10.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 233 / Zusatzpunkt 10

Christoph de VriesCDU/CSU - Integrationsprobleme durch kulturelle Prägungen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Baumann, wenn Sie es in Ihrer ganzen Rede nicht schaffen, ein einziges Wort zu verlieren über die Anträge, die von Ihnen heute vorliegen, dann können Sie auch nicht von uns erwarten, dass wir uns ernsthaft mit Ihren Anträgen auseinandersetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ich weiß nicht, wovon Sie reden! Haben Sie die Anträge nicht gelesen?)

– Ich habe Ihre Anträge gelesen. Der Titel eines Antrags lautet: „Dem radikalen Islam den Boden entziehen“. Ich kann Ihnen sagen: Mindestens genauso wichtig ist es, der radikalen AfD in Deutschland den Boden zu entziehen, Herr Kollege Baumann.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Schön, dass Sie das gleichgesetzt haben! Da spricht die CDU!)

Die Agitation gegen den Islam und gegen alle Musliminnen und Muslime in Deutschland ist seit der Gründung der AfD ein Eckpfeiler der Partei; sie gehört gewissermaßen zur DNA.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Schon Helmut Kohl hat gewarnt! Helmut Schmidt auch!)

Es gibt kein prominentes Mitglied Ihrer Partei, das sich nicht schon abfällig und diffamierend über Muslime in Deutschland geäußert hat. Damit verlassen Sie immer wieder den Boden konstruktiver Religionskritik, wie sie auch in Deutschland geübt werden muss, Herr Kollege Baumann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sinnbildlich dafür ist der Ausspruch von Alice Weidel – man muss das immer wieder wiederholen –, die hier gesagt hat:

Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das ist genau Ihr Menschenbild. Sie sprechen heute von „islamischer Radikalisierung“. Da sieht man schon, dass Sie gar nicht unterscheiden wollen zwischen dem Islam als Religion und islamistischem Extremismus, über den wir reden müssen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ich habe von Kultur gesprochen, von kulturellen Verhaltensweisen, nicht von Religion! – Jan Korte [DIE LINKE]: Mit Unkultur kennen Sie sich aus, das ist klar! Ganz in Ihrer Tradition!)

Aus Ihrer ganzen Rede ist hervorgegangen: Sie haben kein Interesse an einem friedlichen Zusammenleben in Deutschland, an Lösungen. Ihnen geht es darum, eine Gruppe zu diffamieren, an den Pranger zu stellen, Muslime in Deutschland unter Generalverdacht zu stellen und das Land zu spalten.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ihre Politik ist das Problem, nicht die Muslime! Ihre falsche Politik!)

Sie haben kein Interesse an einem friedlichen Zusammenleben, Herr Baumann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen werden wir auch keine Zeit auf dieses Antragssammelsurium verschwenden, das Sie uns hier vorgelegt haben.

Ich will darüber reden, was wir als Union machen. Ich freue mich, dass wir ein Positionspapier zum politischen Islamismus verabschiedet haben. Da beschreiten wir einen anderen Weg als Sie: Probleme klar benennen, Integrationshemmnisse Schritt für Schritt beseitigen, aber auch klar zwischen Religion und religiös motiviertem Extremismus unterscheiden.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist doch Geschwätz! Sie regieren doch schon ewig! Sie regieren! Sie müssen doch nichts fordern!)

– Nein, das ist kein Geschwätz, Herr Kollege Baumann. Die Union ist das Bollwerk gegen Extremismus in allen seinen Formen in Deutschland,

(Lachen bei der AfD)

und das unterscheidet uns maßgeblich von Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])

Wir verharmlosen nicht den Linksextremismus oder den Rechtsextremismus, aber eben auch nicht den politischen Islamismus, der ja durchaus eine Gefahr für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Wir haben ein Problem damit; das ist überhaupt keine Frage. Darüber müssen wir auch reden.

Viel zu lange lag der Fokus auf dem islamistischen Terrorismus. Aber es geht natürlich auch darum, den Blick auf den ideologischen Nährboden zu werfen, der darunter liegt; da bin ich gar nicht von Ihnen entfernt. Wir haben es in den letzten Monaten gesehen: Wir hatten die grauenhafte Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Paty, die dazu geführt hat, dass Hunderte Schülerinnen und Schüler auch in Deutschland, in Berlin und anderswo Sympathiebekundungen für diese abscheuliche Tat geäußert haben. Das zeigt uns doch, dass wir ein Problem haben. Als vor Kurzem Bomben der Hamas auf israelische Städte wie Tel Aviv und andere flogen, gab es auch Sympathiebekundungen, gab es Flaggenverbrennungen, wurden übelste judenfeindliche Hassparolen geschrien. Das zeigt uns, dass es hier natürlich Handlungsbedarf gibt.

(Enrico Komning [AfD]: Ja, dann handeln Sie endlich!)

– Genau. Aber wir machen das mit dem Ziel,

(Enrico Komning [AfD]: Sie machen gar nichts!)

unsere freiheitliche Gesellschaft zu bewahren. Wir machen das mit einem konstruktiven Impuls.

(Enrico Komning [AfD]: Aber leider erfolglos!)

Wir machen das – das will ich auch sagen – zusammen mit den vielen, vielen liberalen, gut integrierten Muslimen, die unsere Grundwerte in Deutschland teilen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Die meisten brauchen Polizeischutz!)

die im Übrigen auch immer wieder Opfer von Bedrohungen durch Islamisten in Deutschland werden. Wir machen das nicht gegen diese Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dieses Positionspapier haben wir einstimmig beschlossen. Das ist auch nicht so ein Stückwerk, wie Sie es vorgelegt haben, sondern das ist ein ganz umfassender Handlungsansatz. Wir brauchen breite Grundlagenforschung in Deutschland. Wir haben über 200 Lehrstühle im Bereich Antisemitismus/Rechtsextremismus – alles wichtig und notwendig –; wir haben aber keinen einzigen im Bereich des Islamismus. Da müssen wir dringend in Deutschland etwas machen.

Wir wollen eine Dokumentationsstelle „Politischer Islamismus in Deutschland und Europa“, die wissenschaftliche Forschungs- und Dokumentationsarbeit zu den Aktivitäten des politischen Islamismus leistet. Wir wollen auch einen Expertenkreis „Politischer Islamismus in Deutschland“ beim Bundesinnenministerium einrichten, der der Bundesregierung und dem Bundestag jedes Jahr einen Bericht zu den Entwicklungen im Bereich des Islamismus in Deutschland vorlegt und die Verantwortungsträger sensibilisiert. Ich kann Ihnen versichern: Wir meinen das ernst. Wir werden noch in dieser Wahlperiode konkrete Schritte umsetzen.

(Enrico Komning [AfD]: Wird ja auch Zeit!)

Ich bin dem Bundesinnenminister, der heute nicht dabei sein kann, ausdrücklich dankbar, dass er diesen Weg mitbeschreitet und dass er das unterstützt.

Denn eins ist auch völlig klar: Vereine und Verbände, die eine Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung sind, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden, können nicht gleichzeitig Partner unseres Staates sein. Sie können nicht mit finanziellen Mitteln unterstützt werden. Das muss in Zukunft beendet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie mal dem Herrn Laschet in Nordrhein-Westfalen!)

Meine Redezeit ist fast zu Ende. Aber ich will noch eines sagen, auch mit Blick auf meine Heimatstadt Hamburg. Dort gibt es das Islamische Zentrum Hamburg. Das ist die Propagandazentrale des iranischen Mullah-Regimes in Deutschland. Sie propagiert die Vernichtung Israels; sie bestreitet das Existenzrecht Israels. Diese Organisation macht der Senat der Stadt Hamburg zu seinem Vertragspartner, während er gleichzeitig einen Antisemitismusbeauftragten beruft. Das ist absoluter Wahnsinn. So was darf es nicht mehr geben. Wir brauchen Ablehnung und Distanz zu den Islamisten in Deutschland, und wir müssen sie genauso behandeln wie alle anderen politischen Extremisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Das Wort hat der Kollege Konstantin Kuhle für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526419
Wahlperiode 19
Sitzung 233
Tagesordnungspunkt Integrationsprobleme durch kulturelle Prägungen
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