24.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 236 / Tagesordnungspunkt 19

Philipp AmthorCDU/CSU - Verwendung geschlechtergerechter Sprache

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gehört ja leider zu den traurigen Konstanten dieser Wahlperiode,

(Stephan Brandner [AfD]: Dass Sie am Redepult stehen!)

dass wir uns donnerstagabends immer mit Ihrem Klamauk beschäftigen müssen, Herr Brandner.

(Leni Breymaier [SPD]: Das stimmt allerdings! Da hat der Herr Amthor mal recht!)

Ich hoffe, das ändert sich nächste Legislaturperiode.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber eines muss man schon feststellen: Wir haben jetzt eine der letzten innenpolitischen Debatten dieser Wahlperiode.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

Und welches Thema fällt der AfD ein aufzurufen? Die gendergerechte Sprache.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ein wichtiges Thema!)

Ich sage Ihnen: Ich will das Thema gar nicht kleinreden. Ich will es auch gar nicht wegschieben. Es polarisiert. Es ist auch eine parlamentarische Debatte wert.

Aber ich will Ihnen schon sagen: Für eine der letzten innenpolitischen Debatten dieser Wahlperiode hätte ich mir doch gewünscht, dass Sie nicht irgendwelche alten Landtagsanträge recyceln, sondern sich vielleicht einmal um die wirklich wichtigen Themen gekümmert hätten: Wie schützen wir diejenigen, die uns schützen,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wir schützen die Bürger vor dem Infektionsschutzgesetz!)

die Polizistinnen und Polizisten? Was können wir noch machen gegen Organisierte Kriminalität? Wie werden wir wehrfähiger im Cyberraum? Das wären Themen, die wir hier diskutiert hätten und die sinnvoller gewesen wären als Ihre Klamaukreden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Götz Frömming [AfD]: Die Wähler wollen das hören!)

Bevor ich zum Thema Gendern noch grundsätzliche Bemerkungen mache, will ich Ihnen einmal sagen: Die AfD führt hier natürlich ein durchsichtiges Spiel auf. Ich finde das lustig: Sie wollen sich jetzt gerieren als die Hüter der deutschen Sprache im Parlament.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Hüter*innen“, mit Sternchen, Herr Amthor!)

Da muss man schon sagen: Die Hüter der Sprache im deutschen Parlament, das sind Sie ganz sicher nicht. Denn wenn Sie eines geschafft haben, dann dieses:

(Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie mal was zum Antrag!)

Sie haben hier in den vergangenen Jahren zu einer Verrohung der Debattenkultur beigetragen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD)

Von Ihnen brauchen wir hier keine Ratschläge dazu, wie man im Parlament zu reden hat.

Aber gehen wir vielleicht doch einmal auf das Gendern ein. Herr Brandner, Sie reden immer davon, man müsse mehr Demokratie wagen. Und wir sagen: Ja, alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Dafür ist mir wichtig, festzustellen – in den Worten von Paul Kirchhof –,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Auch die Sprache geht vom Volke aus!)

auch alle Sprachgewalt geht vom Volke aus.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Was ist die Sprache des Volkes, Herr Amthor?)

Deswegen ist es so, dass es den Menschen erlaubt ist – auch ausweislich der grundrechtlichen Sprechfreiheit –, zu gendern. Ob Ihnen das passt oder nicht: Das ist den Menschen erlaubt.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Aber nicht den Behörden und in Schulen!)

Gleichzeitig ist es aber so, dass der Staat nicht frei ist, wie er spricht, sondern für uns gilt: Unsere Verfassungssprache ist Deutsch, unsere Amtssprache ist Deutsch, unsere Parlamentssprache ist Deutsch.

(Stephan Brandner [AfD]: Wo steht das? Das habt ihr auch abgelehnt!)

Das ist bisher schon geregelt.

Ob und inwieweit Gendersprech Teil dieser deutschen Sprache ist

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist keine Sprache, das ist ein Murks, ein Quatsch!)

oder nicht, das muss im gesellschaftlichen Diskurs geklärt werden.

(Zurufe von der AfD)

Ich sage Ihnen für meine Fraktion deutlich: Sprache lebt von Akzeptanz. Da gehört zur Wahrheit, dass die Gendersprache von den Bürgern mehrheitlich abgelehnt wird – von den Bürgerinnen im Übrigen auch; das muss man in dieser Debatte auch einmal festhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Diktatur! Sprachdiktatur von oben!)

Ich will auch sagen: Viele Menschen in unseren Wahlkreisen – ob bei mir in Mecklenburg-Vorpommern oder in vielen anderen Teilen der Republik – würden sich wünschen, dass wir andere Problemschwerpunkte setzen; sie empfinden diese Diskussion nur als abgehoben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Amthor, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, wir sind jetzt mit dem Plenumsende bei um die 4 Uhr. Wer jetzt Gendern noch vertieft diskutieren will,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Spenden Sie uns eine Minute!)

kann das auf dem Samtsofa in Berlin-Mitte machen; aber wir kümmern uns hier um die wichtigen Themen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn man sich fragt: „Wie soll der Staat reden?“, dann muss man sagen: Im Vordergrund der Debatten steht, dass der Staat mit Sprache Informationen vermitteln muss und nicht politisieren und provozieren sollte. Einzelne Abgeordnete, einzelne Bürger können sprechen, wie sie wollen: grammatikalisch falsch, sprachästhetisch fragwürdig – meinethalben. Für den Staat gilt aber: Neutralität, Unbefangenheit und der Amtsauftrag des Staates. Deswegen müssen wir auch aufpassen, dass wir nicht durch künstliche Sprachkonstruktionen die Grundrechte der Bürger verkürzen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Da haben Sie uns auf Ihrer Seite!)

Ich will das in aller Klarheit sagen: Ich stehe für ein Land ein, in dem Studenten und Studentinnen

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das dürfen Sie an Unis gar nicht mehr sagen! Da müssen Sie „Studierende“ sagen!)

gute Noten dafür bekommen, dass sie an Universitäten Kluges und Richtiges schreiben, aber nicht schlechte Noten dafür bekommen, dass sie „falsch gendern“. Das ist nicht meine Vorstellung von Freiheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich erwarte natürlich, dass der Staat es den Menschen zubilligt, zu gendern. Ich erwarte andererseits aber auch, dass er respektvoll mit denjenigen umgeht, die – im ländlichen Raum und in unseren Wahlkreisen – nicht den Sprachcodes folgen, die hier in Berlin-Mitte praktiziert werden.

(Stephan Brandner [AfD]: Dann stimmen Sie uns zu, Herr Amthor? Haben wir den Nagel auf den Kopf getroffen?)

Deswegen sage ich: Wir müssen einen Spagat schaffen zwischen der privaten Sprechfreiheit, die auch gendern beinhaltet, und der notwendigen Neutralität des Staates. Diese Abwägung gibt es jedenfalls nicht mit den Vereinfachern von rechter Seite, sondern nur mit CDU und CSU. – Den Antrag der AfD lehnen wir ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Philipp, du kannst es besser! – Stephan Brandner [AfD]: Wieder Klamauk, Herr Amthor!)

Zu seiner letzten Rede – jedenfalls voraussichtlich – erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Jürgen Martens, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7530758
Wahlperiode 19
Sitzung 236
Tagesordnungspunkt Verwendung geschlechtergerechter Sprache
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