24.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 236 / Tagesordnungspunkt 10

Stefan KeuterAfD - Bericht 1.UA - Breitscheid-Platz-Attentat

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste, insbesondere persönlich Betroffene! Wir haben einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, und wenn wir auf den Anfang der 19. Wahlperiode zurückschauen, müssen wir einmal fragen, was der Untersuchungsausschuss sein sollte. Meine Fraktion wollte neben der Beschränkung auf das Geschehen rund um das Attentat außerdem den Fokus setzen auf die Asyl- und Migrationspolitik, die Kosten der Migrationspolitik, die fragwürdige Grenzöffnung 2015 und den Islamismus sowie insbesondere den islamischen Terrorismus.

All das haben wir als Antrag nicht durchbekommen; den Untersuchungsauftrag haben wir etwas enger gefasst. Andere Anträge haben wir auch nicht durchbekommen. Unter anderem hatten wir als einzige Fraktion beantragt, die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel in den Zeugenstand zu rufen. Das wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis die Bundeskanzlerin zu einer Gedenkfeier zu bewegen war, und sie gab ein Versprechen: Es würde alles unternommen werden, um dieses Attentat aufzuklären. Ich finde es beschämend, dass sie bei dieser historischen Debatte heute durch Abwesenheit glänzt.

(Beifall bei der AfD)

Ob ihr Versprechen – –

Herr Kollege, darf ich Sie unterbrechen? – Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Die Fraktionen sind davon unterrichtet, dass die Bundeskanzlerin nach ihrer Regierungserklärung und der Debatte zum Europäischen Rat Berlin verlassen musste, um an ebendiesem Europäischen Rat teilzunehmen. Ich bitte Sie einfach, dies in der Debatte zu berücksichtigen.

Ich finde es trotzdem bedauerlich, dass sie bei dieser Debatte heute nicht da ist. – Herr Präsident, ich hoffe, Sie sind mit meiner Redezeit etwas nachsichtig, denn die Uhr lief gerade weiter.

Schauen wir auf die Arbeit im Untersuchungsausschuss. Der Untersuchungsausschuss hatte es nicht immer leicht, hatte es mit Widerständen zu tun, insbesondere Konsultationen mit ausländischen Nachrichtendiensten waren hinderlich, Ermittlungsvorbehalte, Methodenschutz und Interventionen durch die Bundesregierung. Insbesondere der Hinweis an Zeugen „Bitte denken Sie an Ihre Aussagegenehmigung“ hat sehr häufig zu Gedächtnisverlust bei Zeugen geführt. Wir sind mit Unmengen an Beweismaterial zugeworfen worden und waren mit Einstufungen von Dokumenten, die für uns nicht immer nachvollziehbar waren, konfrontiert.

Es sind einige Puzzlestücke geblieben, die wir nicht einsetzen konnten, rätselhafte Sachverhalte. Lassen Sie mich hier aufgrund der begrenzten Redezeit lediglich auf vier Fälle eingehen.

Wussten Sie, dass Anis Amri, der vermeintliche Attentäter des Breitscheidplatzes, am 29. Juli 2016 – also fast ein halbes Jahr vor dem Anschlag – selbstständig versucht hatte, Berlin zu verlassen, Deutschland zu verlassen, es gab einen Ausreisesachverhalt in Friedrichshafen, wo die deutschen Sicherheitsbehörden ihn mit einer Live-TKÜ verfolgt hatten, das Bundespolizeipräsidium Potsdam sich einschaltete, das Bundesamt für Verfassungsschutz involviert war und man ihm diese Ausreise untersagt hatte?

Die Spurenlage am Lkw ist das nächste Beispiel. Dieser Ausschuss hat ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, und es ist nicht eindeutig nachvollziehbar – weder an DNA-Spuren noch an daktyloskopischen Spuren –, dass Anis Amri diesen Lkw gefahren ist und sich durchgehend in dieser Fahrerkabine aufgehalten hatte. Es gibt eine Mischspurenlage einer weiteren Person, die bisher nicht identifiziert werden konnte, die Spuren im Lkw zurückgelassen hatte.

Nächster Punkt: die Fluchtroute von Anis Amri. Wir finden es sehr rätselhaft, dass ein Video von einer Videoüberwachungsanlage des Bahnhofs Zoo wenige Minuten nach dem Anschlag aufgetaucht ist, wo sich Anis Amri nicht rennend, sondern schlendernd zum Tatort hin und nicht vom Tatort weg bewegt. Außerdem ist die große Blackbox die Flucht von Amri aus Berlin. Es gibt hier Verdachtsmomente, dass Clanfamilien aus Berlin ihn möglicherweise zu dem Attentat angestiftet haben oder ihm bei der Flucht geholfen haben sollen.

Der nächste für uns fragliche Umstand sind die Todesumstände in Sesto San Giovanni in Italien. Hier hat ein mutmaßlicher Attentäter einen Anschlag überlebt, flüchtet und kommt in Italien plötzlich zu Tode. Wir haben uns die Obduktionsbilder angesehen. Es gibt Schussverletzungen: Einschüsse, die nicht nach einem frontalen Schusswechsel aussehen, sondern eher nach Schüssen auf der Flucht.

Lassen Sie mich abschließend zu einem möglichen Mittäter kommen, der lange Zeit auf dem Aktendeckel geführt wurde: Bilel Ben Ammar. Abschiebungen von islamischen Gefährdern waren nicht möglich, hier war es plötzlich sehr schnell möglich. Am 1. Februar 2017 wurde Bilel Ben Ammar abgeschoben, ohne sein Handy vorher ausgewertet zu haben, ohne ihn ausgiebig befragt zu haben, ohne die Frage zu stellen, wo er die letzten Tage war. Die Spur von Bilel Ben Ammar verläuft sich. Vielleicht ist er inzwischen wieder in Deutschland.

Der Generalbundesanwalt hatte sich hierzu geäußert, insbesondere der Herr Salzmann. Er berichtet über die Herangehensweise und sagte, die Beweise gegen Amri seien so erdrückend gewesen, dass diese, würde er noch leben, für eine Verurteilung gereicht hätten. Alternative Erklärungsversuche sind überhaupt nicht geprüft worden.

Für uns als Untersuchungsausschuss war es viel wichtiger, andere Thesen zu hinterfragen, alternative Geschehen zu überprüfen. Ein Beispiel dafür, was aus unserer Sicht versäumt wurde, besteht darin, dass man diese Asservate aus Italien überhaupt gar nicht angefordert hatte. Die Pistole, die bei Anis Amri sichergestellt wurde, ist gar nicht untersucht worden. Ist dies tatsächlich die Tatwaffe, die verwendet worden ist, um den Lkw-Fahrer am Friedrich-Krause-Ufer zu erschießen?

Es stellt sich die Schuldfrage. Wir haben festgestellt, dass zögerliches Handeln bei Bundes- und Landesbehörden diesen Anschlag begünstigt hat. Uns fehlt es an einem politischen Willen, hier aufzuklären, aktiv zu handeln und vor allen Dingen Gefährder und Personen, die hier nicht bleibeberechtigt sind, außer Landes zu schaffen.

Ein Blick auf die Berliner Polizei: Die rot-rot-grüne Regierung von Berlin hat eine Schneise der Verwüstung in der deutschen und in der Berliner Sicherheitslandschaft hinterlassen. Und um die Frage zu beantworten: Nein, Anis Amri war kein reiner Polizeifall, und nein, er war kein Einzeltäter. Es gibt seit 2017 einen internationalen Haftbefehl gegen eine Person, die sich mutmaßlich noch in Nordafrika aufhält.

Die Frage nach dem Anschlag selber: Ja, dieser Anschlag hätte verhindert werden können. Was ist daran schuld? Die offenen Grenzen, die Politik der offenen Grenzen. Dies war ein historischer Fehler. Das ist im Ausschuss leider viel zu wenig berücksichtigt worden. Es gibt alternative Erklärungsversuche. Der „Spiegel“ hatte darüber berichtet: Anfang 2017 hat ein Luftschlag auf libysche Stellungen stattgefunden, bei dem Terroristen getötet worden sind. Ich stelle die Frage: Ist es vielleicht so gewesen, dass man die Kommunikation von Anis Amri überwacht, angezapft, benutzt hatte, um Bewegungsdaten und Information zu bekommen? War dieser Anschlag vielleicht ein Kollateralschaden unserer Nachrichtendienste?

Frau Merkel hat ein Versprechen abgegeben. Ich stelle fest: Dieses Versprechen nach Aufklärung wurde nicht eingelöst. Ich sage: Frau Bundeskanzlerin, schämen Sie sich.

An dieser Stelle bleibt mir nur noch, den Hinterbliebenen und Opfern mein Beileid, mein Mitgefühl auszusprechen; nicht nur meins, sondern meiner ganzen Fraktion. Ich bitte im Namen unserer Wähler alle Hinterbliebenen, alle Opfer um Verzeihung für die Fehler dieser Regierung und unserer Sicherheitsbehörden. Ich verneige mich hier stellvertretend dafür.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Dr. Fritz Felgentreu, SPD, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7530625
Wahlperiode 19
Sitzung 236
Tagesordnungspunkt Bericht 1.UA - Breitscheid-Platz-Attentat
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