11.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 234 / Tagesordnungspunkt 41

Ernst Dieter RossmannSPD - Digitale Ökonomie, Wissenschaftstransfer

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Schluss der Debatte ist zugleich meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Sie erlauben, dass ich mich mit drei Punkten in die Debatte einbringe.

Erstens. Im Respekt vor parlamentarischer Arbeit und vor der FDP soll der erste Punkt auf Ihre Anträge zielen. Ich habe sie alle gelesen und übereinandergelegt und bin auf 37 Seiten Text gekommen. Dann hat Herr Mario Brandenburg, Südpfalz, es in vier Begriffen gebündelt. Ich glaube, dazwischen müssten Sie einen Weg finden, um bei den Quellen nicht nur auf die Berichte der Expertenkommission Forschung und Innovation der Jahre 2016 und 2017 und 2018 abzuheben. Wir sind nämlich im Jahr 2021, und da gibt es einen aktuellen Bericht. Und in diesem Bericht sehen Sie, dass all die kritischen Punkte aus der Vergangenheit, die Sie angesprochen haben, nun positiv bewertet werden und was sich alles getan hat. Das muss ausdrücklich anerkannt werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es ist trotzdem kein unkritischer Bericht, sondern einer, der appellativ sagt: besser werden in der technologischen Anschlussfähigkeit, mehr Augenmerk auf die Fachkräftebasis, Innovationsbeteiligung und ‑transfer in den Mittelpunkt stellen, Agilität und eine neue Missionsorientierung.

Das erste Werben geht dahin: Eine gute Innovationspolitik sieht die Dinge zusammen und hält sie zusammen. Das haben wir in der Regierungs- und Parlamentsarbeit versucht, und da ist viel Gutes gelungen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Zweite ist eine Referenz gegenüber dem Parlament. Wenn ich hier eben einen Regierungsvorschlag angesprochen habe – die Expertenkommission Forschung und Innovation wird ja von der Regierung berufen –, dann möchte ich jetzt aus dem Parlament heraus doch daran erinnern, dass wir – auch wir vom Bildungs- und Forschungsausschuss – eine besondere Institution nutzen können: das rein parlamentsgetragene Büro für Technikfolgen-Abschätzung, das sich mit den Chancen und Risiken von Innovationen befasst. Ich möchte dem Parlament ausdrücklich ans Herz legen: Nehmen Sie diese Institution ernst. Stützen Sie sie, geben Sie ihr die Unabhängigkeit, geben Sie ihr den Spielraum, und respektieren Sie sie vor allen Dingen in ihrer inhaltlichen Arbeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn das, was die Arbeit des Büros für Technikfolgen-Abschätzung insbesondere auszeichnet, ist, dass sie von den Inhalten her kommt. Ich darf mich auf Frau Sitte und auf andere Kollegen dort noch mal beziehen: Es geht darum, was den Menschen nützt, welche Chancen, aber auch welche Gefährdungen da sind.

Ich könnte jetzt – das will ich dann auch gerne tun – als altgewordener Jungsozialist sagen: Es geht vor allen Dingen um den Gebrauchswert, nicht nur um den Tauschwert. Wir müssen die Gebrauchswerte von Innovationen in den Mittelpunkt stellen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und die Tauschwerte sind dann etwas, was selbstverständlich dazugehört.

Ich will einen letzten, einen dritten, auch persönlichen Punkt ansprechen. Frau Präsidentin, ich war auch mal Vizepräsident eines Landtags und weiß, dass man so etwas nicht zu sehr zu einer Art verbundenen Debatte ausdehnen darf.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich möchte mich auf das beziehen, was der von mir sehr geschätzte Kollege und Minister Müller in seinem Beitrag heute angesprochen hat. Er hat nämlich daran erinnert, dass er aus der Kindergartenzeit etwas für ihn sehr Wichtiges gelernt hat: Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem andern zu. – Diese Übersetzung des kategorischen Imperativs von Immanuel Kant in kindliche Weisheit will ich insoweit ergänzen, als auch ich eine Erinnerung an etwas sehr Frühes im eigenen Leben habe: Ich bin 1957 an einer Grundschule eingeschult worden, das war die Koppeldamm-Schule. Sie hatte einen großen Einzugsbereich, mit Kindern aus allen sozialen Schichten, den Akademikerkindern, den Unternehmerkindern – nomen est omen – aus der Roonstraße und aus der Moltkestraße und den Kindern aus den einfacheren Verhältnissen vom Stadtrand. Und wie das damals war: Es gab keine Handys und anderes; aber es gab den Fotografen, der sich nach zwei Wochen in dieser Klasse mit 28 Kindern, die sich bisher gar nicht kannten, einfand, um ein großes Foto für uns – zusammen mit unserer Klassenlehrerin Fräulein Reh, wie man sie damals respektvoll nannte – anzufertigen, damit wir es stolz den Eltern und Großeltern zeigen konnten.

Wie wurden diese 28 Kinder gruppiert? In drei Reihen. Es gab eine erste Reihe, in der saßen die Kinder, eine zweite Reihe, da standen sie, und eine dritte Reihe, da wurden sie auf kippelige Stühle gestellt. Diejenigen aus der Roon- und aus der Moltkestraße und diejenigen mit dem akademischen und dem unternehmerischen Hintergrund saßen in der ersten Reihe, die Facharbeiter- und Handwerkerkinder standen in der zweiten Reihe, und diejenigen aus den Barackensiedlungen, die kippelten in der dritten Reihe. Das war damals die Umsetzung einer Erwartung, dass die einen auf das Gymnasium, die anderen auf die Realschule und die dritten auf die Haupt- oder auf die Sonderschule gehen sollten.

Das hat mich beschäftigt, und es sollte uns immer noch beschäftigten. Es hat schon ganz viel stattgefunden, damit dies heute nicht mehr so ist. In der nächsten Debatte heute werden Sie einen Schwerpunkt setzen und dafür sorgen können, damit die Chancengleichheit, das gemeinsame Lernen und Leben von Kindern in ihrem Respekt gegenüber ihren eigenen Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten, einen zusätzlichen Baustein bekommt. Dafür werben wir. Dafür kämpfen wir. Das müssen wir jetzt gut machen. Und wenn ich sage: „Das müssen wir jetzt gut machen“, dann muss ich ehrlich bleiben: Sie müssen noch ganz vieles gut machen. Dafür wünsche ich Ihnen alles Glück in diesem wunderbaren Parlament, dem Weinberg der Demokratie.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Franziska Gminder [AfD] – Die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, der FDP, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie Abgeordnete der LINKEN erheben sich)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526696
Wahlperiode 19
Sitzung 234
Tagesordnungspunkt Digitale Ökonomie, Wissenschaftstransfer
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine