24.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 236 / Tagesordnungspunkt 9

Enrico KomningAfD - Förderung und Unterstützung des Handwerks

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Lieber Herr Kollege Todtenhausen, Sie haben völlig Recht, wenn Sie hinterfragen, wie dieser Bundestag eigentlich dazu kommen kann, praxisnah zu entscheiden. Ich glaube, wir haben hier in unseren Reihen viel zu wenig Handwerker. Eigentlich hätte ich hier heute gar nicht gesprochen, sondern mein Kollege Chrupalla, der ja Handwerksmeister ist und Bundesvorsitzender unserer Partei. Er ist leider nicht im Lande. Insofern traue ich mir heute die Rede zu. Wie kommt ein Jurist dazu? Nein, ich bin nicht nur Jurist, ich bin auch Handwerker. Ich habe auch einen ordentlichen Beruf gelernt, nämlich Baufacharbeiter.

(Stephan Brandner [AfD]: Bravo!)

Wenn Sie sich in unseren Reihen umgucken, dann werden Sie sehen, dass wir die größte Quote an Handwerkern hier im Bundestag haben. – So viel vorab.

Das Handwerk, meine Damen und Herren, geht kaputt. Es geht kaputt, weil die Regierenden eine falsche Politik machen. Es gibt in Deutschland mehr als 550 000 Handwerksunternehmen, fast ausschließlich klein- und mittelständische Unternehmen. 15 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten im Handwerk. Es werden 607 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Handwerksbetriebe prägen vor allem die Wirtschaft in den strukturschwachen Räumen. Dabei geraten Handwerksregionen bei den Fördermaßnahmen des Bundes und der Länder wegen der zunehmend links-grün-ideologisch geprägten Vergaberichtlinien zunehmend ins Hintertreffen. Meine Damen und Herren, liebe Handwerker, Links-Rot-Grün und inzwischen auch Schwarz tun dem Handwerk nicht gut.

(Beifall bei der AfD)

Die unsägliche Coronapolitik hat deutliche Spuren beim Handwerk hinterlassen. Eine aktuelle Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks weist aus, dass 42 Prozent der Betriebe weniger Umsatz als im Vorjahresmonat, also im schon coronageprägten Mai 2020, machen. Drei Viertel der Betriebe fordern die Verlängerung der erleichterten Kurzarbeitergeldregelungen. Das zeigt die prekäre Situation am Arbeitsmarkt im Handwerk.

Gesundes Handwerk heißt Stärkung des ländlichen Raumes. Mit 33 Prozent ist der Anteil des Handwerks an verfügbaren Arbeitsplätzen in ländlichen Regionen deutlich höher als in Städten. Wenn die Bundesregierung so weitermacht, kann das Handwerk vor allem auch seiner gesellschaftlichen Bedeutung nicht mehr gerecht werden. Integration von Jugendlichen ins Arbeitsleben, ehrenamtliches Engagement dieser zumeist Familienbetriebe – das alles, meine Damen und Herren, steht auf dem Spiel. Die Folge ist eine beschleunigte Abwanderung aus den ländlichen Gebieten. Von daher sind gerade jetzt, wo die Bundesregierung den Menschen zumindest bis zur Bundestagswahl eine Lockdown-Pause gönnt, Weichenstellungen für eine Renaissance des Handwerks geboten.

(Beifall bei der AfD)

Handwerk, meine Damen und Herren, ist nicht altmodisch, muffig, rückständig. Handwerk kann fortschrittlich, innovativ, modern, zukunftsgerichtet sein. Man darf es nur nicht wie die Bundesregierung am nächsten Pfahl festbinden und dort verhungern lassen.

Der Antrag der FDP ist in großen Teilen gut und richtig, weshalb wir ihm auch zustimmen werden. Aber er ist ein breit angelegtes Wünsch-dir-was-Papier. Die Forderungen sind kaum handwerkspezifisch und zum großen Teil bereits im Parlament thematisiert worden, auch und vor allem durch die AfD.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man merkt, liebe Kollegen der FDP: Der Wahlkampf beginnt.

Meine Damen und Herren, die drei dringendsten Probleme des Handwerks sind:

Erstens: die Wirtschaftlichkeit der Betriebe. Die Steuer- und Abgabenlast ist weltweit betrachtet beispiellos hoch nach 16 Jahren Merkel-Regierung; sie macht die kleinen Handwerksbetriebe kaputt. Unendlich hoch erscheinende Bürokratiehürden verknappen die Arbeitszeit der Inhaber; denn eigens dafür Angestellte sind zu teuer. Die hohen Kosten durch das schwarze Loch der Energiewende tun ihr Übriges, sodass das Dagegenanverdienen zu einer echten Qual wird. Viele Handwerksbetriebe müssen aufgeben, weil die schenkung- und erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften zu kompliziert sind und viele Übernehmer von Betrieben vor hohe Kosten stellen. Hier brauchen wir eine deutliche Vereinfachung, die zum Ziel haben muss, die Betriebsnachfolger vom gierigen Zugriff des Fiskus freizuhalten.

(Beifall bei der AfD)

Und, liebe FDP, warum trauen Sie sich nicht, die ersatzlose Abschaffung der EEG-Umlage zu fordern, wo Sie doch zumindest in Ihrem tiefsten Innern wissen, wie nutzlos das gesamte EEG-Gesetz tatsächlich ist?

Zweitens: der Fachkräftemangel. Das deutsche Handwerk leidet an einem starken Fachkräftemangel – das wissen wir alle –, der gegenwärtig aus eigenem Nachwuchs nicht zu befriedigen ist. Wir brauchen einen Popularitätsschub und mehr gesellschaftliche Anerkennung des Handwerks, sozusagen mehr Installateure, weniger Influencer.

(Beifall bei der AfD)

Zudem muss die Abwanderung fertig ausgebildeter Handwerker in die Industrie gestoppt werden. Wir müssen schon ausgebildete Handwerker bei der Stange halten. Wir brauchen eine Neugestaltung und Auffächerung attraktiver Bildungs- und Karrierewege innerhalb des Handwerksbereichs, eine geeignete Strategie zur Stärkung der Bindung der jungen Menschen an den Handwerkssektor. Fachkräftezuwanderung ist jedenfalls keine grundlegende Antwort; denn es ist ja gerade die Qualität des deutschen Handwerks, erreicht durch Meisterzwang und duale Ausbildung, die deutsche Handwerker im Ausland so attraktiv macht.

Und nicht zuletzt: fehlende Planungssicherheit. Das deutsche Handwerk hat nicht nur mit dem chaotischen Hin und Her der Lockdown-Politik der Bundesregierung zu kämpfen, sondern gegenwärtig auch mit stark schwankenden Rohstoffpreisen. Zimmereibetriebe und Tischlereien sind gegenwärtig nicht in der Lage, belastbare Kostenkalkulationen anzustellen, in einer Situation, in der China und die USA unseren Holzmarkt leerkaufen. Arbeitslos trotz voller Auftragsbücher: Das ist die gegenwärtige Realität in Deutschland. Das Handwerk braucht mehr Planungssicherheit, und das bedeutet Sicherheit der Versorgung mit den wesentlichen Rohstoffen.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat dem Handwerk in den letzten Jahren schwer zugesetzt und damit vor allem die ländlichen Räume in Deutschland geschwächt. Es braucht daher endlich eine ernsthafte und groß angelegte Kampagne zur Rettung unseres Handwerks. Der FDP-Antrag kann ein Beginn sein. Wir werden dem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich dachte, der ist oberflächlich!)

Andreas Rimkus, SPD, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7530609
Wahlperiode 19
Sitzung 236
Tagesordnungspunkt Förderung und Unterstützung des Handwerks
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta