Benjamin StrasserFDP - Rassismus
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Lindh, ich weiß nicht, ob das Thema „Süßkartoffel“ der Ernsthaftigkeit der Debatte angemessen ist, aber das entscheidet jeder selber.
Am 4. November dieses Jahres jährt sich zum zehnten Mal der Super-GAU deutscher Sicherheitsbehörden. Durch die Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds am 4. November 2011 ist ein Staatsversagen unglaublichen Ausmaßes offenkundig geworden. Zwischen 1999 und 2011 hat der rechtsterroristische NSU zehn Menschen getötet, drei Sprengstoffanschläge und mehrere Banküberfälle begangen, ohne dass irgendeine deutsche Sicherheitsbehörde von der Täterschaft Kenntnis erlangt haben möchte. Bis heute sind Fragen offen. Helferstrukturen, Mitwisser, Mittäter wurden nicht aufgeklärt. Akten des Verfassungsschutzes werden weggeschlossen. Das ist eine traurige Bilanz, und das ist vor allem bitter für den Rechtsstaat.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der NSU war aber nicht singulär. Wer das denkt, verkennt die Realität. Rechtsterroristen ziehen eine Blutspur seit den 1970er-Jahren durch Deutschland: das Oktoberfestattentat, der Mord an Dr. Walter Lübcke, Halle, Hanau, die „Gruppe Freital“, die „Gruppe S.“ sind nur einige wenige Beispiele, wie Rechtsterroristen Menschen in Deutschland morden.
Ich empfehle auch den Blick auf die aktuelle Situation und die sich verändernde Lage, auch innerhalb von rechtsextremistischen, rechtsterroristischen Strukturen: Die Vernetzung mit der kriminellen Szene, bis in die Organisierte Kriminalität hinein, die muss uns Sorgen machen. Das Beispiel „Turonen“ in Thüringen ist nur ein Fall, in dem über gezielten rechtsextremen Musikhandel und Drogenhandel Geld generiert wird für Waffen und anderes. Die besonders gewalttätigen Übergriffe, beispielsweise in Ballstädt, sollten uns eine Warnung sein, hier entschlossener vorzugehen.
Was mir besondere Sorge bereitet, sind rechtsextreme Netzwerke in Sicherheitsbehörden, die uns eigentlich schützen sollten. Wenn wir darauf schauen, dann fällt uns auf, dass gerade Eliteeinheiten von Sicherheitsbehörden anfällig sind. Die Vorfälle im KSK in Calw, rechtsextreme Chatgruppen bei der Sicherungsgruppe des BKA oder beim SEK Frankfurt: Es passiert, Herr Kollege Throm. Deswegen ist eine Studie, die das Ausmaß auf den Tisch bringt, nicht Ausdruck eines Generalverdachts gegenüber den Beamtinnen und Beamten, sondern die notwendige Grundlage dafür, dass wir hier wirksame Maßnahmen treffen können.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie erweisen den Beamtinnen und Beamten, die tagtäglich ihren Job verrichten, einen Bärendienst.
Sie haben einen Maßnahmenkatalog mit 89 Maßnahmen vorgelegt. Dass die allererste Maßnahme die Einführung des Staatstrojaners ist, zeigt, wie tief Sie in der Analysefähigkeit rechtsextremer Netzwerke verankert sind. Sie haben durchaus Maßnahmen vorgeschlagen, die wir unterstützen. Wir haben mit unserem Antrag hier aber einen deutlich breiteren Forderungskatalog vorgelegt. Es bleibt die Hoffnung, dass mit der nächsten Bundesregierung ein wirklich nationales und europäisches Aktionsprogramm im Kampf gegen Rechtsextremismus vorgelegt wird. Sie haben da leider recht wenig geliefert.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7526800 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Rassismus |