11.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 234 / Tagesordnungspunkt 46

Edgar FrankeSPD - Krankenhausinfektionen

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(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Freitagnachmittag ist ja nicht gerade Kernzeit, aber unser Thema ist trotzdem ein zentrales, ein wichtiges Thema. Lothar Riebsamen, mit dem ich ja lange als Berichterstatter zusammengearbeitet habe, hat das eben ja auch noch mal bestätigt.

Krankenhaushygiene: Es ist uns nicht erst in der Pandemie klar geworden, wie wichtig Hygiene ist. Schon Kindergartenkinder haben gelernt und wissen, dass Händewaschen Leben schützen kann. Auch in unseren Krankenhäusern ist Hygiene das A und O, wie man so schön sagt. Die Mitarbeiter dort stehen vor großen Herausforderungen. Sie behandeln Patienten, deren Immunsystem geschwächt ist, Patienten, die besonders anfällig sind für aggressive Krankenhauskeime.

Ärzte und Pflegekräfte, meine sehr verehrten Damen und Herren, tun alles, was in ihrer Macht steht. Aber trotzdem – das muss man sagen – infizieren sich mehrere 100 000 Patienten jedes Jahr mit Krankenhauskeimen; leider kommt es auch zu schweren Verläufen.

Ich habe kürzlich ein Gespräch mit einer Rechtsanwältin geführt, die lange Jahre als Krankenschwester gearbeitet hat und sich mit Medizinrecht beschäftigt: Frau Buder aus Marburg. Sie vertritt viele Betroffene in Hessen, die Opfer von Krankenhauskeimen geworden sind. Es ist leider so – wir sind die Fälle anonymisiert durchgegangen –: Lungenentzündungen, Wundinfektionen sind keine Seltenheit, bei manchen Mandanten gab es auch langfristige Schäden bis hin zu chronischen Herzschäden oder zerfressenen Nasen. Sie alle kennen wohl die Beispiele. Leider sterben immer noch viele Menschen infolge einer Infektion mit Krankenhauskeimen oder an Blutvergiftung; auch das muss man festhalten.

Noch mehr und bessere Hygienemaßnahmen müssen wir deswegen auf den Weg bringen; das ist unsere politische Aufgabe. Ich als Gesundheitspolitiker, der lange im Gesundheitsausschuss tätig ist, sage ganz klar: Jeder Mensch, der infolge einer Infektion mit Krankenhauskeimen oder an Sepsis stirbt, ist einer zu viel. Das kann man, glaube ich, wirklich sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb bin ich froh, dass wir uns heute die Zeit nehmen und dieses Thema beraten. Es ist schon einiges passiert. Sie, Herr Gehrke, und auch Herr Riebsamen haben es angesprochen: Wir haben zwei Krankenhausprogramme bzw. Hygieneprogramme, abgestimmt mit den Ländern, auf den Weg gebracht. Aber dieses Problem lässt sich leider nicht von heute auf morgen lösen.

Ich sage Ihnen auch: Angst, Herr Gehrke, ist da ein schlechter Ratgeber. Sie haben von 30 000 Menschen gesprochen, die pro Jahr an Krankenhausinfektionen sterben. Die Zahl wird ja von vielen Praktikerinnen und Praktikern hinterfragt. Man geht eher von einem Drittel dieser Zahl aus. Und ich sage auch: So ein ernstes Thema eignet sich nicht für Übertreibungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ohne Übertreibung lässt sich festhalten – – Könnten wir vielleicht das Redepult noch ein bisschen herunterfahren, Herr Präsident? Das ist ein bisschen hoch.

(Zuruf von der LINKEN: Das können Sie selber machen!)

Wo drücke ich? Ach, hier; alles klar

(Weiterer Zuruf von der LINKEN: Edgar, wie lange bist du schon hier?)

– Okay, okay; selbst ist der Mann, Herr Präsident.

Also: Wir müssen unseren Kampf gegen die Keime verstärken. Einige im Antrag vorgeschlagene Maßnahmen – das will ich noch mal sagen – sind aber praktisch nicht umsetzbar; manche sind auch kontraproduktiv. Zum Beispiel wird der Vorschlag gemacht, eine feste Zahl an Intensivbetten für Patienten mit multiresistenten Keimen freizuhalten. Die Pandemie hat aber gezeigt, dass Krankenhäuser gerade flexibel auf die aktuelle Lage reagieren müssen. Intensivbetten für spezielle Patientengruppen freizuhalten, wäre da eher gefährlich, weil dann möglicherweise Betten für andere Schwerkranke fehlen könnten. Dieser Vorschlag würde eher Leben kosten als Leben retten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen Lösungen, die im Klinikalltag funktionieren; auch das hat Herr Riebsamen gesagt. Patienten werden in Deutschland heute deutlich häufiger vor einem Klinikaufenthalt auf MRSA und andere Keime untersucht; auch das ist ein Fortschritt. Insofern hat sich in dieser Sache schon ein bisschen was getan.

Ich glaube, wenn wir Verbesserungen machen, können wir immer von den nordischen Ländern und von den Niederlanden lernen, die beim Screening wesentlich mehr gemacht haben als wir in Deutschland; auch das ist so. Vor allen Dingen werden die Patienten, auch MRSA-Patienten, nach der Klinikentlassung weiter umfangreich betreut. Ich glaube, das ist sinnvoll, und das ist ein richtiger Weg.

Auch die Sepsis-Stiftung fordert, dass wir einen nationalen Aktionsplan in dieser Hinsicht initiieren. Auch das finde ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, vernünftig. Das ist ein tragfähiger und vernünftiger Vorschlag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch eine Sitzungswoche in dieser Wahlperiode. Insofern ist klar, dass wir solche Verbesserungen, die der Antrag fordert, nicht von heute auf morgen noch in der letzten oder vorletzten Sitzungswoche umsetzen können. Das weiß sicherlich auch die antragstellende Fraktion. Das Timing des Antrags zeigt so ein bisschen: Es geht nicht nur um Verbesserungen, es geht vor allen Dingen darum, populistisch ein Thema für den bevorstehenden Wahlkampf anzutreiben. Um das Thema, das wirklich wichtig ist, ernsthaft zu behandeln, kommt der Antrag natürlich viel zu spät.

(Zuruf des Abg. Dr. Axel Gehrke [AfD])

Wir als SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren, wollen aber gerade die Themen „Sepsis“ und „Krankenhauskeime“ weiter ernsthaft angehen. Wir wollen das auch mit den Ländern zusammen angehen. Deswegen verspreche ich Ihnen eines: Wir als SPD werden dem Kampf gegen die Keime weiterhin höchste Priorität einräumen. Für uns als Berichterstatter, für uns, die wir uns mit Krankenhauspolitik beschäftigen, ist das ein ganz wichtiges Thema – im Interesse der Menschen, im Interesse der Gesundheit. Denn Keime müssen wir im Keim ersticken.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Franke. – Sie haben gesehen: Auch die Bundestagsverwaltung setzt auf Eigeninitiative.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Man muss nur den richtigen Knopf finden!)

Sie kommen ja wieder, soweit ich weiß; beim nächsten Mal wissen Sie das dann.

Nächster Redner ist der Kollege Professor Dr. Andrew Ullmann, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526766
Wahlperiode 19
Sitzung 234
Tagesordnungspunkt Krankenhausinfektionen
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