Lothar BindingSPD - Abwehr von Steuervermeidung
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steueroasen leben von der Maßlosigkeit. Sie helfen dabei, dass 430 Billionen Vermögen sich in ganz wenigen Händen konzentrieren – jetzt denkt jeder, ich hätte den alten Tagesordnungspunkt verschlafen; nein –, das gefährdet Demokratie, und darüber will ich reden.
Deshalb gibt es heute die Beratung über dieses Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb. Dazu sage ich jetzt nicht viel; das alles hat Cansel Kiziltepe in ihrer zu Protokoll gegebenen Rede schon notiert, das kann man nachlesen.
1 Prozent der Menschen gehören 44 Prozent von allem, und 54 Prozent besitzen nur 1 Prozent. Ist das gerecht? Ist das kein Skandal? Das ist Chancenverschwendung in der Welt und in Deutschland und gefährdet die Demokratie.
(Beifall bei der SPD)
Brod und Wein … Fest bleibt Eins; es sei um Mittag oder es gehe Bis in die Mitternacht, immer bestehet ein Maas …
Das kurpfälzische Museum in Heidelberg hat dem 250. Geburtstag von Hölderlin, der diese Elegie geschrieben hat, einen Zollstock gewidmet,
(Der Redner hält einen weißen Zollstock hoch – Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
diesen Zollstock, „immer bestehet ein Maas“. Jetzt ist natürlich klar, dass dieser Zollstock in meiner kleinen Rede die Weltbevölkerung repräsentiert. Dann gibt es noch einen Zollstock, diesen hier.
(Der Redner hält einen roten Zollstock hoch – Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
Darauf steht: „Mein Maßstab ist Gerechtigkeit“. Der repräsentiert das Vermögen in der Welt. Jetzt wollen wir einfach kurz schauen, was da eigentlich passiert. Ach so: Diesen Zollstock kann ich halbieren. Wir nehmen einmal nur das halbe Vermögen. Dieses ganze Vermögen, also die Hälfte des ganzen, gehört zwei Zentimetern dieses weißen Zollstocks,
(Der Redner hält die beiden Zollstöcke aneinander)
wobei der anderen Hälfte der Bevölkerung nur 2 Prozent des Vermögens gehören.
(Der Redner klappt auch den weißen Zollstock in der Mitte zusammen – Zuruf von der CDU/CSU: Verletz dich nicht!)
Das Verhältnis ist jeweils dieser ganze Meter zu einem Zentimeter auf dem jeweils anderen Zollstock. Und jetzt soll mir jemand sagen, dass das die Welt auf Dauer aushält. Die Antwort ist: Das hält die Welt auf Dauer nicht aus. Das gefährdet die Demokratie.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist maßlos, wenn die Deutsche Bank 3 000 Menschen entlässt und gleichzeitig 29 Prozent mehr Boni auszahlt, 2 Milliarden Euro. Das ist maßlos und gefährdet die Demokratie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Daimler von der Gesellschaft Kurzarbeitergeld nimmt, einen Vorteil von 700 Millionen Euro, ich sage einmal, einheimst – zu Recht, damit die Arbeit erhalten bleibt –, aber gleichzeitig 1,4 Milliarden Euro an die Aktionäre auszahlt, dann ist das maßlos, und das gefährdet die Demokratie.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir hatten vorhin von der Kollegin gehört: Es gibt auch Tiefpunkte. Es gibt auch Leute im Haus, die die Demokratie durch Angst gefährden. Ich will einfach einmal sagen, wie das funktioniert. Ein Kollege, der bei uns immer schön Noten gibt, wie wir waren, gut oder schlecht, und auch schon einmal in Frankfurt 20 Millionen verzockt hat, aber die Verantwortung nicht übernehmen will,
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
sondern sie auf die Nachfolger schiebt, der sagt: Sofern ein Inländer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, muss er den Verkehrswert – das ist jetzt wichtig – seines Wohnhauses, in dem er selber wohnt, versteuern.
Stimmt das eigentlich? Die Steuer beim Umzug, so fährt Herr Glaser fort, wird für sieben Jahre gestundet und muss dann bezahlt werden, auch wenn das Haus gar nicht verkauft wird. „ Wer hat denn das ausgedacht?“, fragt er. Die Antwort ist: Herr Glaser hat es sich ausgedacht. Es ist glatt gelogen,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
es ist total falsch, und es ist hinterhältig. Warum? Weil jeder an sein Häuschen denkt, weil jeder daran denkt, wo er wohnt, und wenn er jetzt ins Ausland fährt, wird er plötzlich besteuert. Totaler Unsinn! Es ging um etwas ganz anderes. Für die Fachleute: Es ging um § 6 des Außensteuergesetzes, und das bemisst sich nach § 17 des Einkommensteuergesetzes; lesen Sie es noch einmal nach. – Mein Kollege Fritz nickt. Dann bin ich auch sicher, dass das stimmt; er ist nämlich Steuerberater, der sein Metier versteht.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Also, mit solchen bewussten Falschaussagen wird Angst geschürt, und das ist ein ganz großes Problem in unserem Land. Deshalb: Alle die, die Angst schüren, gefährden die Demokratie, und das machen die Rechtsextremen auch in diesem Haus.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Weil Sie, Frau Präsidentin, die letzte Rede angekündigt haben, sage ich, dass ich mich bei allen entschuldige, die ich hier jemals in den 23 Jahren verletzt habe. Das kann passiert sein, ohne dass ich es gemerkt habe. Einmal bin ich mir dessen bewusst. Dafür entschuldige ich mich besonders. Das war eine taktisch notwendige Maßnahme, um einmal zu zeigen, wie man sich fühlt, wenn andere mit einem so umgehen, wie es damals passiert ist.
Ich danke den Präsidien, die immer sehr geduldig waren. Sie mussten viel aushalten – mit einem Becher, den ich kaputt gemacht habe, mit Smarties, die das Vermögen repräsentiert haben. Ich danke meinen und allen Mitarbeitern in den Häusern hier – ohne die würden wir gar nicht funktionieren –, dem Saaldienst, allen Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich danke auch dem Protokoll, das hinterher immer mit diesen vielen Zetteln von mir umgehen muss. Sie haben das exzellent gemeistert.
Fest bleibt Eins; es sei um Mittag oder es gehe Bis in die Mitternacht, immer bestehet ein Maas …
Vielen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der SPD sowie Abgeordnete der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526523 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 233 |
Tagesordnungspunkt | Abwehr von Steuervermeidung |