Wiebke EsdarSPD - Aktuelle Stunde – Sichere Jobs statt Dauerbefristung in der Wissenschaft
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zur Sache spreche, zwei Vorbemerkungen. Die erste: Herzlichen Dank an Die Linke, dass wir heute dieses Thema debattieren können; denn es ist ein enorm wichtiges.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweite Vorbemerkung – das sage ich auch –: Wer sich immer und immer wieder vor Regierungsverantwortung drückt und an dieser Stelle noch nie Regierungsverantwortung getragen hat, sollte sich ein bisschen zurückhalten bei der Bewertung der Frage, wie komplex Lösungen bei einem Thema sind, das schwierig ist.
(Beifall bei der SPD)
Ich habe bereits gesagt, dass Handlungsbedarf besteht; das ist richtig. Die Struktur im Wissenschaftssystem zu verändern und diesem Missbrauch von Befristungen Einhalt zu gebieten, diese endlich zu verringern, ist nicht ganz so einfach. Darum möchte ich, dass wir darüber streiten, welche Lösungen es gibt, und dass wir auch darüber sprechen, wie eine Balance zwischen dem berechtigten Anliegen des Wissenschaftssystems, dass Menschen anfangen, sich wissenschaftlich zu qualifizieren, und den Konsequenzen aus einer hohen Promotionsquote, die wir in Deutschland haben, aussehen kann. Ich finde es richtig, dass wir eine hohe Promotionsquote in Deutschland haben; aber klar ist: Nach der Promotion werden nicht alle Professorinnen oder Professoren oder können nicht auf anderen Stellen dauerhaft im Wissenschaftssystem bleiben.
(Martin Reichardt [AfD]: Es ist besonders, dass bei der SPD nicht alle Professoren geworden sind! – Stephan Brandner [AfD]: Dazu fällt Ihnen nichts ein!)
– Es stört einfach, wenn so unqualifizierte Zwischenreden kommen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Das ist ein unqualifizierter Minister!)
Es ist richtig, dass wir eine hohe Promotionsquote haben, und darum schlagen wir als SPD-Fraktion vor, dass klar ist: Während der Promotion soll es eine Befristung geben, die Befristung soll nicht in Halbjahresschritten oder in Einjahresverträgen geregelt sein, sondern wir brauchen eine Befristung angemessen der Promotionsdauer – zum Beispiel eine Laufzeit von drei Jahren –, die realistisch in dem Fach ist; denn wir müssen Fächerunterschiede berücksichtigen. Im Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist geregelt – das ist doch der entscheidende Punkt –, dass es nach der Promotion momentan noch sechs Jahre, also sechs plus sechs Jahre, insgesamt zwölf Jahre dauert, bis die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die dann gar nicht mehr so jung sind, eine Bleibeperspektive bekommen oder nicht.
Unser Vorschlag ist: Nach der Promotion hat man ein Jahr Zeit, sich zu orientieren und zu entscheiden. Wir möchten, dass es danach eine klare Aussage gibt. Es gibt den Tenure-Track, der Leistung misst. Aber es muss die klare Zusage geben: Wenn du deine Leistung bringst, dann kannst du im Wissenschaftssystem bleiben. Oder es wird eine Dauerstelle in Aussicht gestellt, beispielsweise mit dem Schwerpunkt der Lehre. Wer aber ein Jahr danach diese Perspektive nicht hat, soll dann Bescheid bekommen, dass im Wissenschaftssystem für ihn oder für sie kein Platz ist, und eben nicht erst nach zwölf Jahren, sechs plus sechs.
Wir müssen aber auch über die Qualität der Arbeitsbedingungen während der Promotion sprechen; auch das haben Sie angesprochen. Wir sind der Meinung, es muss ganz klar sein: Wer promoviert, der arbeitet 100 Prozent; wer 100 Prozent arbeitet, der soll auch zu 100 Prozent bezahlt werden.
(Beifall bei der SPD)
Wenn wir ehrlich sind – das als einen neuen Punkt in dieser Debatte –, dann ist unser Wissenschaftssystem doch auch deswegen reformbedürftig, weil es von alten, hierarchischen Denkmustern und Strukturen geprägt ist, die auch dazu führen, dass Missbrauch mit Befristungen möglich ist. Frau Karliczek, Sie haben eben ausgeführt, dass es keine Pflicht zur Befristung gibt. Nein, die gibt es nicht; aber wir müssen schon auch anerkennen, dass es diese hohen Befristungszahlen und diese kurzen Vertragslaufzeiten gibt. Dann zu sagen: „Es gibt keine Pflicht“, ist zu einfach. Wir müssen uns überlegen: Welche strukturellen Bedingungen stehen denn dahinter, und wie können wir, wenn wir das wirklich wollen, Strukturen ändern?
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Genau das haben wir getan!)
Darum schlagen wir vor – da kann der Bund handeln –, dass wir vom Bund die Organisation Hochschule auf dem Weg unterstützen, eine Departmentstruktur einzuführen; einzelne Beispiele gibt es schon. Das ist ein ganz schwieriger, komplexer Weg, bei dem wir richtig gut unterstützen müssen; denn diese Organisationsentwicklung ist mit viel Aufwand verbunden. Das muss Bottom-up mit den Beschäftigten gemeinsam organisiert werden.
Wir müssen jedenfalls dazu kommen, dass wir in Deutschland, ähnlich wie in anderen Ländern, eine Departmentstruktur haben. Das baut Hierarchien ab, ermöglicht ein kollektiveres Arbeiten und erzeugt durch den Wegfall von Machtmissbrauch auch weniger schlechte Arbeitsbedingungen. Davon bin ich fest überzeugt.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben all das aufgeschrieben.
Kollegin Esdar, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Ja. – Sie finden es auf der Homepage der SPD.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Hey, super!)
Das ist Bestandteil unseres Wahlprogramms, und Sie finden es auch bei mir auf der Homepage. Im September ist dann darüber zu entscheiden, wer in dieser Frage die besten Ideen hat. Ich glaube, dass wir da etwas Gutes vorgelegt haben.
Danke schön.
Das Wort hat Dr. Thomas Sattelberger für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530669 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 236 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Sichere Jobs statt Dauerbefristung in der Wissenschaft |