Uwe SchummerCDU/CSU - Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollegin Ferschl, unabhängig davon ist es gut, dass die beschäftigten Arbeitnehmer und ihre Familien dann am Ende doch die Union wählen. Sie wissen auch, warum: weil die Vorschläge umsetzbar und pragmatisch sein müssen und mit den Anforderungen der Wirtschaft immer wieder verbunden werden müssen, um für die Gesamtheit etwas zu erreichen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben jetzt eine Vielzahl an Anträgen vorliegen. Es ist auch normal, dass wir am Ende einer Legislaturperiode miteinander Bilanz ziehen: die einen in dunklen Farben, die anderen eben rosarot. Ich möchte mich auf die Anträge konzentrieren, die sich mit der Tarifbindung beschäftigen. Es hat am Montag eine Anhörung zu dieser Thematik stattgefunden, und wir wissen, dass die Tarifbindung seit einigen Jahren erodiert. Auf die Frage an das IAB, was denn die Ursache dieser Erosion der Tarifbindung in den Unternehmen sei, gab es auch eine klare Antwort vonseiten des IAB: Es sind strukturelle Veränderungen in den Unternehmen, von der Produktion auf der einen Seite hin zu Dienstleistungen auf der anderen Seite. Hinzu kommt, dass es mittlerweile 2 Millionen Beschäftigte in der Plattformökonomie gibt; deren Betrieb definiert sich nicht mehr klassisch sozusagen hinter einem Werkstor, sondern über eine App in der digitalen Welt.
In den Anträgen kann ich diese Analyse des IAB allerdings kaum erkennen. Deshalb ist es wichtig, dass wir Gesetze wie das zur Modernisierung der Betriebsverfassung gemacht haben, um die klassische betriebliche Mitbestimmung endlich mit der digitalen Welt zu verbinden; denn wir wissen ja, dass dort, wo betriebliche Mitbestimmung lebt, die vertrauensvolle Zusammenarbeit und auch die Tarifbindung stärker sind. Dort, wo es Betriebs- und Personalräte gibt, wo es betriebliche Mitbestimmung gibt, liegt die Tarifbindung bei 78 Prozent, und wo es keine betriebliche Mitbestimmung, keine Mitbestimmungskultur gibt, liegt die Tarifbindung bei etwa 24 Prozent. Deshalb war die Modernisierung der Betriebsverfassung ein wichtiger Punkt, um durch mehr betriebliche Mitbestimmung auch wieder mehr Tarifbindung zu erreichen. Die Nahrungskette ist offenkundig: betriebliche Mitbestimmung, Tarifbindung, gute Löhne, fairer Wettbewerb. Das ist soziale Marktwirtschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben bereits zu Beginn der Legislatur beispielsweise das sogenannte Vetorecht gegen die Bildung von Betriebsräten beseitigt; wir haben mit dem Kollegen Bernd Rützel und den Sozialdemokraten dafür gesorgt, dass der § 117 Betriebsverfassungsgesetz geändert wurde. Denn das Beispiel Ryanair hat gezeigt, dass auch über den Wolken nicht alle Freiheiten möglich sein dürfen; vielmehr muss auch hier das Regelwerk der betrieblichen Verfassung gelten.
In der industriellen Schlachtung haben wir gemeinsam in der Großen Koalition die Werkverträge beseitigt. Im Kernbereich der industriellen Schlachtung gab es auch keine Mitbestimmung. Jetzt gilt dort die Direktbeschäftigung, jetzt bilden sich Betriebsräte, und jetzt gibt es zwischen der NGG und der Fleischwirtschaft auch einen Tarifvertrag. Das heißt, 160 000 Beschäftigte sind in die Tarifbindung gebracht worden. Das ist ein Erfolg der Bundesregierung, aber auch ein Erfolg von Karl-Josef Laumann aus Nordrhein-Westfalen, der uns dabei sehr stark unterstützt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ähnlich ist es bei den Paketboten. Auch hier haben wir die Generalunternehmerhaftung eingeführt, verbunden mit der Botschaft: Ihr könnt Arbeit an Subunternehmen delegieren. Aber ihr könnt nicht die Verantwortung delegieren; die bleibt bei euch. – Und die Vizevorsitzende von Verdi, Andrea Kocsis – ich zitiere sie – formuliert: Die Nachunternehmerhaftung im Paketbereich hat ein Umdenken angestoßen. Die Eigenbeschäftigung nimmt zu, und wir spüren, dass wir auch in der Mitbestimmung stärker werden. – Desgleichen wird in der Altenpflege passieren. Auch hier gibt es 600 000 Beschäftigte außerhalb der Tarifbereiche. Es ist wichtig, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen noch gemeinsam dafür sorgen, dass auch hier die Tarifbindung zur Voraussetzung – auch in der Altenpflege und bei den freien Trägern – gemacht wird.
In der Pandemie hat das Kurzarbeitergeld um die 3 Millionen Arbeitsplätze gesichert, und es hat den Unternehmen geholfen, Beschäftigung zu sichern. Das war ein zentrales Element, das diese Legislaturperiode mit geprägt hat. Als der Koalitionsvertrag formuliert wurde, konnte niemand mit dieser Pandemie rechnen; das ist ja offenkundig. Aber trotzdem gehören wir in Deutschland zu den Staaten, die besser und stärker durch die Pandemie gekommen sind als fast alle anderen Staaten dieser Welt: vom Gesundheitswesen über die Sicherung der Wirtschaft, der Arbeitsplätze bis hin zu Leistungen im sozialen Bereich.
Es war auch gut, dass die Agentur für Arbeit Rücklagen aufbauen konnte – 27 Milliarden Euro –, dass eben nicht alle Rücklagen später durch Beitragskürzungen weggesemmelt wurden. Wir haben gesagt: Wir müssen in guten Zeiten sparen, auch bei der Agentur für Arbeit, um in schlechten Zeiten, beispielsweise mithilfe des Kurzarbeitergelds, entsprechend gegen die Krise angehen zu können. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Agentur für Arbeit haben eines gutes haushalterisches Vorgehen bewiesen und uns damit auch massiv unterstützt.
Ich frage aber auch die BDA und den DGB, die Dachverbände der Sozialpartner: Warum gibt es denn keine gemeinsamen Vorschläge zur Stärkung der Tarifautonomie? – Ich erwarte schon – Autonomie kommt aus dem Griechischen: nach eigenen Gesetzen leben –, dass beide Dachverbände ihre Vorschläge zusammen unterbreiten. Das würde mit Sicherheit auch die Politik erfreuen.
Ich komme zum Schluss. Ich bitte um Verständnis. Ich bin seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Ich habe mich vor vier Jahren entschieden: Dies ist meine letzte Runde. – Dies ist meine letzte Rede im Parlament. Ich sage Ihnen Ade. Danke für vielfältiges Miteinander, Geduld bei mancher Übellaunigkeit, die auch mich trifft. Aber es war mir eine Ehre. Der Kampf geht weiter!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herzlichen Dank. – Ich mache darauf aufmerksam: Wir arbeiten alle noch gemeinsam bis Oktober.
(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Ja! Ich bin ja nicht aus der Welt!)
Als nächster Redner spricht Uwe Witt von der AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Der Uwe hat jetzt vorgelegt! Ist das jetzt auch die letzte Rede? – Gegenruf des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU]: Wir haben ja auch denselben Vornamen!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526456 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 233 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit |