Gero Clemens HockerFDP - Gemeinsame Agrarpolitik
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, dass alle Agrarpolitiker aller Fraktionen gegenwärtig sehr viel unterwegs sind, viele Diskussionen führen, viel mit Landwirten zusammenkommen. So auch wir. Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber ich habe in den letzten vier Jahren bei Hunderten Veranstaltungen von einem Landwirt nicht ein einziges Mal den Satz gehört: Wir fordern Sie auf, mehr Geld aus Brüssel oder aus Berlin zu besorgen. Oder: Wir hätten gerne mehr Dürrehilfen bekommen. Oder: Es hätte nicht eine, sondern am liebsten zwei Bauernmilliarden sein sollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, vielen in diesem Haus ist noch nicht bewusst, wie Landwirtinnen und Landwirte im Jahre 2021 ticken. Die sagen nämlich: Es kann für uns nicht die Grundlage eines Geschäftsmodells sein, abhängig davon zu sein, dass der Staat uns willkürlich Gelder zuschiebt oder nicht. Es ist allerhöchste Zeit, dass das auch in diesem Hohen Haus endlich begriffen wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Ganz im Gegenteil. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Bauernmilliarde wird gegenwärtig verlost. Bei den Dürrehilfen müssen wir uns auch ehrlich machen. Viele Gelder sind ausgezahlt worden an Betriebe, die vielleicht in der Vergangenheit völlig falsche betriebswirtschaftliche Entscheidungen getroffen haben, die vielleicht nicht in Humusbildung investiert haben, die nicht in Beregnung investiert haben. Ja, und wenn man Gelder aus Brüssel oder Berlin bekommen möchte, dann ist das an extrem hohe Auflagen geknüpft.
Meine Damen und Herren, Landwirte möchten endlich als Unternehmer wahrgenommen werden, als Inhaber eines mittelständischen Betriebes, und nicht von willkürlich bewilligten Zahlungen abhängig sein.
(Beifall bei der FDP)
Und, meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass in der Politik endlich die Botschaft ankommt, dass diese Strategie, immer neue Zahlungen ins Schaufenster zu stellen, tatsächlich ins letzte Jahrhundert gehört.
(Beifall bei der FDP)
Ich sage es ganz ausdrücklich: Mit der Umschichtung von Mitteln aus der ersten in die zweite Säule befördern Sie eine ganz problematische Entwicklung; denn viele Landwirte, die sich mit ihren Betrieben in einer extrem prekären Situation befinden, sagen natürlich: Wenn das der Anreiz ist, dann muss ich eben noch mehr Blühstreifen säen und diese Dinge noch mehr in Angriff nehmen, weil ich abhängig von den Zahlungen bin. – Aber der Effekt, meine Damen und Herren, ist doch der, dass wir Landwirte, die eigentlich Lebensmittel und Futtermittel erzeugen – und die das zu weltweit höchsten Standards tun –, sozusagen umerziehen zu staatlich geprüften Landschaftspflegern und Landschaftsgärtnern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir machen uns in Deutschland damit noch abhängiger von Lebensmittelimporten aus dem Ausland, wo im Zweifel schlechtere, niedrigere Standards in der Tierhaltung gelten oder wo Pflanzenschutzmittel zur Anwendung kommen, die in Deutschland schon seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, aus gutem Grunde nicht mehr zur Anwendung kommen. Deswegen ist die Umschichtung von Mitteln aus der ersten in die zweite Säule in dieser Größenordnung vollständig kontraproduktiv, und deswegen können wir Ihren Plänen nicht folgen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Die nächste Rednerin ist die Abgeordnete Dr. Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526554 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 233 |
Tagesordnungspunkt | Gemeinsame Agrarpolitik |