René RöspelSPD - Digitale Ökonomie, Wissenschaftstransfer
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach 23 Jahren Plenarzugehörigkeit ist das meine letzte Rede. Viele und vieles werden mir fehlen, einiges nicht. Ich wollte zunächst auf die FDP-Anträge zu sprechen kommen, aber das wäre der Reihenfolge nicht angemessen.
Nicht fehlen werden mir die Reden und die Zwischenrufe der AfD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie sind ja ein großer Demokrat! – Weitere Zurufe von der AfD)
Ich habe schon in meiner Jugend viele Protokolle und Debatten aus der Weimarer Republik gelesen.
(Zuruf von der AfD: Aha!)
Ihr Bild eines düsteren Deutschlands, Ihr Hass und Ihre Hassreden
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Hass machen Sie doch gerade wieder! Ihre Rede ist Hass! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie sind der Hass!)
gegenüber Minderheiten und Menschen, die sich nicht wehren können, erinnert fatal an die Zeiten der NSDAP und die Protokolle, die ich gelesen habe.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Sie machen Hass! Hier! Heute! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ihre Rede ist der Hass! Geht es denn noch schlimmer? – Gegenruf von der LINKEN: Nicht kollabieren!)
Ich sage ausdrücklich: Ich werde das hier im Parlament nicht mehr bekämpfen. Aber außerhalb des Parlaments werde ich mich mit vielen Menschen, von denen ich weiß, dass ihnen Demokratie, Freiheit und Toleranz wichtig sind,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wir sind die größte Oppositionspartei! Vom Volk gewählt!)
zusammenraufen und gegen Ihr Deutschland, das Sie wollen, weiterhin kämpfen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie Heuchler!)
Nicht fehlen werden mir auch – das liegt aber viele Ebenen darunter; das muss ich der FDP zugestehen – die Anträge der FDP. Warum? Ich bin als Nordrhein-Westfale sozialisiert worden, auch mit Johannes Rau, der viele wichtige Worte gesagt hat; und Matthäus 7, Vers 12 ist ja schon von Gerd Müller zitiert worden. Johannes Rau hat aber einen wichtigen Leitsatz gehabt: „Sage, was du tust, und tue, was du sagst.“ Das ist der Anspruch: Prüfe deine Versprechungen, ob und wie du sie halten kannst. – Das war tatsächlich für uns handlungsleitend. Das ist immer schwer, wenn man in eine Regierungskoalition geht, wo man verhandeln muss: Welche Versprechen kann man umsetzen und welche nicht? Aber es ist gelungen.
(Zuruf des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])
Wir haben 1998 ganz schnell Dinge durchgesetzt
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Ja!)
wie die Wiedereinführung der gesetzlichen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Zahnersatz für Jugendliche – all das muss man sich vor Augen führen – und das Schlechtwettergeld. Für manche Versprechungen wird man nicht belohnt oder gelobt. Meistens gibt es dort Schwierigkeiten, wo man Versprechen nicht oder auf lange Frist nicht einhalten kann. Auch da sind wir relativ gut gewesen, glaube ich – natürlich immer auch mit Problemen.
Ich hätte mir vor 20 Jahren nicht vorstellen können, dass heute fast die Hälfte unseres Stroms aus erneuerbaren Energien kommt – ein großer Erfolg! Und: Wir als Rot-Grün haben 1998 Deutschland als kranken Mann übernommen, und heute stehen wir wieder als Forschungsstandort da, der international Reputation hat,
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die Zeit dazwischen wollen wir mal nicht erwähnen!)
wo es der Alexander von Humboldt-Stiftung gelingt, renommierte KI-Professoren aus dem Ausland zu uns zu holen, und wo Nobelpreise gewonnen werden von Menschen, die nicht nur zu uns gekommen sind – ich denke an Emmanuelle Charpentier und andere –, sondern auch hier bleiben und nicht wieder gehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der AfD)
Dieses „Sage, was du tust, und tue, was du sagst“ haben wir tatsächlich auch für die vier Jahre Oppositionszeit, die ich habe mitmachen müssen – das ist übrigens Mist –, als SPD angewandt. Das war nicht immer einfach. All unsere Anträge, die wir geschrieben oder entwickelt haben, haben wir mit den Haushältern in schwierigen Diskussionen geprüft und uns gefragt: Können wir das auch finanzieren und umsetzen? An der Stelle – das muss ich sagen – hat die FDP tatsächlich einen großen Nachholbedarf.
(Lachen bei Abgeordneten der FDP)
Die Rede, die Otto Fricke heute gehalten hat, hätte er mal nicht nur hier im Hause halten sollen, sondern vielleicht auch vor der Fraktion.
Sie fordern viele spannende Sachen in Ihren Anträgen: mehr Wagniskapital, 1 Milliarde Euro mehr für eine Transfergesellschaft, mehr Risikoförderung, mehr Investitionen in Infrastruktur, Verdoppelung der Humboldt-Professuren, mehr Stipendien. Aber all das passt nicht mal in den bisherigen Etatansatz für Bildung und Forschung. Es wäre spannend, zu sehen, wie Sie solche Versprechen umsetzen.
Ziehen wir den Kreis mal noch weiter. Wir hatten gestern die Debatte über ein neues Rentenreformmodell der FDP. Es führt dazu, dass es entweder künftig Rentenkürzungen gibt oder Sie mit 25 Milliarden Euro von staatlicher Seite die Lücken ausgleichen müssen. Wo finanzieren Sie das eigentlich?
(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Und nicht nur das: Sie wollen auch noch Steuern senken und 10 Milliarden Euro über den Soli den richtig Reichen hinterherschießen.
(Beifall der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD])
Deswegen sage ich: Wenn man Sie an Johannes Raus Worten „Sage, was du tust, und tue, was du sagst“ misst, können Sie das nicht halten. Deswegen sind Ihre Anträge in Teilen nicht schlecht, aber sie werden von uns abgelehnt, weil Sie Ihr Versprechen nicht halten können; und wir wollen Versprechen halten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gibt aber auch viele gute Punkte. Sie sagen, wir brauchen mehr Frauen in Führungsverantwortung und in Leitungspositionen. Dem können wir zustimmen. Sie machen da keine harten Kriterien. Wenn wir manchmal erleben, Herr Sattelberger, wie gnadenlos – –
Kollege Röspel, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der FDP-Fraktion?
Gerne.
Vielen Dank. – Herr Kollege, der Bundeshaushalt 2020 hatte im Bildungsbereich eine Steigerung von, glaube ich, 0,1 oder 0,2 Prozent.
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die alte Klamotte!)
Ich würde Sie gern fragen: Würden Sie mir nicht zustimmen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Bereich Bildung insgesamt zu wenig Geld ausgibt? Und würden Sie mir auch zustimmen, dass es unser gemeinsames Ziel sein müsste, mehr Geld in diesem Haushalt in den Bildungsetat umzuschichten? Wenn wir das tun würden, dann hätten wir auch Geld für viele der innovativen Projekte, die wir hier in unseren Anträgen vorschlagen.
Danke für die Fragen. – Dem ersten Punkt kann ich unumwunden zustimmen. Natürlich haben wir immer viel zu wenig Geld für Bildung und für Forschung; das ist gar keine Frage. Da kämpften wir hier übrigens in den letzten Jahren alle gemeinsam dafür, dass das mehr wird.
(Zuruf von der LINKEN)
Der zweite Fehler ist, glaube ich, dass man, wenn man die Gelder für Bildung betrachtet, nicht auch die Zuständigkeiten betrachtet. Da gibt es eben den Bund mit einer begrenzten Zuständigkeit für Bildung und die vielen Länder. Wenn man das einrechnet, wird das auch ein ziemlich großer Topf.
Tatsächlich muss man es trotzdem seriös finanzieren. Wir haben da gute Vorschläge. Wir haben einen Bundesfinanzminister, der sich bei seiner Prozedur tatsächlich genau an Johannes Rau hält: am Anfang nicht zu viel zu versprechen, aber dann eben doch Erfolge vorzuweisen, zum Beispiel, indem internationale Konzerne hoffentlich möglichst bald besteuert werden und dann Geld reinkommt, das wir für sinnvolle Ausgaben wie die für Bildung und Forschung verwenden können.
Ausdrücklich lehne ich ab, im Bereich von Sozialem oder anderem zu sparen, um dann eben Bildung und Forschung zu unterstützen. Das halte ich für einen Weg, der die sozialen Disparitäten in unserer Gesellschaft eher vertiefen würde. Und das ist der falsche Weg.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb sagen wir: Es ist richtig, sich immer zu prüfen, inwieweit man Versprechen einhalten und sich an seine Worte halten kann.
Frau Präsidentin, es ist meine letzte Rede. Sie erlauben mir, noch ein paar Gedanken und Dankesworte zu sagen. Ich habe übrigens am 19. Januar 2006 in meiner Rede dem Deutschen Bundestag drei Minuten Redezeit gespendet. Vielleicht kann ich jetzt eine halbe Minute davon wieder verwenden.
(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die sind sicherlich der Diskontinuität verfallen.
Darüber diskutieren wir noch. Aber Sie haben natürlich recht.
Danken möchte ich ganz zuallererst den Menschen, die diesen Betrieb aufrechterhalten, häufig ohne überhaupt gesehen zu werden. Das ist die Verwaltung, das sind die Menschen, die an der Pforte stehen, in der Garderobe arbeiten, bei der Polizei sind, oder die, die den Putzdienst machen und längst schon wieder aus unseren Büros weg sind, wenn wir ankommen. Deswegen, finde ich, möchte ich auch von meiner Seite für die Freundlichkeit, der ich da begegnet bin, meinen großen Dank ausrichten, auch für die Arbeit – das kann ich wahrscheinlich auch in Ihrem Sinne sagen –, die dort verrichtet wird.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr dankbar bin ich dafür, dass ich immer Glück hatte, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben; denn sie sind ja für unsere Arbeit wichtig und unverzichtbar. Wir kriegten alles gar nicht richtig hin, wenn wir nicht gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten. Deswegen danke an Jacqueline Puci, Antonia Elshiewy, Henning Kampherbeek, Jochen Milde, Jürgen Taake, Inger Eiben und viele andere. Ohne euch hätte ich das alles nicht hingekriegt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um Verzeihung muss ich meine Familie bitten, insbesondere meine Kinder Steffen, Tobias, Randi und Daniel, wenn ich vielleicht zu häufig nicht zu Hause war. Ich kann aber jetzt versprechen: Ich werde die Zeit nicht nachholen. Keine Sorge!
(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Aber das geht wahrscheinlich uns allen so, die Familie haben, dass man häufig hin- und hergerissen ist zwischen den Verantwortungen, die man hat.
Ganz herzlich möchte ich auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, danken für den Streit, den wir haben durften. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich in vielen Fraktionen – ich will gar keine Namen nennen – ganz viele engagierte Kolleginnen und Kollegen kennengelernt habe, mit denen es Spaß gemacht hat zusammenzuarbeiten. Dafür bedanke ich mich recht herzlich. Das werde ich in guter Erinnerung mitnehmen. Ich wünsche Ihnen alles Gute und Glück auf!
Danke.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Fraktion der SPD sowie Abgeordnete der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)
Kollege Röspel, wir wünschen Ihnen natürlich alles Gute für diesen neuen Lebensabschnitt. 23 Jahre sind eine lange Zeit.
Gleichzeitig – ich weiß, das verhallt mit wenig Nachdruck – bitte ich aber: Wir haben heute und auch in der folgenden Sitzungswoche noch einige Kolleginnen und Kollegen, die das letzte Mal hier ans Pult treten. Versuchen Sie doch wenigstens, die Danksagungen und sonstigen Dinge ein wenig mit einzupreisen in die Redezeit, die Ihnen die Fraktionen geben. Wir kommen ansonsten tatsächlich auch auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr, sehr spät hier raus.
(René Röspel [SPD]: Ich mache es nie wieder!)
– Das weiß ich; das ist geklärt. Aber bitte, bitte.
Das Wort hat der Kollege Mario Brandenburg für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526691 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Digitale Ökonomie, Wissenschaftstransfer |