Jens BrandenburgFDP - Bericht Enquete-Kommission Berufliche Bildung
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung verändert die berufliche Arbeitswelt fundamental. Sie verändert Geschäftsmodelle; sie verändert Berufsbilder. Junge Menschen, die heute in der Schule oder in der Ausbildung sind, werden im Laufe ihres Erwerbslebens mehrfach ihren Beruf wechseln oder neu erlernen müssen. Das stellt die berufliche Bildung natürlich vor ganz neue Herausforderungen, ist aber auch eine große Chance. Genau darüber haben wir in der Enquete-Kommission drei Jahre lang in über 200 Sitzungen gemeinsam intensiv diskutiert, wir haben darum gerungen und sehr oft auch darüber gestritten. Das Ergebnis dieser Diskussion liegt seit dieser Woche in einem über 500 Seiten umfassenden Bericht vor.
Dahinter steckt sehr viel Arbeit, nicht nur von uns Abgeordneten – auch in der Obleuterunde –, sondern auch von den vielen Sachverständigen, von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Büros der Fraktionen, von den vielen geladenen externen Experten und Expertinnen und ausdrücklich auch von dem Sekretariat, der Verwaltung des Deutschen Bundestages. Deshalb möchte ich all den Beteiligten persönlich, aber auch im Namen meiner Fraktion für dieses kooperative, kollegiale, konstruktive und konzentrierte Miteinander sehr herzlich danken.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Der nun vorliegende Bericht ist nun wahrlich kein konsensualer Masterplan für die nächsten 10 oder 20 Jahre. Dafür – wir haben es eben schon gehört – sind die inhaltlichen Unterschiede und auch die Unterschiede in den Vorstellungen, wie sich die berufliche Bildung weiterentwickeln soll, schlicht zu groß. Wir sehen das – wenn Sie in den Bericht reinschauen, werden Sie es sehen – an einigen Prüfaufträgen und auch an immer wieder geteilten Voten, wo es dann heißt: Ein Teil der Kommission sieht es so; ein anderer sieht es so. – Aber was dieser Bericht wirklich leisten kann, ist eine strukturierte Analyse und Darstellung all dieser Debatten und unterschiedlichen Positionen im Bereich der Berufsbildungspolitik. Ich glaube, das ist eine wirklich hervorragende Grundlage für Verhandlungen der nächsten Koalition.
Ich glaube außerdem, dass es umso wichtiger und auch erfreulich ist, dass es uns trotzdem gelungen ist, in einigen zentralen Handlungsempfehlungen einen Konsens zu erzielen, beispielweise zu einem deutlichen Ausbau der Berufsorientierung, auch an Gymnasien, um wieder mehr junge Menschen für eine berufliche Aus- und Weiterbildung zu begeistern, oder zu dem Pakt für berufsbildende Schulen, der ausdrücklich nicht nur auf die technische Ausstattung setzt, sondern insbesondere auf die Aus- und Weiterbildung des Lehrpersonals.
Wir Freie Demokraten hätten uns sicher an einigen Stellen mehr gewünscht; das sehen Sie an ein paar Stellen im Sondervotum. Drei Beispiele möchte ich hier noch kurz nennen.
Erstens. Ich glaube, die wirklichen Folgen der Digitalisierung hat die Enquete-Kommission an vielen Stellen unterschätzt. Wir müssen neue Tätigkeiten schneller in Berufsbilder übersetzen. Wir sollten digitale Grundkompetenzen in der Ausbildung stärken und gerade zu Beginn der Ausbildung berufsfeldübergreifende Kompetenzen in den Fokus rücken, bevor man sich weiter spezialisiert.
Zweitens: das Thema der Internationalisierung in einer globalisierten Arbeitswelt. Erasmus+ steht nicht nur Studierenden, sondern auch Auszubildenden offen und wird viel zu selten genutzt. Die Schaffung eines Deutschen Beruflichen Austauschdienstes – leider kein absoluter Konsens in der Runde – ist eine der wichtigsten Empfehlungen in diesem Enquete-Bericht. Denn was an Hochschulen möglich ist, muss auch für die berufliche Bildung geöffnet werden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christoph Matschie [SPD])
Drittens: eine „Exzellenzinitiative Berufliche Bildung“. Mir macht es große Sorge, dass – schon vor Corona, aber insbesondere im letzten Jahr – die Zahl der Ausbildungsverträge massiv eingebrochen ist. Das ist kein reines Angebotsthema. Es liegt auch daran, dass sich immer weniger Schulabgänger überhaupt auf offene Stellen bewerben. Deshalb sollten wir politisch die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nicht schlechter reden, als sie ist. In vielen Branchen suchen Betriebe händeringend nach motivierten Auszubildenden. Es lohnt sich, sich zu bewerben. Die Chancen stehen sehr gut.
(Beifall bei der FDP)
Politisch sollten wir deshalb mehr Freiraum geben: nicht immer alles in engere gesetzliche Grenzen rücken, sondern mehr Freiraum und Unterstützung für Innovation vor Ort, auch für regionale Cluster. Dafür stehen wir Freie Demokraten.
Die Bundestagswahl im September wird sicher – wir haben es eben auch gemerkt – ein Stück weit eine Richtungswahl für die berufliche Bildung sein. Wo es hingehen kann, ob in die eine oder in die andere Richtung, auch das macht der Bericht sehr deutlich. Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Birke Bull-Bischoff, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530389 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 235 |
Tagesordnungspunkt | Bericht Enquete-Kommission Berufliche Bildung |