10.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 233 / Tagesordnungspunkt 15

Uli GrötschSPD - Verfassungsschutzrecht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Gesetzen über Nachrichtendienste ist das ja immer so eine Sache. In den Augen mancher sind wir nicht weit genug gegangen, in den Augen anderer sind wir weit über die roten Linien hinausgegangen.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Letzteres stimmt!)

Ich habe das gestern schon mal gesagt: Ich glaube, dass das mit etwas ganz Grundsätzlichem zu tun hat, nämlich mit einem positiven Staatsverständnis der Sozialdemokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen: hier in Deutschland im Bundestag

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und in den Landtagen, aber auch weit über die Grenzen unseres Landes hinaus.

Wem das zu pathetisch oder gar zu staatstragend ist, den frage ich: Wer denn sonst, wenn nicht die Sozialdemokratie, soll diesen Staat tragen? Die Feinde der Demokratie ganz bestimmt nicht, und diejenigen, die sich viel zu oft an diesem Staat bereichern, bestimmt auch nicht. Klientelparteien auch nicht. Deshalb kann es nur die Sozialdemokratie sein.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Wir haben uns zu Recht dafür entschieden, bei diesem Gesetz mutig zu sein und den vorliegenden Weg zu gehen. Das war uns die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wert, auch ohne Lorbeeren und bei aller Kritik. Der Grund für unsere Überzeugung und unser Engagement für dieses Gesetz steht im ersten Satz des Gesetzentwurfes: Rechtsterrorismus. – Der Rechtsterrorismus und der Rechtsextremismus sind nach wie vor die größte Gefahr in unserem Land, mit einem gewaltigen Zerstörungspotenzial, wie uns die Terroranschläge der letzten Jahre immer wieder auf erschreckende Art und Weise vor Augen geführt haben. Insbesondere die rapide Radikalisierung von Einzeltätern im Internet und in den Chatgruppen der Messengerdienste sind ein Phänomen, auf das wir reagieren mussten, so meine ich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Monate im Bereich der Bundeswehr und im Speziellen im Bereich des Kommandos Spezialkräfte und auch der Erfahrungen der letzten Tage – Sie haben sicherlich vom Spezialeinsatzkommando des Polizeipräsidiums in Frankfurt am Main gelesen – ist es unzweifelhaft richtig, dass wir den Informationsverbund zwischen dem Militärischen Abschirmdienst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz verbessern. Einschlägige Bundeswehrangehörige können so auch weiterhin verfolgt werden, wenn sie der Bundeswehr nicht mehr angehören. Wie wichtig das ist, haben wir in den letzten Monaten immer wieder auf eine Art und Weise erfahren müssen, die wir uns alle nicht gewünscht hätten.

Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es um den Schutz vor Extremisten und Verfassungsfeinden. Genau wie bei 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes hat sich auch deren Kommunikation in den letzten Jahren gewandelt. Extremisten und Terroristen telefonieren nicht mehr miteinander, schreiben sich keine SMS-Nachrichten, sondern kommunizieren verschlüsselt über Messengerdienste. Deshalb haben wir einer Erweiterung der Möglichkeiten bei der Durchführung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung für die Nachrichtendienste und einer Erweiterung der Möglichkeiten bei der Beobachtung von Einzelpersonen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zugestimmt und dies im Gesetzentwurf verankert. So kann digitale Kommunikation über Messengerdienste überwacht und können Verbrechen aufgeklärt werden. Denn dort und nirgendwo anders – das kann man fast schon so sagen – kommunizieren die Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber eine Onlinedurchsuchung, wie sie unser Koalitionspartner haben wollte, haben wir abgelehnt. Das würde den direkten Zugriff auf Computer und Speichermedien bedeuten. Das ist mit uns nicht zu machen. Wir sagen: Was analog möglich ist, muss der Verfassungsschutz auch digital dürfen, aber eben nicht mehr, und das auch nur unter ganz strengen Auflagen und unter ganz genauer und engmaschiger Kontrolle durch das Parlament.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind deshalb überzeugt: Wer eine wehrhafte Demokratie will, der darf sich einem wirksamen Verfassungsschutz als Frühwarnsystem nicht verschließen.

(Zuruf von der AfD)

Wer einen effektiven Verfassungsschutz gegen schwerwiegende Bedrohungen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung will und auf der Höhe der Zeit ist, der muss Ja sagen zur Anpassung der Instrumentarien. Wer Sozialdemokratin oder Sozialdemokrat ist, der sorgt zusätzlich dafür, dass die Befugniserweiterungen mit mehr und verbesserter parlamentarischer Kontrolle einhergehen.

(Beifall bei der SPD)

Niemand bestreitet – das habe ich eben schon gesagt –, dass es sich um Eingriffe in Grundrechte handelt, und diese müssen gerechtfertigt sein – das ist klar – und auch entsprechend kontrolliert werden. Deshalb ist es richtig, dass wir eine Pflicht zur Vorlage eines regelmäßig erstellten und qualifizierten Berichts über die Anwendung der Quellen-TKÜ gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium einführen. So kann die Wirksamkeit des neuen Instruments – auch das halte ich für wichtig – evaluiert und regelmäßig überprüft werden.

Wir haben außerdem gestern im Innenausschuss eine Entschließung beschlossen – daran sei hier auch erinnert –, nach der der G 10-Kommission, die solche TKÜ-Maßnahmen ja genehmigt, weiteres Personal zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle zur Verfügung gestellt wird. Die G 10-Kommission wird damit noch qualifizierter und noch wirksamer in ihrer Arbeit.

Eine Stärkung der Kontrolle bei Befugniserweiterungen haben wir im Koalitionsvertrag versprochen, und dieses Versprechen lösen wir nun in der vorletzten Sitzungswoche und natürlich auch noch in der letzten Sitzungswoche vor der Wahlpause ein.

Wir als SPD haben noch kurzfristig Verbesserungen bei den Mitwirkungspflichten der Provider erreicht. Auch das halte ich für einen wichtigen Punkt.

Ich möchte zum Ende meiner Ausführungen noch eines sagen – ich kann mir, vorsichtig ausgedrückt, vorstellen, was die mir nachfolgenden Rednerinnen und Redner hier gleich zu dem Gesetzentwurf sagen werden –: Wer auch immer mit Blick auf dieses Gesetz von einer Massenüberwachung der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land spricht

(Konstantin Kuhle [FDP]: Sicherheitslücken!)

– davor warne ich Sie alle eindringlich –,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

der sagt schlicht die Unwahrheit

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

oder hat den Gesetzentwurf vielleicht gar nicht richtig gelesen, hat schon den Bundestagswahlkampf im Kopf

(Konstantin Kuhle [FDP]: Aber Hallo!)

oder möchte sich ansonsten irgendwie profilieren.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Weit davon entfernt!)

Das ist ein Thema, das sich ganz bestimmt nicht dafür eignet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Gesetz, das gut ist und die Sicherheit in Deutschland erhöhen wird. Deshalb bitte ich Sie alle um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Konstantin Kuhle [FDP]: Quatsch! Traurig! Ein schwarzer Tag!)

Das Wort hat für die FDP-Fraktion der Kollege Stephan Thomae.

(Beifall FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526434
Wahlperiode 19
Sitzung 233
Tagesordnungspunkt Verfassungsschutzrecht
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