10.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 233 / Zusatzpunkt 4

Kai WhittakerCDU/CSU - Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, Klimaschutz

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts Ihrer sinkenden Umfragewerte amüsiert es mich schon, wie Sie von den Grünen argumentativ um sich schlagen, allen voran leider auch Sie, geschätzte Frau Kollegin Haßelmann. Sie haben uns letzte Woche auf Twitter vorgeworfen, beim Klimaschutzgesetz nichts zu tun, und haben darunter auch noch den Hashtag #Klimaheuchler gepackt.

Ich kann nur sagen: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz ist am 29. April gefällt worden. Das ist exakt 43 Tage her. In der Zwischenzeit gab es zwei Sitzungswochen. In der letzten Sitzungswoche haben wir bereits angekündigt, dass wir in dieser Woche über die Reform des Klimaschutzgesetzes beraten werden. Wir sind keine Klimaheuchler, sondern wir machen unsere Arbeit. Heuchlerisch ist, wenn Sie uns vorwerfen, nichts zu tun, obwohl Sie es besser wissen müssten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie wollen einen fairen Wahlkampf führen, „mit Fakten und Argumenten“ und ohne „persönliche Diffamierungen“. Wenn das Ihr fairer Wahlkampf ist, dann verzichten wir gerne darauf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eines macht mich aber wirklich fassungslos. Mit Ihrem Wahlkampfgetöse gefährden Sie von den Grünen eine echte nachhaltige Politik.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist unglaublich!)

Ich möchte da die Debatte um die Spritpreise aufgreifen. 16 Cent mehr für den Liter haben Sie gefordert. Was heißt denn Nachhaltigkeit? Nachhaltigkeit heißt, dass man wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte unter einen Hut bringt und so eine tragbare Lösung findet. Also, 16 Cent mehr pro Liter, da gab es große Empörung. Wir haben Sie dafür kritisiert.

Sie werfen uns hingegen Heuchelei vor, weil wir durch den nationalen CO2-Preis den Sprit auch um 15 Cent teurer machen. Eines vorweg: Ja, richtig, auch wir machen den Sprit teurer.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht uns gar nicht um die Frage, ob wir die fossilen Kraftstoffe teurer machen sollen, aber wir streiten über die Frage, wie wir dahin kommen. Wir erhöhen den Benzinpreis innerhalb von fünf Jahren schrittweise. Sie wollen den Spritpreis auf einen Schlag erhöhen. Unsere Rechnung lautet: 15 Cent – und nicht: 15 Cent plus 16 Cent obendrauf. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der CDU/CSU)

16 Cent, ist der Vorschlag ökologisch sinnvoll? Höchstwahrscheinlich nicht. Jeder Autofahrer müsste pro Jahr circa 75 Euro mehr für Sprit ausgeben. Das wird niemanden dazu bewegen, auf das E-Auto umzusteigen. Deshalb sagen wir den Leuten: Der Sprit wird in den kommenden fünf Jahren etwas teurer, danach noch teurer. Deshalb nutzt die Zeit, nehmt die Subventionen in Anspruch und steigt um, wenn ihr euch ein neues Auto anschafft.

Ist der Vorschlag wirtschaftlich sinnvoll? Ebenfalls Fehlanzeige. Wenn man die heutigen Steuern auf Benzin in einen CO2-Preis umrechnet, kommt man schon jetzt auf fast 300 Euro pro Tonne. Das ist fast zehnmal mehr, als jeder andere Bereich bezahlen muss – und das, obwohl in diesen anderen Bereichen mit heutiger Technologie und weniger Kosten mehr CO2 eingespart werden kann.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was soll das denn für eine Rechnung sein?)

Ich frage mich, warum Sie sich ausgerechnet noch einmal die Autofahrer herauspicken. Ich glaube, Sie haben Ihren Kampf gegen das Auto noch nicht aufgegeben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ist der Vorschlag denn wenigstens sozial gerecht? Auch da halten Sie dem Praxistest nicht stand. Sie wollen ein Bürgerenergiegeld einführen, also eine Kopfpauschale, bei der jeder Bürger Geld zurückerstattet bekommt, das ihm erst abgeknöpft wird. Konkret heißt das: Der Bürger geht in Vorleistung und wartet brav, dass er sein eigenes Geld wieder zurückbekommt.

Obendrein würden Sie eine Bürokratie aufbauen. Wir bräuchten von jedem die Kontodaten, um 7,50 Euro pro Person und Monat überweisen zu können. Das ist eine Lösung aus dem Theoriehandbuch, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das ist überhaupt keine Lösung! Das ist eine Lösung aus dem Tollhaus!)

Herr Kollege Whittaker, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herzlich gerne, ja.

Entschuldigung, Herr Kollege, aber da sind jetzt so viele verdrehte Zahlen im Raum, dass ich da doch kurz hineingehen will.

Erstens. Wir fordern nicht 15 Cent plus 16 Cent. Sie fordern 15 Cent, wir fordern 16 Cent; das ist kein sehr großer Unterschied.

Zweitens. Auch die Bahn zum Beispiel zahlt für ihre Strecken. Dass also über den Autoverkehr auch zum Beispiel die Straßen mitfinanziert werden, das ist etwas völlig Normales. Das können Sie nicht auf den CO2-Preis anrechnen.

Drittens. Zum Bürgerenergiegeld haben Sie gerade gesagt, es bringe doch gar nichts, wenn man zum Ende des Jahres etwas zurückbekomme. Wir sind doch der Gesetzgeber! Dann gestalten wir es eben so, dass man das Geld vorher zurückbekommt. Bei der EEG-Umlage funktioniert das doch auch, dass man die Berechnung vorher vornimmt und die Umlage macht und dann hinterher ausgeglichen wird. Natürlich kann man das Bürgerenergiegeld auch am Anfang des Jahres auszahlen; dann hat es jeder Bürger.

Und ja, natürlich ist das sozial gerecht. Die Reicheren, die reichsten 10 Prozent der Deutschen verursachen ungefähr so viel CO2-Ausstoß wie die gesamte ärmere Hälfte zusammen. Das heißt, die Leute mit wenig Geld in der Tasche bekommen über das Bürgerenergiegeld deutlich mehr Geld zurück, als sie über den CO2-Preis zahlen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Herr Präsident, darf man hier solche Reden halten vom Platz aus? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das darf man! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Nein, darf man nicht!)

Das, was ungerecht ist, das ist der Status quo. Das, was ungerecht ist, das ist heute, dass wir nämlich die knappe Ressource Atmosphäre – das Ziel, wie viele Emissionen eigentlich noch gehen für die Klimaziele,

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU], an die Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nehmt sie doch auf die Rednerliste, wenn sie reden will!)

unterstützen auch Sie – völlig kostenlos hergeben, die aber massiv, vor allem von den Wohlhabenden, genutzt wird. Das heißt, der Status quo ist doch so, dass die Leute mit wenig Geld in der Tasche –

Frau Kollegin!

– diejenigen subventionieren, die viel Geld haben.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hatte etwas Mühe, die Frage zu identifizieren, die Sie mir jetzt in Ihren drei Minuten vorgetragen haben.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich auch!)

Aber ich kann gerne versuchen, das zu beantworten.

Noch einmal: Wenn man Ihre 16 Cent in ein Bürgerenergiegeld umrechnet, dann kommen 7,50 Euro bis maximal 8 Euro pro Monat pro Person heraus. Das wollen Sie jedem Deutschen monatlich überweisen, und dazu brauchen Sie von jedem die Kontodaten. Die haben Sie nicht. Das ist ein riesengroßer Bürokratieweg. Deshalb haben wir einen anderen, einen pragmatischeren Weg vorgeschlagen. Wir haben die Pendlerpauschale erhöht, wir haben für Geringverdiener einen Mobilitätsbonus eingeführt, und wir werden die EEG-Umlage weiter absenken. Wir haben es Anfang dieses Jahres gemacht, und wir werden es auch in Zukunft tun. Genau das ist der Weg, den wir, die Union, weitergehen wollen: Wenn der CO2-Preis weiter steigt, müssen an anderer Stelle Steuern und Abgaben in gleichem Umfang sinken. Das ist unser pragmatischer Weg. Wir brauchen Ihr kompliziertes Bürgerenergiegeld nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen das Geld den Bürgern nicht umständlich zurückgeben, sondern wir nehmen es ihnen erst gar nicht aus der Tasche. Ein bisschen mehr Pragmatismus bei der Debatte!

Warum also brechen Sie so etwas vom Zaun? Alles, was Sie mit dieser Debatte bewirken, ist, dass sich die Menschen von so einer Politik abwenden, weil sie Klimaschutz als Konsumverzicht empfinden. Dafür gibt es in diesem Land keine Mehrheiten. Damit schaden Sie aktiv dem Klimaschutz in diesem Land. Deshalb bin ich umso dankbarer dafür, dass wir, die Union, hier in den letzten Jahren für eine klare nachhaltige Politik eingestanden sind.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen es nämlich in Zukunft schaffen, dass wir Gesetze nicht nur nach den Kosten bewerten, sondern auch nach dem Nutzen. Das können wir am besten, indem wir die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN nehmen und daran messen, was die Gesetze in Zukunft bringen. Ich bin froh, dass der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung genau das so durchgesetzt hat und der Bundestag letztes Jahr die entsprechenden Mittel genehmigt hat, um ein solches System zu entwickeln.

Insofern bin ich dem Bundesverfassungsgericht sehr dankbar für sein Urteil, weil es genau diese Politik unterstützt. Politik muss sich daran messen lassen, ob sie generationengerechte Entscheidungen trifft. Wir müssen Lust auf die Bekämpfung des Klimawandels machen, indem wir zu Forschung und Innovation anreizen, Ideen umsetzen, und nicht, indem wir den Leuten Konsumverzicht predigen. Dafür werden Sie keine Mehrheiten haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit Blick auf Ihr Wahlprogramm kann ich nur sagen: Ihr Ausgabenwahlprogramm ist höchstwahrscheinlich verfassungswidrig. Das macht nämlich schon einen Unterschied aus zwischen einer Partei, die Führungsanspruch will, und einer Partei, die Führungsanspruch hat: die Größe, sich an den eigenen Forderungen messen lassen zu müssen. Darum wird es in diesem Wahlkampf gehen.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegensatz zu Ihnen haben wir ein Wahlprogramm! Weil, das im Kopf zu haben, reicht nicht! Sie müssen das auch aufschreiben! – Kai Whittaker [CDU/CSU]: In zwei Wochen ist es so weit, Frau Haßelmann! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da bin ich gespannt!)

Michael Thews, SPD, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der SPD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526409
Wahlperiode 19
Sitzung 233
Tagesordnungspunkt Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, Klimaschutz
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