Christoph BernstielCDU/CSU - Integrationsprobleme durch kulturelle Prägungen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Die AfD hat heute mehrere Anträge aufgesetzt, die mehr oder weniger unter dem Titel „Islamismusprävention“ zusammengefasst werden können.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es geht um Verhaltenskultur, nicht um Religion!)
Dazu zunächst zwei Dinge, die mir aufgefallen sind.
Erstens. Zum Ende der Legislaturperiode ist es der AfD tatsächlich gelungen, ihre Anträge besser zu schreiben als noch am Anfang der Legislaturperiode. Leider sind sie noch sehr weit entfernt von dem, was man einen guten und fundierten Antrag nennt.
Zweitens. Sie sind sehr gut, liebe AfD, im Anprangern und Großmachen von real existierenden Problemen. Beim Anbieten von praxistauglichen Lösungen sind Sie allerdings ein Totalausfall; das muss man so sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und jetzt müssen Sie ganz tapfer sein – auch das müssen Sie sich anhören –: In der Methodik sind Sie jetzt auf dem Niveau der lieben Kollegen von der Linksfraktion angekommen. Die machen nämlich genau das Gleiche: Sie machen real existierende Probleme sehr groß, aber bei den Lösungen hapert es dann.
(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Gähn! – Weiterer Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Insofern sind sich die beiden Ränder hier im Parlament wieder näher, als ihnen das vielleicht lieb ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun konkret zu Ihren Anträgen. Sie fordern ja unter anderem, dass islamische Predigten nur noch in deutscher Sprache stattfinden sollen. Das zeugt von zweierlei: von völliger Unkenntnis unseres eigenen Rechtssystems, aber auch von Unkenntnis im Hinblick auf den Koran. Wenn Sie sich näher damit beschäftigen, wissen Sie, dass es sehr schwierig ist, den Koran zu übersetzen, weil er nach strenger Glaubensvorschrift so geschrieben ist, dass er sich, in Originalsprache gesprochen, reimt, damit er melodisch ist. Wenn Sie fordern, den Koran nur noch in Deutsch zu zitieren, dann frage ich Sie: Wie machen Sie es mit der Katholischen Kirche? Wollen Sie in Zukunft auch verbieten, dass katholische Gottesdienste in Latein gehalten werden? Das ist komplett unlogisch und auch wirklich Unsinn in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren.
(Beifall des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU])
Dann fordern Sie mehr Prävention, Prävention in Bereichen, in denen die Bundesregierung bereits tätig ist. Sie weisen explizit auf das Programm „Demokratie leben!“ hin, was ja vom Bundesinnenministerium maßgeblich gefördert wird. Wenn es um das Thema „Deradikalisierung und Prävention von Islamisierung“ geht, lassen Sie aber einen entscheidenden Punkt völlig außen vor. Sie beschränken sich nämlich nur auf die Moscheen. Das BKA hat dazu eine sehr interessante Studie veröffentlicht. Was sind die drei wichtigsten Umfelder, in denen sich Menschen in unserem Land radikalisieren? Hier die Top 3: im Freundeskreis, beim Besuch in der Moschee und – auf Platz 3 – im Internet.
Das Internet ist in diesen Debatten völlig außen vor geblieben. Dabei ist es doch genau dieses Medium, wo sich insbesondere junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren radikalisieren. Das ist eine extrem beunruhigende Tendenz. Islamisten nutzen gezielt die Kinderzimmer, um dort ihre Botschaften von Hass, Antisemitismus und Gewalt bei unseren Kindern unterzubringen; versteckt in Comics, versteckt in Musikvideos oder auch in Minispielen.
Dass das keine bloße Theorie ist, zeigen Fälle aus der Praxis. Ich erinnere an den Fall Linda W., eine 16-jährige deutsche Schülerin, Notendurchschnitt 2,1, alles andere als eine Problemschülerin; alles andere als ein Kind, das im Problemmilieu aufgewachsen ist. Trotzdem hat sie sich radikalisiert, ist über Nacht über Istanbul ausgereist, hat sich dem „Islamischen Staat“ angeschlossen und dann ein grausames Schicksal erlitten. 2015 gab es in meinem Bundesland Sachsen-Anhalt den Fall Leonora M., 15 Jahre alt, ebenfalls ausgereist, hat sich dem IS angeschlossen, dort in einem Kalifat zwei Kinder geboren. Sie ist jetzt zurück in Deutschland, geläutert, aber immer noch schwer gezeichnet. Welche Folgen das für diese zwei Kinder hat, wird sich noch zeigen.
Meine Damen und Herren, wenn wir über Prävention sprechen, wenn wir über Deradikalisierung sprechen, dann müssen wir die Islamisten aus unseren Kinderzimmern vertreiben. Ihr Vorgehen müssen wir entschieden bekämpfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Linda Teuteberg [FDP])
Dass das nicht nur Worte sind, haben meine Vorredner bereits erwähnt. Wir machen einiges. Noch heute werden wir das Bundesverfassungsschutzgesetz verabschieden, mit dem wir die Quellen-TKÜ endlich über die Ziellinie bringen werden. Damit ist es möglich, solche verschlüsselten Chats auszuspähen und die Hintermänner dingfest zu machen.
Wir haben schon das BND-Gesetz verabschiedet. Damit können wir Terroristen im Ausland ausfindig machen, die aus dem Ausland versuchen, hier in Deutschland, in unseren Kinderzimmern Kämpfer für ihre verschrobene Weltanschauung anzuwerben.
Wir haben auch das Bundespolizeigesetz; das ist ganz entscheidend. Liebe AfD, das fordern Sie ja in Ihrem Antrag; man könnte also wieder sagen: Ist schon erledigt. – Die Bundespolizei wird in Zukunft die Möglichkeit haben, von der Strafverfolgung bis zur Abschiebung ein Verfahren durchgängig zu führen. Damit schließen wir ein Schlupfloch, das viele radikale Islamisten in unserem Land ausgenutzt haben: das Ranking zwischen den Behörden. Dieses Schlupfloch werden wir heute noch schließen, wenn wir das Bundespolizeigesetz endlich verabschieden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich komme zum Schluss. Die Gefahr des Islamismus und des radikalen Islamismus in unserem Land ist real. Aber wir bekämpfen sie nicht mit einfacher Polemik, und wir lösen sie schon gar nicht mit einfachen Anprangerungen. Das geht nur mit guten Gesetzen. Die gibt es nicht von der AfD, sondern von uns, von der Union.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526427 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 233 |
Tagesordnungspunkt | Integrationsprobleme durch kulturelle Prägungen |