24.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 236 / Zusatzpunkt 8

Thomas SattelbergerFDP - Aktuelle Stunde – Sichere Jobs statt Dauerbefristung in der Wissenschaft

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier im Bundestag über Wissenschaft reden, geht es meist um die Milliardeninvestitionen. Sie wissen: Aus meiner Sicht sollten wir auch darüber reden, was am Ende dabei herauskommt: Transfer, Output, Impact.

Der Erfolg von Wissenschaft hat aber noch eine dritte elementare Grundlage: Arbeitsbedingungen, die begünstigen oder verhindern, dass Menschen gute und herausfordernde Leistungen bringen. Exzellente Wissenschaft lebt von Begabungen, von Können und persönlicher Motivation über viele Jahre hinweg. Führung im Wissenschaftssystem ist dabei ein delikates Thema. Nicht jeder Spitzenforscher ist zugleich eine gute Führungskraft. Doktorandinnen und Doktoranden stehen in einem außerordentlichen Abhängigkeitsverhältnis zu Doktormutter oder Doktorvater, in einer Situation des Alles oder Nichts, in der der weitere Lebensweg oft am Erfolg der Promotion hängt, und in der sich einige auch kritische Worte verkneifen, um nichts zu gefährden.

Genauso geht es vielen Postdocs. Sie sitzen an Daueraufgaben oder Langzeitprojekten und hangeln sich von Kettenvertrag zu Kettenvertrag. Wenn wir Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher haben wollen, dann müssen wir ihnen eine planbare Lebenssituation bieten.

(Beifall bei der FDP)

Das ist wichtig vor allem für die Forscherinnen. Das miserable deutsche Wissenschaftszeitvertragsgesetz wird noch evaluiert. Das Ergebnis hinterlässt die Forschungsministerin den Nachfolgern als vergiftetes Erbe. Frau Karliczek, das ist kein guter Stil! Das ist wie ein leeres Blatt, das in der Klausur abgegeben wird – Note ungenügend!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Seit 2007 ist das hauptberufliche wissenschaftliche Personal in Deutschland um die Hälfte angewachsen auf heute 256 000 Stellen. Und immer mehr dieser Stellen, heute 82 Prozent, sind befristet. 82 Prozent – das ist eine Schande für dieses Land!

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Natürlich brauchen Wissenschaftseinrichtungen auch Atmungspotenzial, Flexibilität. Es geht auch um die Fairness zwischen den Generationen. Wir brauchen keine Flaschenhälse, die den nächsten Generationen die Karrierewege blockieren.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ist es!)

Es geht aber nicht so, wie es heute ist! Wir brauchen Dauerstellen für Daueraufgaben.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Haben wir!)

Wir brauchen zwingend Vertragslaufzeiten gemäß Projektlaufzeiten.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Haben wir auch!)

Die Promotion muss abgesichert sein, natürlich in einem realistischen Rahmen.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Haben wir!)

Wir brauchen die Ausweitung von Tenure-Track-Programmen für die Postdocs.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Haben wir auch!)

Und wir brauchen reguläre Beschäftigungsverträge für bisher prekär beschäftigte Lehrbeauftragte.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, den Menschen in der Wissenschaft verspreche ich von diesem Pult aus: Wir Freien Demokraten werden alles tun, damit die Zahl der Befristungen auf eine realistische Zahl reduziert wird.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Nennen Sie doch mal genaue Zahlen! Was heißt das denn für Sie? – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Was ist denn realistisch?)

– Dazu komme ich gleich, nur kurz warten. – Wir ringen auch darum, die hierarchischen Abhängigkeiten im Wissenschaftssystem zu mindern und zu mildern; denn wir wollen die Innovationsfreude des Einzelnen und den Innovationsoutput des Wissenschaftssystems.

Ganz anders das BMBF: Das stellt ein dümmliches Video auf seine Website, welches die prekäre Situation der jungen Generation im Duktus einer Kindersendung verharmlost, und nach dem Shitstorm muss Staatssekretär Lukas in die Bütt: Das Video von 2018 entspreche ja nicht mehr dem heutigen Stand. Nur, er beantwortet eine Frage nicht, nämlich was sich denn seit 2018 geändert hat. Dann lassen Sie mich antworten: Nichts, Herr Staatssekretär, gar nichts!

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Ministerin, Ihr eigener Staatssekretär Meister hat auf einer öffentlichen Veranstaltung der GEW die Zahl von 50 Prozent an Befristungen für realistisch angesehen. Da sind Sie ihm heute mit Ihrer Rede ein Stück in den Rücken gefallen.

(Zuruf von der FDP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, Deutschland kann es besser. Hightech mit High Touch, Forschung, Wissenschaft und Innovation mit menschlicher und fordernder Arbeitswelt. Machen wir uns alle miteinander endlich ran an den Speck!

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Kollege Kai Gehring das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7530670
Wahlperiode 19
Sitzung 236
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde – Sichere Jobs statt Dauerbefristung in der Wissenschaft
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