10.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 233 / Zusatzpunkt 4

Lukas KöhlerFDP - Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, Klimaschutz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ziel des Klimaschutzes ist relativ klar und offensichtlich, und zumindest die meisten Fraktionen dieses Hauses haben sich darauf committet: das 1,5-Grad-Ziel.

Die Neufassung dieses Klimaschutzgesetzes ist aber nicht aufgrund dieser Zielsetzung vorgenommen worden, sondern aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Das muss man sich schon noch mal näher angucken. Frau Schulze, Sie habe es gerade geschafft, leider nichts zum Gesetz zu sagen, aber den Punkt, den das Bundesverfassungsgerichtsurteil aufgemacht hat, falsch aufzugreifen. Sie haben über die konkreten Ziele gesprochen; aber das Bundesverfassungsgericht verpflichtet uns vor allen Dingen, einen Pfad aufzuzeigen, wie wir die Freiheit kommender Generationen schützen. Und das leistet dieses Gesetz nicht, und das ist eigentlich ein Skandal.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte Ihnen auch sagen, warum das so ist. Sie haben in dieser Neufassung vor allen Dingen für die Zeit nach 2030 den Auftrag, diesen Pfad fortzuschreiben. Was Sie jetzt gemacht haben, ist, jährliche Ziele festzulegen. Ich habe mir das mal näher angeguckt: Sie haben von 2032 bis 2034 eine Emissionsminderung von 2 Prozent festgeschrieben, von 2034 bis 2035 3 Prozent, von 2036 bis 2038 wieder 2 Prozent, 2038 bis 2039 wieder 3 Prozent. Beim Betrachten der Jahreszahlen stellt man sich schon die Frage: Hat das jemand gewürfelt? Wie kommen Sie denn darauf, exakt vorgeben zu können, in welchem Jahr was passiert? Fällt einmal ein Stahlwerk aus dem CO2-Ausstoß raus, wird ein Stahlwerk direkt reduziert, dann gibt es sofort einen massiven Sprung in Ihren Jahreszahlen. Es ist doch absurd, zu denken, die Politik heute könnte schon wissen, welche Technologie in 10, 15 Jahren die richtige ist, welche funktioniert hat, wo wir Dinge erreicht haben. Das ist doch Wahnsinn!

Und dann kommen Sie auf die Idee, zu sagen: Na ja, neben diesen Jahressenkungszahlen, die wir vorgeben wollen, haben wir noch Sektorziele. Wenn der Ausfall des Stahlwerks dafür gesorgt hat, dass wir den CO2-Ausstoß meinetwegen im Jahr 2034 – ich weiß es nicht – massiv gesenkt haben, kann es trotzdem sein, dass der Verkehrssektor in diesem Jahr die Reduktion nicht geschafft hat. Dann sind Sie bei Sofortmaßnahmen, und im Gebäudebereich und im Verkehrssektor bedeuten Sofortmaßnahmen ganz harte Einschnitte für Bürgerinnen und Bürger; denn Sofortmaßnahmen, Maßnahmen, die in einem halben Jahr dafür sorgen müssen, dass CO2 reduziert wird, sind zum Beispiel Fahrverbote an Sonntagen oder das Einschränken bei der Heizung. Es kann doch niemand in diesem Hohen Haus wollen, dass wir den Menschen sagen: Ihr dürft in eurer Wohnung nicht wärmer als meinetwegen 20 Grad heizen. – Das kann doch nicht das Ziel eines Sofortprogramms sein! Meine Damen und Herren, das ist doch keine Maßnahme, wie man zu mehr Klimaschutz kommt.

(Beifall bei der FDP – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Sagt doch überhaupt keiner!)

Dann hat das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung aufgegeben, vor allen Dingen nicht nur eine eigene Planung vorzulegen, sondern auch dafür zu sorgen, dass wir eine europäisch eingebundene Strategie haben. Was Sie jetzt gemacht haben, ist aber genau das Gegenteil. Sie haben jetzt im Vorgriff, vor den Verhandlungen in Europa, schon festgelegt, dass Sie bis 2030 – darüber hat das Bundesverfassungsgericht gar nicht gesprochen – auf 65 Prozent hochgehen. Das klingt wahlkampfmäßig nach einer Steigerung der Ambitionen, aber es ist tatsächlich eigentlich nur ein Etikettenschwindel; denn im Bereich des Effort Sharing – nur den können Sie ja hier eigentlich regulieren –, also nicht im Bereich des Emissionshandels, sondern in den Bereichen Verkehr und Wärme, wo es Lastenteilung gibt, werden wir höchstwahrscheinlich sowieso auf 65 Prozent hochgehen müssen. Die Bundesregierung muss natürlich ihre Ambitionen steigern; wir waren bereits bei 55 Prozent.

Jetzt haben Sie sich aber – und das ist das Schlimme – die Verhandlungsmasse weggenommen. Sie haben sich der Verhandlungsmöglichkeit auf europäischer Ebene beraubt, mit den Ländern im Osten Europas reden zu können und zu sagen: Ja, Mensch, wenn wir auf, sagen wir mal, 66 Prozent oder auch nur 64 Prozent hochgehen, dann könnt ihr das und das machen. – Das ist weg, das ist vom Tisch, und das ist doch traurig.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt haben Sie aber – das ist das Fatale – 2045 als Ziel aufgeschrieben, ohne europäisch zu koordinieren. Was passiert denn 2045, wenn wir dann in Deutschland klimaneutral sind? Was passiert dann? Die Emissionen, die dann noch bis 2050 übrig sind, werden per Wasserbetteffekt über ganz Europa verteilt. Im schlimmsten Fall haben Sie für unseren Klimaschutz richtig viele Kosten aufgerufen, um europäisch nichts, aber auch gar nichts zu erreichen. Das ist doch keine Klimapolitik. Das ist ein Abgesang an Vernunft.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie zeigen in diesem Gesetz keinen einzigen Pfad auf, wie Sie das wirklich machen wollen. Sie reden nicht darüber, dass Sie Negativemissionen brauchen. Sie reden nicht darüber, wie Sie schneller europäisch, auch in Deutschland, erneuerbare Energien aufbauen. Sie haben es am Anfang des Jahres noch nicht mal geschafft, das EEG an das neue Ziel der Europäischen Union anzupassen, so wie Sie es in einem eigenen Entschließungsantrag gefordert haben. Sie haben gar nichts erreicht!

(Beifall bei der FDP)

Sie haben ein paar Zahlen aufgeschrieben und sonst nichts für den Klimaschutz getan.

Hätten Sie, wie Sie es als Union auch öfters mal ankündigen, den Emissionshandel ausgeweitet,

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wir haben ihn ausgeweitet!)

ein klares CO2-Limit eingezogen und einen klaren Senkungspfad für die nächsten Jahren aufgezeigt,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Dann wären wir bei 1,40 Euro! Jetzt sind es 40 Cent!)

dann könnte Klimaschutz funktionieren. Was Sie gemacht haben, ist leider nicht mehr als ein netter Wahlkampfversuch. Es ist traurig, dass Sie das als Klimaschutz bezeichnen.

(Beifall bei der FDP)

Nächster Redner ist der Herr Fraktionsvorsitzende der Linken, Dr. Dietmar Bartsch.

(Beifall bei der LINKEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526397
Wahlperiode 19
Sitzung 233
Tagesordnungspunkt Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, Klimaschutz
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