Eckhardt RehbergCDU/CSU - Europäischer Stabilitätsmechanismus
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir von CDU und CSU teilen die BRH-Kritik ausdrücklich nicht. Was hat es mit der Letztsicherung auf sich? Es wird ja immer verschwiegen, dass es zwei Vorstufen gibt – das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation –: Erstens. Zunächst müssen Eigentümer und Gläubiger die Restrukturierung der Bank leisten. Dieses Bail-in-Instrument umfasst über 8 Prozent der Bilanzsumme; dafür wird kein Steuergeld in Anspruch genommen.
(Otto Fricke [FDP]: Aber nur 8 Prozent!)
Zweitens. Der europäische Abwicklungsfonds wird mit einer Bankenabgabe in einer Größenordnung von 68 Milliarden Euro gefüllt. Und dann erst kommt die dritte Stufe, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages kann es kein Darlehen des ESM an den Abwicklungsfonds geben; das ist einfach die Tatsache. Ich bin schon dafür, dass man hier faktenbasiert argumentiert.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Plausibler Vortrag!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese ESM-Reform ist ein Stück Weiterentwicklung von Europa. Wenn es 1990 kein friedliches und geeintes Europa gegeben hätte, wären die Friedliche Revolution und die Wiedervereinigung nicht möglich gewesen und könnte ich heute nach 31 Jahren Politik, 15 Jahre im Landtag und 16 Jahre im Bundestag, nicht meine letzte Rede halten. Ich schließe mich dem an, was Thomas de Maizière gestern in seiner Rede gesagt hat: Wir sollten ein wenig mehr stolz auf Erreichtes sein.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So ist das! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Stimmt!)
Heute wurde ein Interview mit Robert Habeck veröffentlicht. Sein Fazit war: Die Wende ist nicht positiv besetzt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist keine Wende gewesen. Es war eine Friedliche Revolution. Das ist die erste Bemerkung von meiner Seite.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)
Natürlich kann man Dinge kritisch sehen – ich bin wahrlich nicht als Schönredner bekannt –; aber nehmen wir das Thema Lebenserwartung. Noch nie in drei Jahrzehnten gab es in einer Region auf dieser Welt eine so stark gestiegene Lebenserwartung wie in den fünf neuen Bundesländern – nirgendwo. Oder nehmen wir die Umweltbelastung. Ich habe noch den Geruch meiner Schwerkraftheizung, in die Braunkohlengrus geschmissen werden musste, weil nichts anderes da war, aus dem Jahr 1989 in der Nase. Oder sehen wir uns Daten aus der Region Leipzig/Bitterfeld zur Umweltbelastung an. Oder nehmen wir die Frage, wie man mit den Schwächsten der Gesellschaft umgeht. War jemand von Ihnen 1990/91 mal in einem Pflegeheim, wo 40 zu Pflegende eine Toilette und ein Waschbecken hatten und auf einem Flur gelegen haben?
(Albrecht Glaser [AfD]: Das ist Sozialismus! Genau das!)
Heute ist das gänzlich anders. Heute gibt es auch moderne Krankenhäuser. Oder nehmen wir die Forschungseinrichtungen. Im letzten Jahrzehnt sind in den neuen Bundesländern mehr als ein Dutzend Forschungseinrichtungen gegründet worden, allein fünf in Mecklenburg-Vorpommern: drei Fraunhofer-Institute, ein DLR-Institut und ein Helmholtz-Institut in Greifswald. – Auch das, finde ich, gehört zur Wahrheit dazu.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der AfD und der FDP sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Viele sind überrascht; aber es ist ein Fakt – man sollte sich auch hier nicht von Gefühlen leiten lassen –: Die Zahl der Bezieher von Grundsicherung im Alter ist im Osten Deutschlands nur ein Drittel so hoch wie im Westen Deutschlands. Das hat Gründe. Oder nehmen wir das Thema Rente. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind heute bei einer Ost-West-Rentenangleichung von fast 98 Prozent. Man muss sich einmal den Rentenbericht der Bundesregierung anschauen, um sich zu vergegenwärtigen, was die westdeutschen Steuer- und Beitragszahler geleistet haben, damit wir in 30 Jahren von 40 Prozent auf diese 98 Prozent gekommen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Man muss nicht ständig – aus meiner Sicht jedenfalls nicht – eine Negativdebatte führen. – Ich hätte auch ein anderes Zitat als das von Robert Habeck nehmen können; aber es passte, weil das gerade heute in der „Ostsee-Zeitung“ stand.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Viele Dinge, die die Friedliche Revolution hervorgebracht hat, werden gar nicht mehr genannt: Demokratie, Rechtsstaat, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, ja, auch Religionsfreiheit. Ich kann da Geschichten erzählen: Ich bin in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen, Stichwort „Jugendweihe“ usw. usf. Das ist heute alles kein Thema mehr. Deswegen kann ich nur sagen: Aus meiner Sicht sollten wir insgesamt wirklich stolzer auf das sein, was wir erreicht haben, ohne schönzureden.
Lassen Sie mich noch eine letzte Anmerkung als Haushälter machen: Es gab am 5. Mai in Karlsruhe ein sehr interessantes Urteil zum Klimaschutz. Ich habe das dann noch mal in Artikel 20 a, Staatszielbestimmung, und Artikel 115 Absatz 2 Satz 1 nachgelesen.
(Otto Fricke [FDP]: Ja! Schön!)
Das sollte zum Thema Schuldenmachen jeder mal tun.
(Otto Fricke [FDP]: Ja!)
Ich finde, Schuldenmachen bedarf keiner Kraftanstrengung. Der Schuldenabbau wird aber einer großen Kraftanstrengung bedürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP sowie des Abg. Dr. Eberhard Brecht [SPD])
Ich werde immer wieder gefragt, was tolle, gute Momente waren. Das war eine November-Bereinigungssitzung, wo wir im Soll-Haushalt 2015 keine neuen Schulden mehr gemacht haben. Ich werde auch immer wieder gefragt, was ich vermissen werde. Vermissen werde ich die Kollegialität aus dem Haushaltsausschuss.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Die Bereinigungssitzungen!)
– Ja, Kollegin Lötzsch, die vielleicht auch.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber besonders vermissen werde ich das Bierchen und das Weinchen, das wir nach der Bereinigungssitzung gemeinsam getrunken haben, über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg.
Danke.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN – Die Fraktionen der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie Abgeordnete der SPD und der Abg. Otto Fricke [FDP] erheben sich)
Lieber Herr Kollege Rehberg, ich bin nicht ganz unbefangen; dafür haben wir zu lange und zu eng in anderer Funktion zusammengearbeitet. Der fraktionsübergreifende Beifall und die stehenden Ovationen drücken mehr aus, als man mit Worten sagen kann. Sie waren eine starke Stimme für das vereinte Deutschland. Sie waren eine starke Stimme für eine nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik. Sie waren ein toller Kollege, von allen Fraktionen angesehen. Wir werden Sie vermissen. Sie haben sich um dieses Parlament und auch um den Parlamentarismus wirklich verdient gemacht. Herzlichen Dank und alle guten Wünsche!
(Anhaltender Beifall)
Otto Fricke, FDP, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526671 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Europäischer Stabilitätsmechanismus |