24.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 236 / Zusatzpunkt 13

Detlef SeifCDU/CSU - Asylrecht

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Im April dieses Jahres hat die AfD beantragt, dass Deutschland aus der Europäischen Union austreten soll. Der jetzige Antrag zielt auf eine Veränderung des EU-Rechts. Da kann man sich kaum vorstellen, dass Sie mit Ihrem Antrag das europäische Asylrecht verbessern wollen.

Richtig ist, dass das europäische Asylsystem nach wie vor unter erheblichen Mängeln leidet. Zwei Drittel der Antragsteller haben im Ergebnis keinen Schutzanspruch, und viele von denen, die keinen Anspruch haben, bleiben in Europa,

(Enrico Komning [AfD]: Ja, warum nur?)

und es bestehen Schwierigkeiten, sie zurückzuführen.

Der AfD-Antrag übersieht aber, dass zunächst die Genfer Flüchtlingskonvention und auch die Menschenrechtskonvention Verfahrensgarantien gewährleisten. Danach sind Zurückweisungen oder Abschiebungen nur nach einer individuellen Prüfung des Antrags auf Asyl oder internationalen Schutz möglich. Ein Schutzanspruch hängt auch nicht davon ab, dass man ein Personaldokument mit sich trägt. Es gibt viele Länder, in denen das Passwesen nicht funktioniert.

(Franziska Gminder [AfD]: Ach Gott!)

Es gibt viele Menschen, die haben überhaupt keinen Pass. Wir wissen, es gibt einige Asylantragsteller, die ihren Pass unterwegs wegschmeißen und eine falsche Identität vortäuschen.

(Enrico Komning [AfD]: Nein! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nur Einzelfälle!)

Aber das entbindet uns nach wie vor nicht davon, dass wir eine sehr sorgfältige Prüfung vornehmen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Auch die Frage, ob ein Antrag offensichtlich unbegründet ist, ist erst nach einer sorgfältigen Prüfung zu beantworten und kann nicht vor Ort von einem Grenzbeamten oder einem Polizeibeamten übernommen werden.

(Stephan Brandner [AfD]: Artikel 16a Grundgesetz sagt was anderes!)

Der AfD-Antrag macht an dieser Stelle mal wieder mehr als deutlich, dass es Ihnen letztlich egal ist, ob Menschen verfolgt sind oder nicht.

(Zuruf von der AfD: Das ist doch Blödsinn!)

Denn Ihr Antrag würde, wenn wir den umsetzen, nämlich auch verfolgte Menschen treffen. Diese Menschen würden ihrem Schicksal überlassen. Schämen Sie sich dafür!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD: Das stimmt überhaupt nicht!)

Als ich den Antrag der AfD las, kam mir spontan die bekannte Darstellung der drei Affen vor Augen, die sich mit den Händen die Augen,

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

die Ohren und ihren Mund zuhalten. Den dritten Affen setzen Sie leider nicht um, denn es würde alle sicherlich erfreuen, wenn Sie dauerhaft Ihren Mund halten würden. Dann würde auch die Debattenkultur in diesem Hause wieder erheblich steigen, wie bis zur letzten Legislaturperiode.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dafür setzen Sie das Verhalten der ersten beiden Affen sehr intensiv um: Ohren zu – nichts hören, Augen zu – nichts sehen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sagt der Richtige!)

Sie versperren Ihren Blick auf die reale Politik.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Asyl ist ein einziges Chaos! Sie haben das Chaos angerichtet! – Gegenruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Jetzt mal nicht kollabieren da drüben!)

Sie versperren Ihren Blick darauf, dass wir Asyl- und Migrationspolitik nicht nationalstaatlich lösen können, sondern das können wir nur im Verbund lösen, nur mit den anderen Ländern zusammen. Da ist der Ansatz der Europäischen Union – heute auch Gegenstand beim Europäischen Rat –, die externe Dimension viel mehr in den Blick zu nehmen, die Zusammenarbeit mit den Drittstaaten, der richtige Ansatz und ganz wichtig.

Das neue Migrations- und Asylpaket der EU-Kommission, das einen Großteil der Vorschläge der Bundesregierung berücksichtigt, wäre ein Durchbruch: Grenzverfahren an den Außengrenzen mit der Fiktion der Nichteinreise, vorläufige freiheitsbeschränkende Maßnahmen, Identitäts- und Gesundheitsprüfung, Sicherheitsprüfung und verpflichtende Vorprüfung des Asylantrags und, wenn Anträge offensichtlich unbegründet sind, bereits von der Außengrenze Rückführung.

Wir wissen aber: Die Verhandlungen zum Asylpaket, besonders zur Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement und auch zur Asylverfahrensverordnung, sind aktuell wieder ins Stocken geraten. Woran liegt das?

(Stephan Brandner [AfD]: An Ihnen!)

Meines Erachtens liegt das an der Befürchtung einiger Mitgliedstaaten – wenn man sich damit beschäftigt, wenn man nicht einfach nur weghört, gewinnt man entsprechende Erkenntnisse –, dass sie über den Tisch gezogen werden, dass sie die Hauptlasten der neuen Politik tragen müssen. Und wenn wir mal die letzten Jahrzehnte Revue passieren lassen, erkennen wir: Die Länder im Süden haben doch auch berechtigte Ansätze für so eine Annahme. Sie sind doch oftmals mit den Lasten alleingelassen worden, aus nationalstaatlichen Gründen. Man hat die einfach im Stich gelassen. Und deshalb werden wir hier den gordischen Knoten nicht durch einzelne, kleinteilige Änderungen lösen, sondern nur dann, wenn eine Lastenteilung von Anfang an vorgesehen ist

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

und den Ländern auch Garantien gegeben werden, dass die Lastenteilung tatsächlich umgesetzt wird. Wir sollten daran arbeiten.

Herr Kollege.

Nationalstaatliche Lösungsmodelle sind jedenfalls völlig untauglich, um mit dem globalen Phänomen „Asyl und Migration“ gut umzugehen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie schaffen weder die nationalen noch die internationalen! Sie schaffen gar nichts!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Seif. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Gottfried Curio, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7530704
Wahlperiode 19
Sitzung 236
Tagesordnungspunkt Asylrecht
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