Antje TillmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Doppelbesteuerung von Renten
Ich rede fünf Minuten. Bis zum Ende meiner Rede haben alle Kolleginnen und Kollegen Zeit, hier anwesend zu sein.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wechsel in der Besteuerung von Renten ist keine politische Idee. Im März 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht die Ungleichbehandlung von Renten und Pensionen für verfassungswidrig erklärt. Der Bundestag hat dann mit dem Alterseinkünftegesetz 2005 die sogenannte nachgelagerte Besteuerung eingeführt. Renten werden hierdurch – anders als bis dahin mit ihrem Ertragsanteil – schrittweise bis zum Jahr 2040 vollständig in die Besteuerung einbezogen. Im Gegenzug bleibt ein immer größerer Anteil der Altersvorsorgeleistungen, die während des Berufslebens gezahlt werden, steuerfrei.
Dieses System ist für Bürgerinnen und Bürger die günstigere Variante der Besteuerung; da sind sich eigentlich alle Fachleute einig. Die Steuerpflichtigen können während der Berufsphase ihre Altersvorsorgebeiträge steuerlich geltend machen, also in einer Zeit, wo sie, relativ betrachtet, einem hohen Steuersatz unterliegen. Wenn dann später die Rentenleistungen versteuert werden müssen, zahlen sie einen niedrigeren Steuersatz. Hinzu kommt, dass auch die Zeit des Rentenbezugs in der Regel kürzer ist als der Zeitraum des Erwerbslebens. Daher wirkt sich die Steuerfreiheit der Beiträge über einen deutlich längeren Zeitraum steuermindernd aus, als die Rente später besteuert wird.
Jetzt hat der BFH erneut entschieden. Die jetzt ergangenen Urteile sind gut für Beklagte und für Kläger: gut für die Finanzverwaltung als Beklagte, weil sie aktuell keine doppelte und damit keine verfassungswidrige Besteuerung bei den Renten vornimmt. Kein Fall der Doppelbesteuerung wurde vom Gericht bescheinigt. Das Urteil ist aber auch gut für die Kläger sowie für die Steuerbürger; denn anders, als vom Bundesfinanzministerium angenommen, hat der BFH entschieden, dass Freibeträge wie der Grundfreibetrag, der Werbungskostenpauschbetrag oder auch Sonderausgaben nicht in die Berechnung zur Überprüfung einer möglichen Doppelbesteuerung aufgenommen werden dürfen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Das führt zu deutlich niedrigeren Steuern im Falle von Vorsorgeaufwendungen.
Deutlich früher als bisher angenommen – also deutlich vor 2040 – würde es aber bei unveränderter Rechtslage zu einer Doppelbesteuerung kommen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben wir Ihnen schon vorher gesagt!)
– Ja, aber 2040 ist ja auch noch lange hin. – Jetzt gibt es zwei Wege, in der neuen Legislaturperiode rechtzeitig gegen diese Doppelbesteuerung vorzugehen. Der eine Weg ist, die Vorsorgeaufwendungen schon früher voll abzugsfähig zu machen; der andere Weg ist, die Renten erst später vollständig zu besteuern. Vermutlich wird es zu einer Kombination aus beidem kommen. Das werden wir zu Beginn der nächsten Legislaturperiode diskutieren. Meine präferierte Variante ist, die Vorsorge zu begünstigen; denn wir wollen, dass junge Menschen vorsorgen, und das können sie sich nur dann leisten, wenn sie das aus unversteuertem Einkommen tun können. Deshalb wollen wir, dass Vorsorgeaufwendungen schon früher voll abzugsfähig sind, damit sie sich das leisten können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann haben die Bestandsrentnerinnen und ‑rentner nichts davon!)
Entgegen dem, was meine Zwischenrufer hier behaupten, war es richtig, das Urteil abzuwarten; denn wir hätten sonst nicht gewusst, welche Bemessungsgrundlage für die Annahme einer Doppelbesteuerung zugrunde gelegt wird. Die Regierung hätte vermutlich eine Bemessungsgrundlage vorgelegt, in die die Freibeträge mit einbezogen worden wären. Der eine oder andere von uns wusste schon vorher oder hatte zumindest den Eindruck, dass die Freibeträge nicht berücksichtigt werden müssen. Das heißt, wir hätten dieses Gesetz gleich zweimal anfassen müssen, was zu einer erheblichen Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger geführt hätte. Jetzt werden wir dieses Gesetzgebungsverfahren sehr zügig angehen. Wir haben auch noch etwas Zeit; denn auch nach dem Gerichtsurteil ist eine Doppelbesteuerung nicht vor 2025 zu erwarten.
Für die Bürgerinnen und Bürger brauchen wir aber jetzt schon Rechtssicherheit, auch noch vor der Sommerpause; denn ihnen ist es egal, ob eine Bundestagswahl ansteht. Deshalb gebe ich dem Finanzminister folgende Forderungen unserer Fraktion mit auf den Weg:
Einsprüche gegen Steuerbescheide, die sich auf die Rentenbesteuerung beziehen, müssen jetzt sofort ruhend gestellt werden. Wir dürfen nicht weitere Steuerpflichtige in die Klage treiben. Die Einsprüche müssen so lange ruhend gestellt werden, bis wir das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Steuerbescheide, die sich auch auf Renteneinkünfte beziehen, müssen vorläufig ergehen, damit sie später berichtigt werden können.
Außerdem wollen wir, dass den Steuerbescheiden eine Erklärung zum Urteil des BFH angehängt wird, damit die Bürgerinnen und Bürger abschätzen können, ob sie von diesem Urteil betroffen sind. Künftige Steuerbescheide sollen rechtzeitig vor dem Ruhestand einen Erklärtext enthalten, der auf die künftige Steuerpflicht ausdrücklich hinweist, damit die Zeiten vorbei sind, wo Rentnerinnen und Rentner von dieser Steuerpflicht überrascht werden.
Darüber hinaus müssen wir sicherstellen – und das ist ganz wichtig –, dass nicht in den laufenden Verfahren bis zum Gesetzgebungsabschluss weitere Doppelbesteuerungsfälle anfallen. Es ist Aufgabe der Finanzbehörden, sicherzustellen, dass keine Fälle von Doppelbesteuerung bis zum Abschluss des Verfahrens anfallen. Es kann nicht sein, dass der Steuerpflichtige das selbst im Auge behalten muss. Das kann durch ein BMF-Schreiben passieren; das kann auch durch Sonderregelungen für kleinere Renten passieren. Es muss jedenfalls sichergestellt werden, dass alle Betroffenen in Ruhe ihre Steuererklärung abgeben können, ohne eine solche Doppelbesteuerung befürchten zu müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sollten wir vielleicht auch die Art der Besteuerung diskutieren, denn es gibt mehrere Möglichkeiten, um das Ganze für Rentnerinnen und Rentner einfacher zu machen. Wir könnten zum Beispiel eine vorausgefüllte Steuererklärung zur Verfügung stellen, in die der Rentner oder die Rentnerin nur noch die persönlichen Kosten eintragen muss. Diskutiert wurde auch so etwas wie der Quellensteuerabzug für Arbeitnehmer, sodass gar keine Steuererklärung von den Rentnerinnen und Rentnern abgegeben werden muss.
(Beifall der Abg. Sepp Müller [CDU/CSU] und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
All das werden wir diskutieren – zügig, aber trotzdem sehr ausführlich. Ich fordere Sie daher auf, diese Diskussion mit uns zu führen, um eine gute Lösung zu finden, nicht nur für Rentnerinnen und Rentner, sondern auch für Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Vorsorgeaufwendungen müssen steuerbegünstigt sein, das ist das erklärte Ziel meiner Fraktion.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wie Sie sehen, hat der Vorsitz gewechselt. Ich kann Ihnen die Nachricht überbringen, dass aktuell das Sitzungsende noch immer vor Beginn der morgigen Sitzung liegt, aber immer noch deutlich nach acht Uhr. Wir sollten also noch ein bisschen weiterarbeiten. Das sage ich, weil mich Beschwerden erreichten, dass wir jetzt zu schnell würden. Wir sind aber nicht zu schnell.
Das Wort hat jetzt der Kollege Markus Herbrand für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526485 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 233 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Doppelbesteuerung von Renten |