen Pandemie brauchen wir beispielsweise jeden Lungenfacharzt, der dienen kann und arbeiten will. Aber, werte Kollegen, wir müssen auch über die Folgen Ihres Antrages diskutieren. Das ist aus meiner Sicht enorm wichtig, damit wir Ihre Idee weiter verfolgen können. Denn ich möchte unbedingt eine Zweiklassengesellschaft in der Bundeswehr verhindern, die meiner Ansicht nach entstehen kann, wenn Reservisten generell über das 65. Lebensjahr hinaus dienen können, Berufssoldaten aber je nach Dienstgradgruppe zwischen 55 und 65 Jahren in den Ruhestand versetzt werden.
Meine Damen und Herren, wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Soldaten und Reservisten. Denn der Dienst in der Bundeswehr ist und bleibt herausfordernd. Jahrzehntelanger Dienst in der Truppe geht nicht spurlos am Körper vorbei; das müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen. Deshalb gibt es die bislang geltende Regel ohne Ausnahme, dass Soldaten spätestens mit 65 Jahren in den Ruhestand eintreten. Selbst die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages schreibt in ihrem aktuellen Bericht – Zitat –: „Gerade die Verstärkungsreserve erfordert zudem mehrheitlich lebensjüngere, wehrrechtlich verfügbare Menschen.“
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Faber, FDP-Fraktion?
Ja, gerne.
Danke, Herr Präsident. – Herr Lehmann, vielen Dank, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen. Sie haben eben darauf hingewiesen, dass Sie keine Zweiklassengesellschaft in der Bundeswehr wollen, und darauf abgezielt, dass ja Berufssoldaten schon früher in den Ruhestand gehen. Sind Sie sich denn der Tatsache bewusst, dass es gerade die Idee ist, ausscheidende Zeit- und Berufssoldaten danach als Reservisten zu gewinnen, die dann auch nicht mit 65 Jahren aus dem Reservistendienst ausscheiden müssten? Ist Ihnen bewusst, dass sich das überhaupt nicht widerspricht, sondern es quasi ein Argument dafür ist, diesem Antrag zuzustimmen?
(Beifall bei der FDP)
Ich bin mir dessen bewusst. Ich sehe dies trotzdem als Widerspruch und als eine Zweiklassengesellschaft an.
Wir müssen sorgfältig abwägen, ob die Regelungen, so wie im Antrag gefordert, nicht zu Situationen führen können, die darauf hinauslaufen, dass sich viele rüstige Senioren noch mal einberufen lassen. Stellen Sie sich vor, Sie schaffen das Höchstalter der Reserve ab. Im Endeffekt könnte dann ein altgedienter über 80-Jähriger, der vielleicht 1957 zu den ersten 10 000 Wehrpflichtigen gehörte, beim Truppenarzt vorstellig und in der Reserve der Bundeswehr aktiv werden. Das wünsche ich mir, ehrlich gesagt, nicht, meine Damen und Herren, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dies die Intention Ihres Antrages ist.
Ich möchte keinem älteren Mitbürger die körperliche Fitness absprechen. Aber dennoch sollten wir hier realistisch und ehrlich bleiben. Das sind aus meiner Sicht Argumente, die gegen eine generelle Abschaffung der Höchstaltersgrenze sprechen. Ich befürworte im Bedarfsfall jedoch Einzelfallentscheidungen. Deshalb sollten wir diesen Gedanken weiterverfolgen, wenn es um die Bewältigung von außergewöhnlichen Situationen oder Anforderungen geht, wie wir sie aktuell erleben.
Meine Damen und Herren, der Gedanke der FDP, die Expertise älterer Menschen weiterhin nutzen zu wollen, ist nicht verkehrt, sofern sich diese freiwillig melden. Das Beispiel der Lungenfachärzte aus dem Sanitätsdienst hat uns gezeigt, dass wir alte Regeln unter Umständen anpassen müssen, um zukünftig besser und flexibler auf neue Situationen reagieren zu können.
Daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass ältere und erfahrene Reservisten eingesetzt werden, wenn der Stammtruppenteil den Bedarf anmeldet. Das wäre die Bedingung. Nur wenn die Bundeswehr den Bedarf anmeldet und dringend über 65-jährige Reservisten benötigt, wäre es begrüßenswert, die bisherigen Regeln anzupassen, und zwar dahin gehend, dass im speziellen Einzelfall und nicht mit einer generellen Lösung entschieden wird. Somit können wir Ihrem Antrag in der jetzigen Form momentan nicht zustimmen.
Werte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, ich gebe Ihnen recht: Wir sollten eine Lösung für das Thema Auskleidung finden. Aus Respekt vor der für die Bundeswehr erbrachten Leistungen der Reservisten muss es möglich sein, den altgedienten Soldaten einen Uniformsatz und die damit verbundenen Erinnerungen zu überlassen. Andere Länder zeigen, wie das geht.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich rufe nun den Kollegen Gerold Otten, AfD-Fraktion, auf.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526368 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Höchstalter für Reservedienstleistende |