Nicole WestigFDP - Gesundheitsversorgung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine größere Pflegereform sollte es werden, doch das hier ist bestenfalls ein Reförmchen, eher jedoch eine Mogelpackung.
Höhere Löhne und mehr Personal bei gleichzeitiger Entlastung der Pflegebedürftigen – wie soll das gelingen? Nach dem Scheitern eines flächendeckenden Tarifvertrags in der Pflege sollen Pflegende nun doch flächendeckend Tariflöhne erhalten. Wenn diese von der Politik verordnet werden, ist das ein Eingriff in die Tarifautonomie.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Na ja!)
Es liegt bei den Sozialpartnern, Tariflöhne auszuhandeln.
(Beifall bei der FDP – Marianne Schieder [SPD]: Ach!)
Doch nur 10 Prozent der Pflegenden sind gewerkschaftlich organisiert.
(Marianne Schieder [SPD]: Ach so!)
Deshalb ruft der Pflegebevollmächtigte Westerfellhaus auch zu mehr Engagement auf. Ihm scheint das Problem mangelnder Repräsentativität der Tariflöhne bewusst zu sein. Verdi selbst befürchtet Dumpingtarifverträge und Missbrauch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Tariftreueregelung ist verfassungsrechtlich fragwürdig und verfehlt ihre Wirkung. Wir lehnen sie ab.
(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
Wie wirksam die stufenweise Entlastung der Pflegebedürftigen in Heimen ist, ist ebenfalls fraglich. Die Eigenanteile ließen sich jedoch sofort und spürbar senken, wenn die GroKo die Kosten für die medizinische Behandlungspflege dort konsequent in den GKV-Bereich überführen würde. Das geschieht jedoch nur halbherzig. Und bei alldem ist diese Reform nicht solide gegenfinanziert. „ Die Welt“ spricht von einem neuen Finanzloch und beziffert den notwendigen Steuerzuschuss auf rund 10 Milliarden Euro bis 2030. Das geht zulasten nachfolgender Generationen.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Warum?)
In seinem bemerkenswerten Urteil zum Klimaschutzgesetz hat das Bundesverfassungsgericht angemahnt, die Freiheitsrechte künftiger Generationen besser zu schützen. Was aber für unsere natürlichen Lebensgrundlagen gilt, sollte in gleichem Maße für die Nachhaltigkeit unserer Finanzen gelten.
(Beifall bei der FDP)
Wir dürfen unseren Kindern nicht noch mehr Schulden hinterlassen. Deshalb lehnen wir Freien Demokraten einen Steuerzuschuss zur Pflegeversicherung ab.
Die Pflegeversicherung ist als Teilleistung angelegt; diese Teilleistung müssen wir verteidigen. Wir brauchen mehr Elemente zur Kapitaldeckung.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Raffelhüschen lässt grüßen!)
Wir brauchen mehr private Vorsorge für die Pflege. Wir brauchen den Ausbau betrieblicher Modelle für eine Pflegevorsorge.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Pflegereform gibt kein Signal an all die Pflegebedürftigen, die nicht in Heimen leben. Dabei verlangt die alternde Gesellschaft nach mehr Vielfalt, nach sektorenübergreifenden Versorgungsformen, nach Lösungen vor Ort, damit auch Menschen mit Pflegebedarf länger in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können und nicht vereinsamen, und nach mehr Unterstützung für pflegende Angehörige, zum Beispiel durch ein Entlastungsbudget, über das sie flexibel verfügen können.
Eines ist klar: Es gibt viel zu tun für eine neue Bundesregierung.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Westig.
(Marianne Schieder [SPD]: Ihr wollt ja nicht regieren! Das ist ja das Problem!)
– Tja, darüber streiten sich die Gelehrten, Frau Kollegin.
Nächster Redner ist der Kollege Harald Weinberg, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526778 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheitsversorgung |